Produktdetails
- Verlag: Süddeutscher Vlg
- ISBN-13: 9783799158077
- Artikelnr.: 24055676
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.08.2019Der ewige Bestseller
„Die Baierische Weltgschicht“ von Michl Ehbauer wird gerade wieder einmal neu aufgelegt.
Auch wenn die Verse nach hundert Jahren etwas angestaubt wirken, politisch sind sie bis heute aktuell
VON HANS KRATZER
München – Der Autor Michl Ehbauer (1899-1964) ist zwar schon lange tot, aber in den Buchhandlungen ist sein Name nach wie vor ein Begriff. Eine solch lange Präsenz über den Tod hinaus ist ungewöhnlich für einen ganz auf Bayern fixierten Schriftsteller. Ehbauers berühmtestes Werk, die „Baierische Weltgschicht“, deren Urfassung er bereits 1922 abgeschlossen hat, wird immer noch aufgelegt. Fast hundert Jahre nach der Premiere hat der SüdOst Verlag in Regenstauf soeben eine weitere, 300 Seiten starke Auflage dieses Klassikers auf den Markt geworfen. Es ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, nur wenige Bücher können einen ähnlich lange anhaltenden Erfolg vorweisen. Und das in Zeiten, in denen selbst die klingendsten Werke der bayerischen Literatur, etwa jene von Ludwig Thoma, Lena Christ und Oskar Maria Graf, immer seltener gelesen werden.
Wer in Ehbauers alte Texte hineinliest, merkt schnell, dass er ein überdurchschnittlich sensibler Autor war. Das zeigt nicht zuletzt folgende Begebenheit. Als ihn seine Freunde zum 65. Geburtstag hochleben ließen, freute ihn das durchaus, aber seine Antwort in Reimform klang bereits ahnungsvoll melancholisch: „Und gricht muaßt sei zu jeder Zeit, wenn grad der Boandlkramer schreit . . .“ Übersetzt heißt das: Der Mensch muss jederzeit vorbereitet sein, der Tod kommt unverhofft. Ein Vierteljahr später riss ihn der Tod tatsächlich jäh aus seinem Schaffen. Er starb, ohne dass er einige bereits weit gediehene Bücher, unter anderem eine bayerische Geschichte aus dem Blickwinkel des Humoristen, noch hätte vollenden können.
Von seiner leisen Ironie ist auch die „Baierische Weltgschicht“ gefärbt, die ihn berühmt gemacht hat. Fast hundert Jahre nach ihrer ersten Niederschrift wirkt die Dichtung natürlich wie aus der Zeit gefallen. Und weil sie im Dialekt niedergeschrieben wurde, ist sie für das moderne Publikum auch noch schwer zu lesen. Umso erstaunlicher, ja sogar sagenhaft findet es Ehbauers Enkelin Daniela Windele, Jahrgang 1980, dass viele Bekannte aus ihrer Generation das Werk ihres Großvaters kennen. Für sie ist die „Weltgschicht“ auch nicht unmodern. „Nehmen Sie nur jene Stellen, die sich auf die Weltpolitik beziehen, die damals natürlich andere Akteure als heute hatte. Aber von der Dramaturgie her trifft das Buch sehr genau auch die heutigen Spannungen.“
Der erste Teil des Buchs, der sich am Alten Testament orientiert („. . . und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe . . .“), beginnt so:
„Im Anfang – sagt die Schrift – war nix!
Und über a Weil – war wieder nix.
Und erst a paar Tage später dann,
Da war erst recht nix, wo mir san.
Da hat sich unser Herrgott denkt:
Ja Himmelherrschaftsfirmament!
Zwoa Frauentürm und Hollerbüx!
Dees Nix da umanand is nix!“
Den ersten Teil hatte Ehbauer im September 1922 vollendet, den zweiten im Juli 1929. Zunächst hatte wenig darauf hingedeutet, dass er als Autor Erfolg haben würde. Als 15-Jähriger kam er von Amberg nach München, wo er nach einer Malerlehre und nach dem Ersten Weltkrieg zur Eisenbahn wechselte, wo er es bis zum Inspektor brachte. Sein dichterisches Talent wurde 1922 bei einer Weihnachtsfeier der Münchner Schriftsteller entdeckt. Bald machte er sich als Mundartdichter, Redner und Komiker einen Namen, stand an der Seite von Karl Valentin und Weiß Ferdl und spielte eine führende Rolle im Münchner Gesellschaftsleben, etwa als Faschingsprinz der Narrhalla.
Ehbauer, der auch Gedichte für Richtfeste und Hörspiele für den Rundfunk schrieb, musste auch Rückschläge einstecken. 1924 gab er die Zeitschrift Der Maßkrug heraus, die aber über zwei Nummern nicht hinauskam. „Satire, Scherz und Viecherei“, wie sich die Zeitschrift im Untertitel nannte, waren nach dem Krieg nicht gefragt. Eher noch der feine Humor in seiner „Weltgschicht“, die er als 23-Jähriger formuliert hatte. Ehbauer übertrug dabei das biblische Geschehen von der Welterschaffung bis zum Daniel in der Löwengrube in die bayerische Sphäre. „Jessas is des Dichten schwer! Saxendi, da ghört was her“, hatte er anfänglich gestöhnt, um dann das Werk souverän zusammenzureimen. Er erzählt darin, „wia der Kain an Abel auf d’Seitn graamt hod“, warum die Susanna gschaamig war, und in freier Ausweitung des biblischen Geschehens erzählt er auch noch über den Rausch: „Wia der Noah am Nockherberg das Rezept gfunden hat.“
Ehbauers Sohn Michael, der 2011 gestorben ist, ergänzte das Werk seines Vaters um einen dritten, neutestamentlichen Teil. Der Süddeutsche Verlag brachte das Paket dann als Gesamtwerk heraus, es wurde mittlerweile mehr als 250 000 Mal verkauft. Namhafte Illustratoren wie Paul Ernst Rattelmüller sowie Traudl und Walter Reiner haben das Buch einst bebildert und zum Erfolg einiges beigetragen. Reiner zeichnete darüber hinaus auch den Engel Aloisius, den vormaligen Dienstmann Alois Hingerl mit seiner roten Dienstmütze, grünem Schaber und dem struppigen Schnurrbart im Kugelgesicht.
Verglichen damit wirken die Illustrationen von Heidi Eichner in der Neuausgabe der „Weltgschicht“ allzu naiv, gerade vor dem Hintergrund, dass Ehbauer mit immer neuen Überarbeitungen stark bemüht war, dem Leser Lehren aus der Geschichte ans Herz zu legen. „Die politische Aktualität des Buchs verblüfft mich immer wieder“, sagt seine Enkelin. Vor allem erkennt sie diese im alttestamentlichen Kapitel „Wia der Davidl den Goliath umgschmissen hat“. Und erst recht, wenn es ihre Oma vorträgt, die Witwe von Michl Ehbauer, die 98 Jahre alt ist und noch ganze Passagen der „Weltgschicht“ auswendig vorträgt.
„Jessas is des Dichten
schwer! Saxendi,
da ghört was her.“
„Das erste Sauwetter“ heißt das nachdenklich formulierte Sintflut-Kapitel, das dafür aber bildlich im Klischee ertrinkt.
Illustration: Heidi Eichner
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
„Die Baierische Weltgschicht“ von Michl Ehbauer wird gerade wieder einmal neu aufgelegt.
Auch wenn die Verse nach hundert Jahren etwas angestaubt wirken, politisch sind sie bis heute aktuell
VON HANS KRATZER
München – Der Autor Michl Ehbauer (1899-1964) ist zwar schon lange tot, aber in den Buchhandlungen ist sein Name nach wie vor ein Begriff. Eine solch lange Präsenz über den Tod hinaus ist ungewöhnlich für einen ganz auf Bayern fixierten Schriftsteller. Ehbauers berühmtestes Werk, die „Baierische Weltgschicht“, deren Urfassung er bereits 1922 abgeschlossen hat, wird immer noch aufgelegt. Fast hundert Jahre nach der Premiere hat der SüdOst Verlag in Regenstauf soeben eine weitere, 300 Seiten starke Auflage dieses Klassikers auf den Markt geworfen. Es ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte, nur wenige Bücher können einen ähnlich lange anhaltenden Erfolg vorweisen. Und das in Zeiten, in denen selbst die klingendsten Werke der bayerischen Literatur, etwa jene von Ludwig Thoma, Lena Christ und Oskar Maria Graf, immer seltener gelesen werden.
Wer in Ehbauers alte Texte hineinliest, merkt schnell, dass er ein überdurchschnittlich sensibler Autor war. Das zeigt nicht zuletzt folgende Begebenheit. Als ihn seine Freunde zum 65. Geburtstag hochleben ließen, freute ihn das durchaus, aber seine Antwort in Reimform klang bereits ahnungsvoll melancholisch: „Und gricht muaßt sei zu jeder Zeit, wenn grad der Boandlkramer schreit . . .“ Übersetzt heißt das: Der Mensch muss jederzeit vorbereitet sein, der Tod kommt unverhofft. Ein Vierteljahr später riss ihn der Tod tatsächlich jäh aus seinem Schaffen. Er starb, ohne dass er einige bereits weit gediehene Bücher, unter anderem eine bayerische Geschichte aus dem Blickwinkel des Humoristen, noch hätte vollenden können.
Von seiner leisen Ironie ist auch die „Baierische Weltgschicht“ gefärbt, die ihn berühmt gemacht hat. Fast hundert Jahre nach ihrer ersten Niederschrift wirkt die Dichtung natürlich wie aus der Zeit gefallen. Und weil sie im Dialekt niedergeschrieben wurde, ist sie für das moderne Publikum auch noch schwer zu lesen. Umso erstaunlicher, ja sogar sagenhaft findet es Ehbauers Enkelin Daniela Windele, Jahrgang 1980, dass viele Bekannte aus ihrer Generation das Werk ihres Großvaters kennen. Für sie ist die „Weltgschicht“ auch nicht unmodern. „Nehmen Sie nur jene Stellen, die sich auf die Weltpolitik beziehen, die damals natürlich andere Akteure als heute hatte. Aber von der Dramaturgie her trifft das Buch sehr genau auch die heutigen Spannungen.“
Der erste Teil des Buchs, der sich am Alten Testament orientiert („. . . und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe . . .“), beginnt so:
„Im Anfang – sagt die Schrift – war nix!
Und über a Weil – war wieder nix.
Und erst a paar Tage später dann,
Da war erst recht nix, wo mir san.
Da hat sich unser Herrgott denkt:
Ja Himmelherrschaftsfirmament!
Zwoa Frauentürm und Hollerbüx!
Dees Nix da umanand is nix!“
Den ersten Teil hatte Ehbauer im September 1922 vollendet, den zweiten im Juli 1929. Zunächst hatte wenig darauf hingedeutet, dass er als Autor Erfolg haben würde. Als 15-Jähriger kam er von Amberg nach München, wo er nach einer Malerlehre und nach dem Ersten Weltkrieg zur Eisenbahn wechselte, wo er es bis zum Inspektor brachte. Sein dichterisches Talent wurde 1922 bei einer Weihnachtsfeier der Münchner Schriftsteller entdeckt. Bald machte er sich als Mundartdichter, Redner und Komiker einen Namen, stand an der Seite von Karl Valentin und Weiß Ferdl und spielte eine führende Rolle im Münchner Gesellschaftsleben, etwa als Faschingsprinz der Narrhalla.
Ehbauer, der auch Gedichte für Richtfeste und Hörspiele für den Rundfunk schrieb, musste auch Rückschläge einstecken. 1924 gab er die Zeitschrift Der Maßkrug heraus, die aber über zwei Nummern nicht hinauskam. „Satire, Scherz und Viecherei“, wie sich die Zeitschrift im Untertitel nannte, waren nach dem Krieg nicht gefragt. Eher noch der feine Humor in seiner „Weltgschicht“, die er als 23-Jähriger formuliert hatte. Ehbauer übertrug dabei das biblische Geschehen von der Welterschaffung bis zum Daniel in der Löwengrube in die bayerische Sphäre. „Jessas is des Dichten schwer! Saxendi, da ghört was her“, hatte er anfänglich gestöhnt, um dann das Werk souverän zusammenzureimen. Er erzählt darin, „wia der Kain an Abel auf d’Seitn graamt hod“, warum die Susanna gschaamig war, und in freier Ausweitung des biblischen Geschehens erzählt er auch noch über den Rausch: „Wia der Noah am Nockherberg das Rezept gfunden hat.“
Ehbauers Sohn Michael, der 2011 gestorben ist, ergänzte das Werk seines Vaters um einen dritten, neutestamentlichen Teil. Der Süddeutsche Verlag brachte das Paket dann als Gesamtwerk heraus, es wurde mittlerweile mehr als 250 000 Mal verkauft. Namhafte Illustratoren wie Paul Ernst Rattelmüller sowie Traudl und Walter Reiner haben das Buch einst bebildert und zum Erfolg einiges beigetragen. Reiner zeichnete darüber hinaus auch den Engel Aloisius, den vormaligen Dienstmann Alois Hingerl mit seiner roten Dienstmütze, grünem Schaber und dem struppigen Schnurrbart im Kugelgesicht.
Verglichen damit wirken die Illustrationen von Heidi Eichner in der Neuausgabe der „Weltgschicht“ allzu naiv, gerade vor dem Hintergrund, dass Ehbauer mit immer neuen Überarbeitungen stark bemüht war, dem Leser Lehren aus der Geschichte ans Herz zu legen. „Die politische Aktualität des Buchs verblüfft mich immer wieder“, sagt seine Enkelin. Vor allem erkennt sie diese im alttestamentlichen Kapitel „Wia der Davidl den Goliath umgschmissen hat“. Und erst recht, wenn es ihre Oma vorträgt, die Witwe von Michl Ehbauer, die 98 Jahre alt ist und noch ganze Passagen der „Weltgschicht“ auswendig vorträgt.
„Jessas is des Dichten
schwer! Saxendi,
da ghört was her.“
„Das erste Sauwetter“ heißt das nachdenklich formulierte Sintflut-Kapitel, das dafür aber bildlich im Klischee ertrinkt.
Illustration: Heidi Eichner
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