DIE REIHE: SCHRIFTENREIHE ZU ORDNUNGSFRAGEN DER WIRTSCHAFTherausgegeben von Thomas Apolte, Martin Leschke, Albrecht F. Michler, Christian Müller,Rahel M. Schomaker und Dirk WentzelDie Reihe diskutiert aktuelle ordnungspolitische und institutionenökonomische Fragestellungen. Durch die methodische Vielfalt richtet sie sich an Fachleute, an die Öffentlichkeit und an die Politikberatung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2007Das Wissen der Kontrolleure
Eine ordnungsökonomische Analyse der Bankenregulierung
Die Weltbank hat für die vergangenen drei Jahrzehnte nicht weniger als 166 Bankenkrisen gezählt. Solche Krisen gehen oft mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten einher. Dies wird häufig als Begründung für die sehr umfassende Regulierung von Banken angeführt. Doch welchen Ordnungsrahmen brauchen Kreditinstitute wirklich, damit Bankenkrisen - und im Vorhinein die sie auslösenden Risiken - verhindert werden?
Die Diskussion zur Bankenregulierung dreht sich überwiegend um die Frage des "Wie" und des "Wie viel" an Regulierung. Gestützt auf das ordnungsökonomische Instrumentarium der Freiburger und Marburger Schule, stellt Gerrit Fey dagegen in seinem Buch auch die heutzutage selten gewordene Frage nach dem "Ob" der Notwendigkeit einer verstärkten sektorspezifischen Regulierung. Dabei weist er darauf hin, dass nicht nur der Markt "versagen" kann, sondern auch der Staat, indem er unzweckmäßige Regulierungen setzt.
Fey unterscheidet drei Kontrollmechanismen, mit deren Hilfe Bankenkrisen verhindert werden können: Wettbewerb, Selbstregulierung des Bankgewerbes sowie staatliche Regulierung und Aufsicht. Diese Instrumente haben jeweils verschiedene Vor- und Nachteile, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Während in der traditionellen Wirtschaftspolitik die Existenz von Marktversagen als hinreichender Grund für Staatseingriffe gegolten hat, schlägt Fey einen differenzierten Maßnahmenkatalog vor: Im Falle eines Marktversagens wäre zunächst zu prüfen, ob eine Selbstregulierung der Bankwirtschaft Abhilfe leisten kann. Erst wenn diese unzureichend ist, kann in einem freiheitlichen System Staatskontrolle gerechtfertigt werden. Jedoch ist auch hier Staatsversagen möglich. Dessen negative Konsequenzen hofft der Autor durch institutionellen transnationalen Systemwettbewerb zu mildern. Sollte dieser nicht funktionieren, beispielsweise weil sich ein regulatorischer "Race to the bottom" ergibt, so wären inter- oder supranationale Harmonisierungsbestrebungen durch internationale Ordnungsregeln denkbar. Allerdings sieht Fey auch hier die Möglichkeit eines "internationalen Staatsversagens".
Fey erörtert ausführlich die derzeit bestehenden protektiven und präventiven Maßnahmen der Bankenregulierung unter ordnungsökonomischen Gesichtspunkten. Protektive Maßnahmen sollen Folgen von Bankzusammenbrüchen mildern. Dazu zählen heutzutage gängige Mechanismen wie Einlagenversicherungen und "Lender of Last Resort"-Versprechen der Zentralbanken. Diese begründen durch Mithaftungsversprechen jedoch ein moralisches Risiko ("moral hazard"), das heißt, sie können Fehlanreize verursachen, welche die systemischen Risiken des Bankgewerbes noch verstärken. Auch präventive Instrumente quantitativer Art - beispielsweise Mindesteigenkapitalnormen (Basel I und II) - oder qualitativer Art - Mindestvorschriften für die bankinterne Organisation und Risikoerfassung - bergen die Gefahr einer Fehlregulierung, weil staatliche Regulierer häufig nicht über das erforderliche Wissen verfügen. Ein Verzicht auf Wettbewerb gehe einher mit dem Verzicht auf dessen Wissen schaffende Funktionen, betont Fey.
Aus ordnungsökonomischer Sicht schneiden Instrumente wie Informations- und Offenlegungspflichten der Banken besser ab: Diese stärken den Kontrollmechanismus Markt. Die seit den siebziger Jahren verstärkt zu beobachtende Internationalisierung der Bankenregulierung durch den Baseler Bankenausschuss wird durch Fey ebenso kritisch diskutiert wie viele Regulierungspolitiken auf nationalstaatlicher Ebene. Dadurch werde der Systemwettbewerb behindert. Darüber hinaus bestehe auch keine Garantie, dass das Wissensdefizit der Staaten und politökonomische Verzerrungen auf internationaler Ebene geringer seien als auf nationaler Ebene. Fey erkennt jedoch an, dass die internationalen und europäischen Mindestharmonisierungsvorschriften möglicherweise der Preis für die gegenseitige Marktöffnung sind - ein Preis, der gezahlt werden muss, um den Wettbewerb zu stärken. Sie seien die Voraussetzung für eine Kooperation nationaler Aufsichtsbehörden.
Der Autor stellt mit seinem Buch gängige Regulierungsargumente in Frage und erinnert so daran, dass es immer wieder notwendig ist, die Begründungen für Markteingriffe kritisch zu hinterfragen. Dies gilt umso mehr, als sich "Pfadabhängigkeiten" und Interventionsketten ergeben können, bei denen durch immer weitergehende Eingriffe versucht wird, Krisen zu beschränken, die ihrerseits selbst erst durch Interventionen herbeigeführt worden sind. Dennoch liegen auch Feys Argumentation Annahmen zugrunde, die ihrerseits kritisch hinterfragt werden können - dazu zählt der stets wohlinformierte Bankeinleger. Ebenso bleibt zu fragen, ob ein politisches System bestimmte Kosten zu tragen bereit ist, beispielsweise hohe Verluste der Einleger. Denn diese Kosten müssen, wenn nicht durch ein Einlagensicherungssystem, so doch letztlich durch die Sozialversicherungssysteme gedeckt werden. Trotz der angesprochenen Kritikpunkte liegt eine sehr klar gegliederte und durchgängig gut lesbare Arbeit vor, die nicht nur wichtige Fragen aufwirft, sondern auch einen schönen Überblick über den Diskussionsstand der Bankenregulierung gibt.
ANNE VAN AAKEN
Universität St. Gallen, Schweiz
Gerrit Fey: Banken zwischen Wettbewerb, Selbstkontrolle und staatlicher Regulierung: Eine ordnungsökonomische Analyse. Verlag Lucius und Lucius, Stuttgart 2006, 318 Seiten, 38 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine ordnungsökonomische Analyse der Bankenregulierung
Die Weltbank hat für die vergangenen drei Jahrzehnte nicht weniger als 166 Bankenkrisen gezählt. Solche Krisen gehen oft mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten einher. Dies wird häufig als Begründung für die sehr umfassende Regulierung von Banken angeführt. Doch welchen Ordnungsrahmen brauchen Kreditinstitute wirklich, damit Bankenkrisen - und im Vorhinein die sie auslösenden Risiken - verhindert werden?
Die Diskussion zur Bankenregulierung dreht sich überwiegend um die Frage des "Wie" und des "Wie viel" an Regulierung. Gestützt auf das ordnungsökonomische Instrumentarium der Freiburger und Marburger Schule, stellt Gerrit Fey dagegen in seinem Buch auch die heutzutage selten gewordene Frage nach dem "Ob" der Notwendigkeit einer verstärkten sektorspezifischen Regulierung. Dabei weist er darauf hin, dass nicht nur der Markt "versagen" kann, sondern auch der Staat, indem er unzweckmäßige Regulierungen setzt.
Fey unterscheidet drei Kontrollmechanismen, mit deren Hilfe Bankenkrisen verhindert werden können: Wettbewerb, Selbstregulierung des Bankgewerbes sowie staatliche Regulierung und Aufsicht. Diese Instrumente haben jeweils verschiedene Vor- und Nachteile, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Während in der traditionellen Wirtschaftspolitik die Existenz von Marktversagen als hinreichender Grund für Staatseingriffe gegolten hat, schlägt Fey einen differenzierten Maßnahmenkatalog vor: Im Falle eines Marktversagens wäre zunächst zu prüfen, ob eine Selbstregulierung der Bankwirtschaft Abhilfe leisten kann. Erst wenn diese unzureichend ist, kann in einem freiheitlichen System Staatskontrolle gerechtfertigt werden. Jedoch ist auch hier Staatsversagen möglich. Dessen negative Konsequenzen hofft der Autor durch institutionellen transnationalen Systemwettbewerb zu mildern. Sollte dieser nicht funktionieren, beispielsweise weil sich ein regulatorischer "Race to the bottom" ergibt, so wären inter- oder supranationale Harmonisierungsbestrebungen durch internationale Ordnungsregeln denkbar. Allerdings sieht Fey auch hier die Möglichkeit eines "internationalen Staatsversagens".
Fey erörtert ausführlich die derzeit bestehenden protektiven und präventiven Maßnahmen der Bankenregulierung unter ordnungsökonomischen Gesichtspunkten. Protektive Maßnahmen sollen Folgen von Bankzusammenbrüchen mildern. Dazu zählen heutzutage gängige Mechanismen wie Einlagenversicherungen und "Lender of Last Resort"-Versprechen der Zentralbanken. Diese begründen durch Mithaftungsversprechen jedoch ein moralisches Risiko ("moral hazard"), das heißt, sie können Fehlanreize verursachen, welche die systemischen Risiken des Bankgewerbes noch verstärken. Auch präventive Instrumente quantitativer Art - beispielsweise Mindesteigenkapitalnormen (Basel I und II) - oder qualitativer Art - Mindestvorschriften für die bankinterne Organisation und Risikoerfassung - bergen die Gefahr einer Fehlregulierung, weil staatliche Regulierer häufig nicht über das erforderliche Wissen verfügen. Ein Verzicht auf Wettbewerb gehe einher mit dem Verzicht auf dessen Wissen schaffende Funktionen, betont Fey.
Aus ordnungsökonomischer Sicht schneiden Instrumente wie Informations- und Offenlegungspflichten der Banken besser ab: Diese stärken den Kontrollmechanismus Markt. Die seit den siebziger Jahren verstärkt zu beobachtende Internationalisierung der Bankenregulierung durch den Baseler Bankenausschuss wird durch Fey ebenso kritisch diskutiert wie viele Regulierungspolitiken auf nationalstaatlicher Ebene. Dadurch werde der Systemwettbewerb behindert. Darüber hinaus bestehe auch keine Garantie, dass das Wissensdefizit der Staaten und politökonomische Verzerrungen auf internationaler Ebene geringer seien als auf nationaler Ebene. Fey erkennt jedoch an, dass die internationalen und europäischen Mindestharmonisierungsvorschriften möglicherweise der Preis für die gegenseitige Marktöffnung sind - ein Preis, der gezahlt werden muss, um den Wettbewerb zu stärken. Sie seien die Voraussetzung für eine Kooperation nationaler Aufsichtsbehörden.
Der Autor stellt mit seinem Buch gängige Regulierungsargumente in Frage und erinnert so daran, dass es immer wieder notwendig ist, die Begründungen für Markteingriffe kritisch zu hinterfragen. Dies gilt umso mehr, als sich "Pfadabhängigkeiten" und Interventionsketten ergeben können, bei denen durch immer weitergehende Eingriffe versucht wird, Krisen zu beschränken, die ihrerseits selbst erst durch Interventionen herbeigeführt worden sind. Dennoch liegen auch Feys Argumentation Annahmen zugrunde, die ihrerseits kritisch hinterfragt werden können - dazu zählt der stets wohlinformierte Bankeinleger. Ebenso bleibt zu fragen, ob ein politisches System bestimmte Kosten zu tragen bereit ist, beispielsweise hohe Verluste der Einleger. Denn diese Kosten müssen, wenn nicht durch ein Einlagensicherungssystem, so doch letztlich durch die Sozialversicherungssysteme gedeckt werden. Trotz der angesprochenen Kritikpunkte liegt eine sehr klar gegliederte und durchgängig gut lesbare Arbeit vor, die nicht nur wichtige Fragen aufwirft, sondern auch einen schönen Überblick über den Diskussionsstand der Bankenregulierung gibt.
ANNE VAN AAKEN
Universität St. Gallen, Schweiz
Gerrit Fey: Banken zwischen Wettbewerb, Selbstkontrolle und staatlicher Regulierung: Eine ordnungsökonomische Analyse. Verlag Lucius und Lucius, Stuttgart 2006, 318 Seiten, 38 Euro.
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