25,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Wo die Stadt aufhört und die Vorstadt anfängt, ist in Paris klar markiert durch den Périphérique, den zu überschreiten Anne Webers Erzählerin bisher kaum in den Sinn gekommen ist. Denn was gibt es dort, in den verruchten Banlieues, außer einem Geflecht aus Schienen, Schnellstraßen und Autobahnen, zwischen denen Lagerhallen, gewaltige Supermärkte und Baustellen und Millionen von Menschen eingeklemmt sind? Außer der so notorischen Not, Gewalt und Armut? Als ihr alter Freund Thierry ihr jedoch vorschlägt, ihn für einen Film durch die Vorstädte des Départments Seine-Saint-Denis zu begleiten, die…mehr

Produktbeschreibung
Wo die Stadt aufhört und die Vorstadt anfängt, ist in Paris klar markiert durch den Périphérique, den zu überschreiten Anne Webers Erzählerin bisher kaum in den Sinn gekommen ist. Denn was gibt es dort, in den verruchten Banlieues, außer einem Geflecht aus Schienen, Schnellstraßen und Autobahnen, zwischen denen Lagerhallen, gewaltige Supermärkte und Baustellen und Millionen von Menschen eingeklemmt sind? Außer der so notorischen Not, Gewalt und Armut? Als ihr alter Freund Thierry ihr jedoch vorschlägt, ihn für einen Film durch die Vorstädte des Départments Seine-Saint-Denis zu begleiten, die vor den Olympischen Spielen 2024 einem tiefgreifenden Wandel unterzogen werden, muss sie sich eingestehen, dass sie für die nächste Nähe jahrzehntelang blind gewesen ist. Da sind zum Beispiel der von Schrotthalden umgebene muslimische Friedhof von Bobigny, auf dem ein algerischer Olympiasieger der 1920er-Jahre begraben liegt; die beiden kreisrunden Sozialwohnungsbauten von Noisy-le-Grand,die einander wie gigantische Camemberts gegenüberstehen; und tausend andere von Kolonialismus und Leid, von Hoffnung und Fortschritt erzählende Orte. Und auch Thierry selbst entpuppt sich mit der Zeit als Teil dieser widersprüchlichen, ihrem Blick bislang verborgenen Welt.

Mit leisem Witz und großer Beobachtungsgabe öffnet sich Anne Weber in Bannmeilen dem Unvertrauten und Anderen mitten unter uns und entwirft damit nicht nur das Bild einer komplexen Freundschaft, sondern zugleich die Geschichte einer vielschichtigen Gesellschaft in der so noch nicht gesehenen Vorstadt der Liebenden.
Autorenporträt
Anne Weber, 1964 in Offenbach geboren, lebt seit 1983 als freie Autorin und Übersetzerin in Paris. Sie hat sowohl aus dem Deutschen ins Französische übersetzt (u. a. Sibylle Lewitscharoff, Wilhelm Genazino) als auch umgekehrt (Pierre Michon, Marguerite Duras). Ihre eigenen Bücher schreibt sie sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache. Ihre Werke wurden u. a. mit dem Heimito von Doderer-Literaturpreis, dem 3sat-Preis, dem Kranichsteiner Literaturpreis, dem Johann-Heinrich-Voß-Preis und dem Solothurner Literaturpreis 2024 ausgezeichnet. 2024 erhielt sie außerdem den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis. Für ihr Buch Annette, ein Heldinnenepos wurde Anne Weber mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Ein eindrückliches, teils romanhaftes, teils essayistisches Buch über die Banlieues hat Anne Weber laut Rezensent Helmut Böttiger geschrieben. Gemeinsam mit der Ich-Erzählerin und ihrem Begleiter, dem algerischstämmigen Filmemacher Thierry, durchstreift der Kritiker das Departement 93 in der Pariser Peripherie, das als sozialer Brennpunkt gilt, in diesem Sommer jedoch außerdem einer der Austragungsorte der Olympischen Spiele sein wird. Feinfühlig beschreibt Weber diese Gegend, lernen wir, sie blickt gemeinsam mit Thierry auf Sozialbauten und Konfrontationen der Bewohner mit der Polizei, lauscht den Warngesängen von Drogendealern und stößt zwischendrin auf das Haus, in dem der Zeichner Uderzo Asterix erfand. Auch die Biografie des äußerst sprachbewussten Thierry spielt eine Rolle in dem Buch, führt Böttiger aus, der von den Beobachtungen, die dieses Buch macht, ebenso beeindruckt ist, wie von der sanften Ironie, mit der sie verfasst sind.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2024

Paris ist doch ganz anders

Als touristisches Niemandsland, das direkt an der Traummetropole Paris klebt, gelten die nördlichen Vororte der französischen Hauptstadt, die immer noch vom Glanz ihrer royalen Vergangenheit lebt. Jenseits der Stadtautobahn Boulevard Périphérique, die das Herz von Paris umschließt, liegt ein armes Anderland, das kaum ein Besucher kennt. Berühmt-berüchtigt sind die Gegenden im Département Seine-Saint-Denis mit der Ziffer 93 durch Krawalle, Gewalt und Drogenhandel. Sie gelten als Symbole der gescheiterten Einwanderungspolitik, auch wenn das Sportstadion "Stade de France" in St-Denis Magnet für Fans aus aller Welt ist.

Als faszinierendes Vielmenschenland jedoch porträtiert die Autorin Anne Weber Orte wie Le Bourget, La Courneuve, Aulnay-sous-Bois und Bobigny bei ihren über insgesamt 600 Kilometer weiten Wanderungen, die sie mit ihrem algerischstämmigen Freund, dem Filmemacher Thierry, dort unternimmt. Dieser wird zu ihrem Promenadengefährten, der sich qua Herkunft wie so viele der Vororteinwohner "Entre deux ailleurs", zwischen zwei Woanders, nicht ganz zu Hause fühlt und deshalb der perfekte Führer durch die "Cités" und ihr Umland ist: Ein Universum aus Sozialwohnungstürmen, Schrottbergen, endlosen Schienenwegen und Straßen ohne jeden Menschen - dazwischen die Rufe der Chouffeurs, der Drogenkuriere. Eine Oase inmitten der so fremd wirkenden Welt des Banlieue-Durcheinanders findet das Duo in einem Café, das ein Safe Space für mehr oder minder traurige Gestalten ist. Hierher zieht es die mit scharfem soziologischen Blick ausgestattete Autorin und ihren Freund zu einer Art teilnehmenden Beobachtung immer wieder zurück: Hier sitzt die Krankenschwester über einem Rosé mit ihrem Kreuzworträtsel neben einem Halbstummen, einem Ganzstummen und einem Mann, der sich Rotwein direkt in den Magen spritzt. Ein hinreißendes Buch ohne den üblichen Paris-Zuckerguss und eine literarische Einladung, die Stadt jenseits von Marais und Champs-Élysées zu erkunden. STEFANIE VON WIETERSHEIM

Anne Weber: "Bannmeilen. Ein Roman in Streifzügen". Matthes & Seitz, Berlin 2024, 301 Seiten, 25 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
…mehr