Vor fünfzig Jahren verfällt William Finnegan dem Surfen. Damals verschafft es ihm Respekt, dann jagt es ihn raus in die Welt - Samoa, Indonesien, Australien, Südafrika -, als Familienvater mit Job beim New Yorker dient es der Flucht vor dem Alltag ... Barbarentage erzählt die Geschichte dieser lebenslangen Leidenschaft, sie handelt vom Fernweh, von wahren Abenteuern und den Versuchen, trotz allem ein Träumer zu bleiben. Ein Buch wie das Meer, atemberaubend schön.
»Wie Into the Wild erzählt dieses Buch auf mitfühlende, kluge Weise, was passiert, wenn Ideen von Freiheit einen jungen Menschen erfassen und in die entlegensten Winkel der Welt hinausschleudern.« The New York Times Magazine
»Fesselnde Abenteuergeschichte, intellektuelle Autobiografie, rastlose Meditation über Liebe, Freundschaft und Familie ... Barbarentage ist ein Buch von ergreifender Schönheit und wird Surfer und Nichtsurfer gleichermaßen begeistern.« Washington Post
»Das zu lesen, was dieser Kerl über Wellen und Wasser schreibt, ist wie Hemingway über Stierkämpfe zu lesen, William Burroughs über Drogen und Updike über Ehebruch.« Sports Illustrated
»Wie Into the Wild erzählt dieses Buch auf mitfühlende, kluge Weise, was passiert, wenn Ideen von Freiheit einen jungen Menschen erfassen und in die entlegensten Winkel der Welt hinausschleudern.« The New York Times Magazine
»Fesselnde Abenteuergeschichte, intellektuelle Autobiografie, rastlose Meditation über Liebe, Freundschaft und Familie ... Barbarentage ist ein Buch von ergreifender Schönheit und wird Surfer und Nichtsurfer gleichermaßen begeistern.« Washington Post
»Das zu lesen, was dieser Kerl über Wellen und Wasser schreibt, ist wie Hemingway über Stierkämpfe zu lesen, William Burroughs über Drogen und Updike über Ehebruch.« Sports Illustrated
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2018Die Gischt des grünen Wassers
William Finnegans Buch "Barbarentage" über sein Leben als fanatischer Surfer ist so irre gut, dass man auch gleich in die Wellen will
Surfer mögen Bücher über das Surfen nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Bücher gut sind, denn jedes gute Buch über das Surfen bringt ein paar neue Leute in die Wellen, in denen es ohnehin schon reichlich eng zugeht. Deswegen fürchten alle, die gern allein draußen in der Dünung, im Line-up treiben und die besten Wellen für sich haben wollen, fast nichts so sehr wie ein Buch, dass den nicht surfenden Massen erklärt, was mit einem passiert, wenn man sich morgens, bei leichtem Wind, an einem leeren Strand in seinen schwarzen Neoprenanzug zwängt, der noch nach Salz und Sonnencreme und warmen Nachmittagen unter den Pinien einer großen Düne am Meer riecht; wenn man dann den groben Reißverschluss hinten hochzieht und in dieser Kostümierung mit seinem Brett aufs Meer zurennt, das Brett in die Wellen schiebt, sich auf dieses Brett schwingt und durch die leichte Dünung in einen Line-up hinauspaddelt, dessen brechende Wellen so gleichmäßig laufen, dass sie aussehen wie Teile einer überirdisch schönen Maschine aus Gischt und tiefgrünem Wasser und einem noch tieferen Donnern, deren Teil man werden wird.
Wenn ein Buch es also schafft, all das so zu beschreiben, dass man versteht, warum diejenigen, die dort draußen im Line-up sitzen und auf die Wellen warten, auch Tage, Wochen später danach noch vor Freude glühen, und dass sie den Ärgernissen, den Verlusten und Demütigungen des Lebens mit einer geradezu gespenstischen Gemütsruhe entgegentreten, weil sie etwas haben, das größer und schöner und rauschender als der ganze Alltagsirrsinn ist und nie verschwinden wird, die auflaufenden, brechenden, zum Land hin gischtenden Wellen nämlich: dann ist zu befürchten, dass die Leser dieses Buchs am Ende auch in die Wellen wollen. Und so gesehen ist William Finnegans Bestseller "Barbarentage" über sein Leben als fanatischer Surfer, der unter anderem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, ein Ärgernis - weil er so gut ist. Wenn nur jeder zehnte seiner Leser sich ein Board kauft, muss man die Küstenlinien der Welt verlängern, damit alle Platz im Line-up haben.
Finnegan, geboren 1952 in New York, ist eigentlich Reporter beim "New Yorker". Er hat brillante Essays über Rassismus und große Reportagen über alle erdenklichen Greueltaten in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt geschrieben. Und wenn man die "Barbarentage" liest, in der diese Barbareien nur am Rande erwähnt werden, muss man den Eindruck bekommen, dass der Donner der Wellen, die erschreckende Schönheit ihrer Gewalt, auch ein Fluchtpunkt ist, um sich vom Donner dieser Kriege zu erholen.
William Finnegan zog in den sechziger Jahren, als er zwölf Jahre alt war, mit seinen Eltern von Los Angeles nach Hawaii. Die Familie wohnte in einem sehr kleinen Haus am Rand von Kahala, William ging auf eine Junior Highschool, wo er bald feststellen musste, dass er als weißer Zugezogener zu einer Minderheit gehörte und "sich praktisch ununterbrochen von Schultyrannen, Einsamkeit und Prügeleien drangsaliert sah und große Mühe hatte, sich nach einem abgeschotteten, kalifornischen Vorortleben unreflektierten Weißseins plötzlich in einer von Rassenproblemen geprägten Welt zurechtzufinden". William flieht in die Wellen, gleichzeitig wird der Gang vom geschützten Pool der kalifornischen Bungalows seiner Kindheit und dem freundlich vor Los Angeles schwappenden Pazifik in die wilderen, größeren, gefährlicheren, dunkleren Wellen vor Hawaii auch zu einer Initiation in die größere, dunkle Welt des Erwachsenseins.
Da waren die Surfer, die schon Erwachsenen, die einem erzählten, es gäbe nichts Schöneres, als dort draußen eine der ersten Wellen des Tages zu bekommen - und es waren hawaiianische Surfer. "Alle Surfer und Leser von Surfmagazinen verbrachten den Großteil ihrer Tagträume zwangsläufig in Hawaii", schreibt Finnegan. "Und ich war jetzt hier, lief über echten hawaiianischen Sand (grobkörnig und mit einem seltsamen Geruch), schmeckte hawaiianisches Meerwasser (warm und mit einem seltsamen Geruch) und paddelte hawaiianische Wellen an (klein, finster und windgepeitscht)."
Finnegan schreibt mit der gleichen Besessenheit, mit der er surft, über jede einzelne Welle, über gelungene Take-offs und Wipe-outs. Er schreibt so dicht an der Welle, dass man als Leser quasi hinten mit auf dem Board liegt und mit untergewirbelt wird. Selten hat es jemand geschafft, einen durch ultranahe Detailbeschreibungen so energisch mit aufs Meer hinauszuziehen.
1966, mit 13, sei er zum Atheisten geworden, es gab nichts Größeres mehr in seinem Leben als die Wellen draußen: "Dort draußen war alles auf verstörende Weise miteinander verflochten. Die Wellen waren das Objekt tiefster Sehnsucht und Verehrung. Doch gleichzeitig waren sie auch der Gegner, der Widersacher, manchmal sogar der Todfeind." Wie Finnegan das Hineinarbeiten in den Line-up beschreibt, erinnert manchmal eher an die Beschreibung von Arbeitern, die einen Tunnel in den Berg treiben. Und obwohl seine Sprache manchmal hart an der Grenze zum Existenzpathos surft, fällt sie nie vom Brett - was auch eine Kunst ist, die der Schreibende vom Surfer lernen kann: Wenn es misslingt, wird es etwas zwischen peinlich, unangenehm oder sogar lebensgefährlich, wenn es gelingt und die geballte, potentiell zerstörerische Energie der Welle ins Brett und den Wellenreiter zu fahren scheint, gibt es nichts Besseres.
Als er älter ist, beginnt Finnegan, den Wellen, den legendären Surfspots hinterherzureisen, nach Südafrika, Indonesien, in den Südpazifik, auf eine Insel bei Fidschi, wo er mit seinem Reisepartner Brian Di Salvatore einen unbekannten Break findet, der später als "Cloudbreak" berühmt wird. Er surft auch im Winter, wenn die Wellen noch stärker und größer sind, in Brechern, die ihn fast umbringen, ramponiert seinen Körper und macht dem Leser klar, dass es da draußen in den kalten Gebirgen aus Wasser mit ein bisschen Beach-Boy-gute-Laune nicht getan ist - vielleicht als Abschreckung, um ihn doch am Ende von den geliebten Wellen fernzuhalten.
NIKLAS MAAK
William Finnegan: "Barbarentage". Aus dem Englischen von Tanja Handels. Mit fachlicher Beratung von Jens Steffenhagen. Suhrkamp Nova, 568 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
William Finnegans Buch "Barbarentage" über sein Leben als fanatischer Surfer ist so irre gut, dass man auch gleich in die Wellen will
Surfer mögen Bücher über das Surfen nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Bücher gut sind, denn jedes gute Buch über das Surfen bringt ein paar neue Leute in die Wellen, in denen es ohnehin schon reichlich eng zugeht. Deswegen fürchten alle, die gern allein draußen in der Dünung, im Line-up treiben und die besten Wellen für sich haben wollen, fast nichts so sehr wie ein Buch, dass den nicht surfenden Massen erklärt, was mit einem passiert, wenn man sich morgens, bei leichtem Wind, an einem leeren Strand in seinen schwarzen Neoprenanzug zwängt, der noch nach Salz und Sonnencreme und warmen Nachmittagen unter den Pinien einer großen Düne am Meer riecht; wenn man dann den groben Reißverschluss hinten hochzieht und in dieser Kostümierung mit seinem Brett aufs Meer zurennt, das Brett in die Wellen schiebt, sich auf dieses Brett schwingt und durch die leichte Dünung in einen Line-up hinauspaddelt, dessen brechende Wellen so gleichmäßig laufen, dass sie aussehen wie Teile einer überirdisch schönen Maschine aus Gischt und tiefgrünem Wasser und einem noch tieferen Donnern, deren Teil man werden wird.
Wenn ein Buch es also schafft, all das so zu beschreiben, dass man versteht, warum diejenigen, die dort draußen im Line-up sitzen und auf die Wellen warten, auch Tage, Wochen später danach noch vor Freude glühen, und dass sie den Ärgernissen, den Verlusten und Demütigungen des Lebens mit einer geradezu gespenstischen Gemütsruhe entgegentreten, weil sie etwas haben, das größer und schöner und rauschender als der ganze Alltagsirrsinn ist und nie verschwinden wird, die auflaufenden, brechenden, zum Land hin gischtenden Wellen nämlich: dann ist zu befürchten, dass die Leser dieses Buchs am Ende auch in die Wellen wollen. Und so gesehen ist William Finnegans Bestseller "Barbarentage" über sein Leben als fanatischer Surfer, der unter anderem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde, ein Ärgernis - weil er so gut ist. Wenn nur jeder zehnte seiner Leser sich ein Board kauft, muss man die Küstenlinien der Welt verlängern, damit alle Platz im Line-up haben.
Finnegan, geboren 1952 in New York, ist eigentlich Reporter beim "New Yorker". Er hat brillante Essays über Rassismus und große Reportagen über alle erdenklichen Greueltaten in den Kriegs- und Krisengebieten der Welt geschrieben. Und wenn man die "Barbarentage" liest, in der diese Barbareien nur am Rande erwähnt werden, muss man den Eindruck bekommen, dass der Donner der Wellen, die erschreckende Schönheit ihrer Gewalt, auch ein Fluchtpunkt ist, um sich vom Donner dieser Kriege zu erholen.
William Finnegan zog in den sechziger Jahren, als er zwölf Jahre alt war, mit seinen Eltern von Los Angeles nach Hawaii. Die Familie wohnte in einem sehr kleinen Haus am Rand von Kahala, William ging auf eine Junior Highschool, wo er bald feststellen musste, dass er als weißer Zugezogener zu einer Minderheit gehörte und "sich praktisch ununterbrochen von Schultyrannen, Einsamkeit und Prügeleien drangsaliert sah und große Mühe hatte, sich nach einem abgeschotteten, kalifornischen Vorortleben unreflektierten Weißseins plötzlich in einer von Rassenproblemen geprägten Welt zurechtzufinden". William flieht in die Wellen, gleichzeitig wird der Gang vom geschützten Pool der kalifornischen Bungalows seiner Kindheit und dem freundlich vor Los Angeles schwappenden Pazifik in die wilderen, größeren, gefährlicheren, dunkleren Wellen vor Hawaii auch zu einer Initiation in die größere, dunkle Welt des Erwachsenseins.
Da waren die Surfer, die schon Erwachsenen, die einem erzählten, es gäbe nichts Schöneres, als dort draußen eine der ersten Wellen des Tages zu bekommen - und es waren hawaiianische Surfer. "Alle Surfer und Leser von Surfmagazinen verbrachten den Großteil ihrer Tagträume zwangsläufig in Hawaii", schreibt Finnegan. "Und ich war jetzt hier, lief über echten hawaiianischen Sand (grobkörnig und mit einem seltsamen Geruch), schmeckte hawaiianisches Meerwasser (warm und mit einem seltsamen Geruch) und paddelte hawaiianische Wellen an (klein, finster und windgepeitscht)."
Finnegan schreibt mit der gleichen Besessenheit, mit der er surft, über jede einzelne Welle, über gelungene Take-offs und Wipe-outs. Er schreibt so dicht an der Welle, dass man als Leser quasi hinten mit auf dem Board liegt und mit untergewirbelt wird. Selten hat es jemand geschafft, einen durch ultranahe Detailbeschreibungen so energisch mit aufs Meer hinauszuziehen.
1966, mit 13, sei er zum Atheisten geworden, es gab nichts Größeres mehr in seinem Leben als die Wellen draußen: "Dort draußen war alles auf verstörende Weise miteinander verflochten. Die Wellen waren das Objekt tiefster Sehnsucht und Verehrung. Doch gleichzeitig waren sie auch der Gegner, der Widersacher, manchmal sogar der Todfeind." Wie Finnegan das Hineinarbeiten in den Line-up beschreibt, erinnert manchmal eher an die Beschreibung von Arbeitern, die einen Tunnel in den Berg treiben. Und obwohl seine Sprache manchmal hart an der Grenze zum Existenzpathos surft, fällt sie nie vom Brett - was auch eine Kunst ist, die der Schreibende vom Surfer lernen kann: Wenn es misslingt, wird es etwas zwischen peinlich, unangenehm oder sogar lebensgefährlich, wenn es gelingt und die geballte, potentiell zerstörerische Energie der Welle ins Brett und den Wellenreiter zu fahren scheint, gibt es nichts Besseres.
Als er älter ist, beginnt Finnegan, den Wellen, den legendären Surfspots hinterherzureisen, nach Südafrika, Indonesien, in den Südpazifik, auf eine Insel bei Fidschi, wo er mit seinem Reisepartner Brian Di Salvatore einen unbekannten Break findet, der später als "Cloudbreak" berühmt wird. Er surft auch im Winter, wenn die Wellen noch stärker und größer sind, in Brechern, die ihn fast umbringen, ramponiert seinen Körper und macht dem Leser klar, dass es da draußen in den kalten Gebirgen aus Wasser mit ein bisschen Beach-Boy-gute-Laune nicht getan ist - vielleicht als Abschreckung, um ihn doch am Ende von den geliebten Wellen fernzuhalten.
NIKLAS MAAK
William Finnegan: "Barbarentage". Aus dem Englischen von Tanja Handels. Mit fachlicher Beratung von Jens Steffenhagen. Suhrkamp Nova, 568 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Barbarentage ist die perfekte Lektüre für jede Ferienlage: ein Abenteuerroman, die Geschichte einer endlosen Reise, ein Roadmovie durch den Pazifik und durch die Seelenlage eines Heranwachsenden.« Jan Heidtmann Süddeutsche Zeitung 20180728