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Saturnine Puissant meldet sich auf ein Wohnungsangebot, in dem nach einer Mitbewohnerin gesucht wird. Vor Ort erlebt sie, dass der Wohnungsinhaber Don Elemirio aber weiterhin Bewerberinnen empfängt. Saturnine zieht trotz großer Bedenken ein und verfällt Don Elemirios Charme, muss aber zu ihrem großen Erschrecken feststellen, dass Don Elemirio die zahlreichen Bewerberinnen umbringt und tiefgekühlt aufbewahrt. Amélie Nothomb leistet sich eine humorvoll-spannende Anspielung auf Perraults Märchen vom Blaubart.

Produktbeschreibung
Saturnine Puissant meldet sich auf ein Wohnungsangebot, in dem nach einer Mitbewohnerin gesucht wird. Vor Ort erlebt sie, dass der Wohnungsinhaber Don Elemirio aber weiterhin Bewerberinnen empfängt. Saturnine zieht trotz großer Bedenken ein und verfällt Don Elemirios Charme, muss aber zu ihrem großen Erschrecken feststellen, dass Don Elemirio die zahlreichen Bewerberinnen umbringt und tiefgekühlt aufbewahrt. Amélie Nothomb leistet sich eine humorvoll-spannende Anspielung auf Perraults Märchen vom Blaubart.
Autorenporträt
Amélie Nothomb, 1967 in Kobe geboren, hat ihre Kindheit und Jugend als Tochter eines belgischen Diplomaten in Japan und China verbracht. Nach Abschluß ihres Philologiestudiums hat sie beschlossen, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie lebt in Brüssel. Die Autorin schreibt, seit sie siebzehn ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2014

Komm in meine Dunkelkammer
Belgische Champagnerpralinen, getrüffelt mit metaphysischer Bosheit: Amélie Nothomb vernascht "Blaubart"

Der gute alte Blaubart macht schon lange keiner Frau mehr Angst: Sein verbotenes Zimmer ist nur eine Rumpelkammer voller Märchen und Altmännerphantasien. Im Fin de Siècle von feinsinnigen Ästheten verhätschelt, von der Psychoanalyse oft und gern auf die Couch gelegt, ist Charles Perraults Frauenmörder von Autorinnen wie Ingeborg Bachmann, Angela Carter, Undine Gruenter und Margaret Atwood längst als bedauernswerte Kreatur entzaubert worden. Für Amélie Nothomb, die schon mehr als einmal die jungfräuliche Reinheit und Romantik grausamer Mörder gefeiert hat, ist Blaubart ein armer reicher Ritter von der traurigen Gestalt, der heroisch gegen die Windmühlen der Moderne kämpft, aber mehr Mitleid als Furcht erweckt.

Don Elemirio Nibal y Milcar ist der "nobelste Mann der Welt": würdevoll und stolz, wie es einem spanischen Granden geziemt, der seinen Stammbaum auf Jesus Christus zurückführt, dabei harmlos und süß wie ein Osterlamm. Der "Spanier von Beruf" ist Alchemist und Hobbyfotograf, Koch- und Nähkünstler von aristokratischer Grandezza, aber kein Don Juan. Acht Frauen hat er in achtzehn Jahren geliebt; alle haben ihn bitter enttäuscht, weil sie ihn beim "absoluten Blick" durch den Sucher seiner alten Hasselblad-Kamera störten. Liebe ist Fotografie, Fotografie Liebe: Beide erschaffen ideale Bilder, Stillleben mit naturgemäß toten Frauen. Die Natur äfft die Kunst nach, und "den Tod hat die Natur erfunden, um die Fotografie nachzuahmen". Wer das heilige Bild, das sich nur im Säurebad seiner Phantasie entwickelt, durch lüsternes Zwinkern, Eitelkeit und profane Neugier entweiht, ist des Todes. "Es ist Ehrensache, den Ruf der Frauen zu retten, die man getötet hat."

Nothombs schwarzromantischer Witwer erinnert mehr an müde Dandys wie Huysmans' morbiden Herzog Des Esseintes (oder auch an Karl Lagerfeld) als an einen ruchlosen Serienkiller. Streng katholisch erzogen, einsam und melancholisch, ist er mit der "Gnade der Trauer" und einem ebenso erlesenen wie anachronistischen Geschmack gesegnet. Don Elemirio schneidert für seine Frauen schmiegsame Roben und bewirtet sie mit Kalbsrouladen, Kaviar und selbstgebackenen Saint-Honoré-Torten; er liest die Schriften von Ramon Llullus und die Gerichtsprotokolle der Heiligen Inquisition im lateinischen Original und verachtet Digitalkameras, Handy und Computer.

Nichts liegt ihm ferner, als edle Frauen mit gewöhnlichen Wörtern und schmutzigen Begierden zu beleidigen, aber wenn er liebt, dann kann er für nichts mehr garantieren: "Lieben heißt annehmen, dass man Gott ist." Don Elemirio liebt außer Frauen und brillanten Bonmots ("Die Verdauung ist ein rein katholisches Phänomen") Farb- und Zahlenmystik und Eier in allen Aggregatszuständen. Der Dotter ist die Keimzelle des Lebens, und das Gelbe vom Ei harmoniert prächtig mit seinem goldenen Kindergemüt.

Saturnine, Lehrerin an der Ecole du Louvre, lässt sich von Gerüchten um den exzentrischen Spanier nicht davon abhalten, als Untermieterin in seinen Pariser Stadtpalast einzuziehen. Ein luxuriöses Zimmer mit freier Kost und Kammerdiener für fünfhundert Euro ist allemal besser als die Schlafcouch bei ihrer Freundin Corinne, und von einem geschwollen daherredenden, lächerlich verliebten Hagestolz lässt sich die selbstbewusste Belgierin nicht ins Bockshorn jagen. Saturnine hat nichts gegen seine flamboyanten Komplimente und Geschenke und schon gar nichts gegen Champagner ("Guter Champagner hilft beim Denken"), und so messen die beiden in kultivierten Tischgesprächen ihre Kräfte: er immer sanft, galant und herrlich reaktionär, sie zeitgemäß spitz, spöttisch und zunehmend dominant. Nach etlichen Flaschen Krug Clos du Mesnil und Roederer Cristal ist das Eis gebrochen: Don Elemirio zeigt seiner Untermieterin seine Dunkelkammer, ein absoluter Liebesbeweis, der ihn abrupt von seiner verhassten Körperlichkeit erlöst.

"Blaubart" ist eine preziöse Erzählung in der Manier der Philosophen des achtzehnten Jahrhunderts: ein süßes Eischnee-Soufflé, getrüffelt mit funkelnden Bosheiten und geistreichem Witz. Auf 140 luftigen Seiten handelt Nothomb in theatralisch-effektvollen Dialogen ihre Leib-und-Magen-Themen ab: Gott und seine vulgäre Welt, jungfräuliche Liebe und Tod, Diät und hemmungslose Völlerei, Verdauung und Metaphysik. Die Champagnerkorken knallen, die Aphorismen perlen nobel und anmutig. Der fromme Don Quichote und seine robuste Dulcinea schenken sich nichts.

Beide sind Fleisch von Nothombs Fleisch: der edle Wüstling und die diabolisch durchtriebene Unschuld, der spanisch-leidenschaftliche Großpathetiker und die belgische Hungerkünstlerin, der verliebte Oger und die "intergalaktische Bienenzüchterin". Manchmal ist Nothomb in ihrem einundzwanzigsten Roman auch nur die pragmatische Corinne, die in Disneyland vor dem Haus des Schreckens die Warteschlangen animiert. Wer Hahn oder Henne, surrealistisches Rührei oder überzuckerter Lustmörder ist, zählt nichts: Hauptsache, das "Mysterium der Liebe" bleibt in Nothombs Kälte- und Dunkelkammern rein und frisch.

MARTIN HALTER

Amélie Nothomb:

"Blaubart". Roman.

Aus dem Französischen von Brigitte Große. Diogenes Verlag, Zürich 2014. 143 S., geb., 18,90 [Euro].

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