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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2012

Süddeutsche Zeitung Bibliothek

Familie im
Feuersturm
Graphic Novels Band 4
„Barfuß durch Hiroshima“
von Keiji Nakazawa
Der amerikanische Atombombenangriff auf Hiroshima 1945 als Comic – im ersten Moment scheut man zurück, geradezu furchtsam öffnet man das dicke Mangabilderbuch, und ist doch sofort gefesselt. Der Zeichner Keiji Nakazawa präsentiert nämlich nicht einfach das Grauen des Angriffs mit all den bis heute andauernden Folgen noch in den Nachkommen jener Menschen, die die nukleare Katastrophe wie auch immer überlebten, vielmehr zeichnet er anhand seiner eigenen Erlebnisse die Geschichte einer Familie in Hiroshima, den aggressiven Ton und die bedrückende Atmosphäre aus Denunziation, Todesangst und Hunger, wie sie die militaristische Gewaltpolitik des damaligen Japan heraufbeschworen hatte, bis zum Untergang auch für die eigene Bevölkerung.
Vater Nakaoka ist ein passionierter Kriegsgegner, der furchtlos seine Meinung vertritt und in diesem Geiste auch seine Kinder erzieht. Die müssen Schmähungen ertragen, wehren sich und sind doch verzweifelt, dass ihr Vater als Verräter beschimpft wird. Nakazawa nutzt auch Karikierendes, wenn er die Widersacher, Mitläufer, Schergen und Denunzianten charakterisiert, er setzt emotionale Ausbrüche und Schlägereien drastisch ins Bild, und die Verheerungen nach der Bombe sind von vehementer Deutlichkeit: Feuerstürme und zusammenstürzende Gebäude, in der Hitze schmelzende Menschen, das Chaos der Verwüstungen, die Fürchterlichkeiten der atomaren Wirkungen in den Wochen danach. Doch indem er nah am Schicksal der Familie Nakaoka bleibt, löst sich sein Comicroman nicht in reines Entsetzen und namenlose Trauer auf, sondern erzählt mit der Intensität und Authentizität dessen, der selbst das Inferno er- und wie durch ein Wunder überlebte, die Familiengeschichte weiter.
Keiji Nakazawa wurde 1939 in Hiroshima geboren. Er überlebte im August 1945 nur, weil er sich 1,2 Kilometer vom Epizentrum hinter einer Betonwand seiner Schule befand. Während der Vater und zwei Geschwister sofort starben, kam seine schwangere Mutter davon. Nakazawa, Sohn eines Kunstmalers, entwickelte eine Leidenschaft für Manga Comics, zog 1961 nach Tokio und veröffentlichte eigene Manga, die sich um Sport, Samurai und Science Fiction drehten. Als die Mutter 1966 an den nuklearen Spätfolgen starb, begann er sich mit dem Krieg und seinen Erinnerungen zeichnerisch auseinanderzusetzen. Damit begründete Nakazawa ein eigenes Genre, das pasonaru komikku , Manga, die auf autobiografischen Erlebnissen beruhen.
„Barfuß durch Hiroshima“ – die ersten Folgen erschienen 1973, die letzten zwölf Jahre später – wurde zum Klassiker. Auch in den USA kamen Teile heraus und in Deutschland waren es 1982 die ersten veröffentlichten Manga. Keiji Nakazawa kann inzwischen wegen der Spätfolgen nicht mehr zeichnen, aber er ist einer der wichtigsten Atomgegner Japans, gerade auch nach Fukushima.
HARALD EGGEBRECHT
Keiji Nakazawa.
Foto: privat
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