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Er hält sich abseits literarischer Moden und überrascht doch mit jedem Buch neu. "Wer nach so langer Zeit aus den Weiten der freien lyrischen Rede umkehrt zum End- und Binnenreim, hat Freiheiten genutzt, die unweigerlich zur Reife führen", schreibt Michael Braun über Volker Sielaff. Im Zentrum seines neuen Bandes steht der Zyklus "Mystische Aubergine" - ein Dokument unbändiger Lust an der poetischen Weltentdeckung; ein Vexierbild, wild und verrätselt; grundiert von einem modernen Odysseus-Mythos. Die Gedichte in "Barfuß vor Penelope" erinnern in ihrer Offenheit zuweilen an Else Lasker-Schüler…mehr

Produktbeschreibung
Er hält sich abseits literarischer Moden und überrascht doch mit jedem Buch neu. "Wer nach so langer Zeit aus den Weiten der freien lyrischen Rede umkehrt zum End- und Binnenreim, hat Freiheiten genutzt, die unweigerlich zur Reife führen", schreibt Michael Braun über Volker Sielaff. Im Zentrum seines neuen Bandes steht der Zyklus "Mystische Aubergine" - ein Dokument unbändiger Lust an der poetischen Weltentdeckung; ein Vexierbild, wild und verrätselt; grundiert von einem modernen Odysseus-Mythos. Die Gedichte in "Barfuß vor Penelope" erinnern in ihrer Offenheit zuweilen an Else Lasker-Schüler oder Theodor Kramer und spannen nicht nur formell, sondern auch thematisch einen weiten Bogen: vom Rausch der bedingungslosen Liebe bis zu den Schrecken eines blutigen 20. Jahrhunderts.
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Autorenporträt
Volker Sielaff lebt als Schriftsteller und Publizist in Dresden. Er erhielt 2007 den Lessing-Förderpreis und 2015 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung für sein literarisches Werk. "Barfuß vor Penelope" ist sein vierter Lyrikband. In der edition AZUR erschien zuletzt "Überall Welt. Ein Journal".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2020

Schokoladenballadesk

Volker Sielaffs ebenso kluge wie sprachgewaltige Gedichte

Von dem polnischen Dichter und Essayisten Adam Zagajewski stammt das verblüffend einfach anmutende Bekenntnis, "dass die Kunst aus der tiefsten Bewunderung der Welt hervorwächst, der sichtbaren wie der unsichtbaren". Das Zusammenspiel von Kontemplation und Imagination führt zu in sich ruhender Betrachtung, ja einer existentiellen Geborgenheit.

Zagajewskis Credo zitiert der 1966 geborene Dresdener Lyriker Volker Sielaff in seinem Journal "Überall Welt", mit dem er 2016 seiner Dichtung ein nicht poetologisches, sondern poetisches Fundament aus Alltagsbeobachtungen, Lektüreeindrücken und Notaten zu Natur, Kunst, Liebe und Erinnerung gab. Im Alter von fünfzig zog Sielaff damit nach seinen drei inzwischen vielgerühmten Gedichtbänden "Postkarte für Nofretete" (2003), "Selbstporträt mit Zwerg" (2011) und "Glossar des Prinzen" (2015) Bilanz.

Die neuen Gedichte aus dem Buch "Barfuß vor Penelope" verwandeln nun die Erkundungstechniken des Journals in bestrickend heutige Poesie. Nie apodiktisch oder selbstreferentiell, dafür sinnlich und zugewandt, im Gepäck Traditionen und im Sinn die Neugier auf zu entdeckendes Gelände, setzt Sielaff den eingeschlagenen Weg mit seinem vierten Gedichtband fort. Schon dessen Titel zeugt von bewusster Fortschreibung.

Der ebenso behutsame wie beharrliche Aufbau des sich mit jedem Buch deutlicher abzeichnenden Werkes ist Konstruktionsprinzip. In sechs Kapiteln widmen sich 55 heterogen gestaltete Gedichte Sielaffs den zentralen Themen Liebe, Poesie, Bild, Erinnerung, Assoziation und Betrachtung. "Die helle und die dunkle Seite" lässt Gedichte von aufflammender und lodernder, verbrennender und verglühender, schließlich allein erloschener Liebe aufeinanderfolgen, die aufgrund ihrer Schmucklosigkeit unmittelbar berühren und an Lieder erinnern - Müller, Heine, Lenau -, mit ihrem schnellen Takt und überraschenden Reimgefügen ebenso aber an Rap-Lyrics. So heißt es in "Neubeginn", am zuversichtlichen Kapitelausklang: "Aus euren Sottisen mache ich Feuer / Und trage in mir eine Welt: // Ich bin mir geheuer."

In "Swann" stellt Sielaff einmal mehr die feine Kunst seiner Biographiegedichte unter Beweis. Poetische Lebensskizzen gelten etwa Hugo Ball, Kasimir Malewitsch und Ferdinand Sauerbruch, der 1932 am Wannsee dem Nachbarn Max Liebermann Modell sitzt. Im Lager der sowjetischen Geheimpolizei NKWD von Grjasowez findet Józef Czapski Trost und Mut in der Proust-Lektüre. Joseph Brodskys Verfemung und Traumatisierung verfolgt man in "Niemand" mit. Voller sprechender Details, dabei mit jeder Silbe klanglich austariert, stellen die Gedichte narrativ-musikalische Überlieferungskassiber dar: "Ich weiß nichts von ihr, nichts. / Aber ich hab diesen verdammten Holunder / und dieses Grün als Melodie / ihrer Augen vom Land" - Marina Zwetajewas Augen.

Bildbeschreibungen und dem Hinterfragen von Ikonisierungen, vor allem denen des Japonismus, widmet sich das Kapitel "Diogenes spricht zu einem Maler". Sielaff folgt hier der Rezeptionsgeschichte von Farbholzschnittkünstlern wie Hiroshige bis zu Manga-Figuren nachbildenden Cosplayer-Jugendlichen von heute: "Sie sind alle die Enkel von Hokusai, / einem aufrechten Handwerker, Adoptivkind / eines Spiegelmachers."

Spiegelungen: "Barfuß vor Penelope" durchlaufen Reflexionen über eine Jugend in der Lausitz und die Verwerfungen, die die Wende für diese industriell geprägte Region mit sich brachte. Das Kapitel "Oberlausitz Wagenspur" versammelt Gedichte über verschwundene oder gesichtslos sanierte Gebäude und Orte, so Radeberg, ein Kino, einen Bahnhof oder das abgerissene Carl-Großmann-Stift in Großröhrsdorf, lauter individuelle Gedenkstätten, für Sielaff Ursprungsorte poetischer Initiation. Das Kindheitsgedicht "Birkenpapier" schließt fragend: "Waren wir jemals, die wir geworden sind?"

Kein Lokaldichter spricht hier. Sielaffs Horizonte sind weit, seine Tiefenbohrungen lustvoll, widerständig, immer wieder auch erschütternd. Den Band beschließt eine fulminante Abfolge surrealistisch anmutender, an Bretons Assoziationsketten erinnernder Bilder, so die Gellu Naum gewidmete "Sphinx" oder "Amok oder Verfehlung der Ereignisse aus dem Geiste der Poesie", ein Gedicht, das entstand, während Volker Sielaff 2016 im Live-Fernsehen die Ereignisse des Münchner Amoklaufs verfolgte: "die Phantasmen schälen sich / aus ihren Gewändern, See aus Blut, bewohnt von bösen Geistern, / als die Diener ihr Metall zücken". Eugène Delacroix' "Der Tod des Sardanapal" (1827), eines der verstörendsten Gemälde der Spätromantik, ist zweite Bildquelle des Gedichts.

Überraschungen, Volten und Weiterführungen: "Barfuß vor Penelope" ist ein frappierender Gedichtband. Dem orientierungslosen Innovationszwang so vieler zeitgenössischer Anti-Gedichte widersteht er spielend. Seit Armin Sensers "Großem Erwachen" (1999) hat im Deutschen niemand so frei und beglückend in der Nachfolge von Brodskys "Großer Elegie an John Donne" (1963) die Vielfalt der Phänomene gefeiert wie Volker Sielaff mit dem Auftaktgesang "Mystische Aubergine", in dem Odysseus und Penelope alle räumlichen und zeitlichen Schranken überwinden und so auch heute immer wieder zueinanderfinden: "Liebe zur Ballade von der Schokolade / und zu diesem Gedicht, das jetzt gleich abbricht und endet, Liebe / zu allem, was kommt und sich wendet, nicht bleibt, wie es ist. / Liebe zum Leben, unserer längsten Frist."

MIRKO BONNÉ.

Volker Sielaff: "Barfuß vor Penelope". Gedichte.

Edition Azur, Dresden 2020. 112 S., br., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Der Dichter Volker Sielaff ist in der literarischen Welt eine Ausnahme, verkündet Rezensent Michael Braun. Zum einen Ausnahmetalent, zum anderen ausnehmend zurückgezogen von der Geschäftigkeit des Literaturbetriebs, arbeitet er an einem poetischen Programm, das Braun als "Wiederverzauberung der Welt" beschreibt. In seinem neuen Gedichtband "Barfuß vor Penelope" treibt Sielaff seine Sprachkunst auf die Spitze und durchläuft hierbei von Kapitel zu Kapitel immer neue Selbstverwandlungen - vom ekstatischen Zungenredner, zum Surrealisten, vom klassischen Reimschmied und Volkslieddichter zum rückblickenden "Jenseitsdenker", freut sich Braun. Eine vergleichbare Vielfalt an Formen, Stilen, Mythen, Bildern und Selbstbildern sucht man in der deutschsprachigen Gegenwartsdichtung lange - vielleicht sogar vergebens, so der hin- und mitgerissene Rezensent.

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