Warum der Bauch oft die besseren Entscheidungen trifft als der Verstand: Der internationale Bestseller jetzt bei Pantheon
Wie wir durch Intuition schneller und effektiver handeln können
Ein Mann verliebt sich in eine Frau, deren »Partnerprofil« eigentlich nicht zu ihm passt. Eine gute Ärztin spürt, wenn mit langjährigen Patienten etwas nicht in Ordnung ist, auch wenn sie nicht immer sofort sagen kann, was ihnen fehlt. Intuition schlägt Vernunft: Der weltweit renommierte Psychologe Gerd Gigerenzer zeigt anschaulich, warum rationales Abwägen in vielen Situationen nicht zum besten Ergebnis führt. Denn gute Entscheidungen basieren oft auf einer unbewussten Intelligenz, die sehr schnell operiert und gerade in komplexen Lagen verblüffend einfach funktioniert. Ein bahnbrechendes Buch, das unser Bild vom menschlichen Verstand revolutioniert.
Ausstattung: s/w-Abbildungen im Text
Wie wir durch Intuition schneller und effektiver handeln können
Ein Mann verliebt sich in eine Frau, deren »Partnerprofil« eigentlich nicht zu ihm passt. Eine gute Ärztin spürt, wenn mit langjährigen Patienten etwas nicht in Ordnung ist, auch wenn sie nicht immer sofort sagen kann, was ihnen fehlt. Intuition schlägt Vernunft: Der weltweit renommierte Psychologe Gerd Gigerenzer zeigt anschaulich, warum rationales Abwägen in vielen Situationen nicht zum besten Ergebnis führt. Denn gute Entscheidungen basieren oft auf einer unbewussten Intelligenz, die sehr schnell operiert und gerade in komplexen Lagen verblüffend einfach funktioniert. Ein bahnbrechendes Buch, das unser Bild vom menschlichen Verstand revolutioniert.
Ausstattung: s/w-Abbildungen im Text
"Bauchentscheidungen ist ein faszinierendes, psychologisch geschickt konzipiertes und ungeheuer kluges Werk - ganz in der Tradition dessen, was vor über dreihundert Jahren der französische Mathematiker Blaise Pascal konstatierte: 'Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.'"
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2007Besser, man überlegt erst nach der Entscheidung
Vertrau den Intuitionen: Gerd Gigerenzer bedenkt die Logik der Bauchentscheidungen und erforscht die Logik des Unbewussten
„Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst . . ”, heißt es in einem Schlager. Der Texter hat offenbar recht. Wie Homo sapiens sapiens sich tatsächlich in der Welt orientiert, ist „mit dem Dogma der rationalen Entscheidungsfindung nicht zu vereinbaren”.
Das sagt Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Die Logik sei nur eines von vielen nützlichen Werkzeugen, deren sich der Verstand bedienen könne. „Logik und verwandte Denksysteme haben die westliche Philosophie des Geistes einfach zu lange beherrscht”, weiß der Psychologe als Ergebnis seiner Experimente und Beobachtungen. Gerd Gigerenzer erforscht die Möglichkeiten menschlicher Intuition und kommt dabei zu erstaunlichen Erkenntnissen. In Großbritannien zum Beispiel entscheiden Laienrichter (Magistrates) darüber, ob ein Angeklagter mit oder ohne Auflagen auf freien Fuß zu setzen oder in Untersuchungshaft zu nehmen ist. Die Richter sind davon überzeugt, nach sorgfältiger Prüfung und Bewertung der Beweise zu entscheiden. Tatsächlich handeln sie, ohne dies selbst zu wissen, nach Faustregeln. Das Ergebnis ihrer „sorgfältigen Prüfung” lässt sich, wenn man diese Regeln kennt, mit 92prozentiger Sicherheit voraussagen.
In den USA verdienen Investmentberater rund hundert Milliarden Dollar jährlich damit, Ratschläge zu geben, wie man sein Geld anlegen solle. Das Wirtschaftsmagazin Capital veranstaltete im Jahr 2000 ein Börsenspiel. Der Chefredakteur wählte 50 internationale Internet-Aktien aus und gab den Teilnehmern sechs Wochen lang Zeit, jede dieser Aktien zu kaufen, zu halten oder zu verkaufen, um damit Gewinn zu machen. Unter den mehr als zehntausend Teilnehmern war auch Gigerenzer. Er hatte in Berlin hundert Passanten die Liste gezeigt und sie gefragt, von welchen der 50 Aktien sie bereits gehört hätten. Aus den zehn Aktien, die am häufigsten wiedererkannt wurden, bildete er ein Portfolio und reichte es ein, ohne daran weitere Änderungen vorzunehmen. Auf dem damaligen Baissemarkt erzielte Gigerenzer einen Gewinn von 2,5 Prozent, mehr als 88 Prozent aller anderen Teilnehmer. Der Chefredakteur verlor 18,5 Prozent.
„Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition” nennt Gerd Gigerenzer sein Buch mit den genannten und vielen weiteren Beispielen. Es ist sowohl interessant als auch vergnüglich zu lesen. Vor allem ist es ein wichtiges Buch.
„Bauchgefühle beruhen auf überraschend wenig Information”, sagt Gigerenzer. Das freilich steht im Widerspruch zu den Überzeugungen unserer Kultur, wonach mehr Information und größere Auswahlmöglichkeiten immer besser seien. Die Philosophen der Aufklärung, so Gigerenzer, „bezeichneten den menschlichen Geist als ein von der Vernunft regiertes Königreich.” Der Max-Planck-Forscher vergleicht das Gehirn dagegen lieber mit einem Werkzeugkasten voller Faustregeln (Heuristiken). Die in unserer Kultur im Allgemeinen gering geschätzte Intelligenz des Unbewussten liege darin, dass es, ohne zu denken, weiß, welche Regel in welcher Situation vermutlich funktioniert. Intuition, ist, anders als die bereits von Aristoteles verbreitete Vorstellung, ebenso wenig geschlechtsspezifisch wie Vernunft. Das heißt, weder haben Frauen größere intuitive Fähigkeiten als Männer noch sind Männer vernünftiger als Frauen.
Natürlich kann eine Faustregel auch falsch angewendet werden. Die in vielen Situationen angemessene Regel „Tanz nicht aus der Reihe” erklärt auch, warum es im Zweiten Weltkrieg kaum Protest gab gegen die Aufforderung an die Soldaten, Zivilisten, insbesondere Juden zu erschießen. Gigerenzer erklärt moralisches Verhalten ebenfalls als Ergebnis von meist unbewussten Bauchentscheidungen, etwa der starken Identifikation mit der eigenen Bezugsgruppe. Damit beschreibt er zum Beispiel sehr genau das Verhalten der Amerikaner nach dem Anschlag vom 11. September 2001.
Es lohnt sich also schon, die menschlichen „Bauchentscheidungen” zu bedenken, wie das der Psychologe zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat. Bedenken heißt für ihn, sie ernst zu nehmen und über ihre Ursprünge nachzudenken. Warum etwa gilt die schreckliche medizinische Regel, dass einer Frau umso eher die Gebärmutter entfernt wird, je weniger gebildet sie und je besser ihre Privatversicherung ist? Gegen diese, so Gigerenzer, generelle Erfahrung stellt der Bauchforscher die Regel auf: „Fragen Sie Ihren Arzt nicht, was er empfiehlt, sondern fragen Sie ihn, was er täte, wenn es seine Mutter wäre.” MARTIN URBAN
GERD GIGERENZER: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. C. Bertelsmann Verlag, München 2007, 284 Seiten, 19,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Vertrau den Intuitionen: Gerd Gigerenzer bedenkt die Logik der Bauchentscheidungen und erforscht die Logik des Unbewussten
„Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst . . ”, heißt es in einem Schlager. Der Texter hat offenbar recht. Wie Homo sapiens sapiens sich tatsächlich in der Welt orientiert, ist „mit dem Dogma der rationalen Entscheidungsfindung nicht zu vereinbaren”.
Das sagt Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin. Die Logik sei nur eines von vielen nützlichen Werkzeugen, deren sich der Verstand bedienen könne. „Logik und verwandte Denksysteme haben die westliche Philosophie des Geistes einfach zu lange beherrscht”, weiß der Psychologe als Ergebnis seiner Experimente und Beobachtungen. Gerd Gigerenzer erforscht die Möglichkeiten menschlicher Intuition und kommt dabei zu erstaunlichen Erkenntnissen. In Großbritannien zum Beispiel entscheiden Laienrichter (Magistrates) darüber, ob ein Angeklagter mit oder ohne Auflagen auf freien Fuß zu setzen oder in Untersuchungshaft zu nehmen ist. Die Richter sind davon überzeugt, nach sorgfältiger Prüfung und Bewertung der Beweise zu entscheiden. Tatsächlich handeln sie, ohne dies selbst zu wissen, nach Faustregeln. Das Ergebnis ihrer „sorgfältigen Prüfung” lässt sich, wenn man diese Regeln kennt, mit 92prozentiger Sicherheit voraussagen.
In den USA verdienen Investmentberater rund hundert Milliarden Dollar jährlich damit, Ratschläge zu geben, wie man sein Geld anlegen solle. Das Wirtschaftsmagazin Capital veranstaltete im Jahr 2000 ein Börsenspiel. Der Chefredakteur wählte 50 internationale Internet-Aktien aus und gab den Teilnehmern sechs Wochen lang Zeit, jede dieser Aktien zu kaufen, zu halten oder zu verkaufen, um damit Gewinn zu machen. Unter den mehr als zehntausend Teilnehmern war auch Gigerenzer. Er hatte in Berlin hundert Passanten die Liste gezeigt und sie gefragt, von welchen der 50 Aktien sie bereits gehört hätten. Aus den zehn Aktien, die am häufigsten wiedererkannt wurden, bildete er ein Portfolio und reichte es ein, ohne daran weitere Änderungen vorzunehmen. Auf dem damaligen Baissemarkt erzielte Gigerenzer einen Gewinn von 2,5 Prozent, mehr als 88 Prozent aller anderen Teilnehmer. Der Chefredakteur verlor 18,5 Prozent.
„Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition” nennt Gerd Gigerenzer sein Buch mit den genannten und vielen weiteren Beispielen. Es ist sowohl interessant als auch vergnüglich zu lesen. Vor allem ist es ein wichtiges Buch.
„Bauchgefühle beruhen auf überraschend wenig Information”, sagt Gigerenzer. Das freilich steht im Widerspruch zu den Überzeugungen unserer Kultur, wonach mehr Information und größere Auswahlmöglichkeiten immer besser seien. Die Philosophen der Aufklärung, so Gigerenzer, „bezeichneten den menschlichen Geist als ein von der Vernunft regiertes Königreich.” Der Max-Planck-Forscher vergleicht das Gehirn dagegen lieber mit einem Werkzeugkasten voller Faustregeln (Heuristiken). Die in unserer Kultur im Allgemeinen gering geschätzte Intelligenz des Unbewussten liege darin, dass es, ohne zu denken, weiß, welche Regel in welcher Situation vermutlich funktioniert. Intuition, ist, anders als die bereits von Aristoteles verbreitete Vorstellung, ebenso wenig geschlechtsspezifisch wie Vernunft. Das heißt, weder haben Frauen größere intuitive Fähigkeiten als Männer noch sind Männer vernünftiger als Frauen.
Natürlich kann eine Faustregel auch falsch angewendet werden. Die in vielen Situationen angemessene Regel „Tanz nicht aus der Reihe” erklärt auch, warum es im Zweiten Weltkrieg kaum Protest gab gegen die Aufforderung an die Soldaten, Zivilisten, insbesondere Juden zu erschießen. Gigerenzer erklärt moralisches Verhalten ebenfalls als Ergebnis von meist unbewussten Bauchentscheidungen, etwa der starken Identifikation mit der eigenen Bezugsgruppe. Damit beschreibt er zum Beispiel sehr genau das Verhalten der Amerikaner nach dem Anschlag vom 11. September 2001.
Es lohnt sich also schon, die menschlichen „Bauchentscheidungen” zu bedenken, wie das der Psychologe zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat. Bedenken heißt für ihn, sie ernst zu nehmen und über ihre Ursprünge nachzudenken. Warum etwa gilt die schreckliche medizinische Regel, dass einer Frau umso eher die Gebärmutter entfernt wird, je weniger gebildet sie und je besser ihre Privatversicherung ist? Gegen diese, so Gigerenzer, generelle Erfahrung stellt der Bauchforscher die Regel auf: „Fragen Sie Ihren Arzt nicht, was er empfiehlt, sondern fragen Sie ihn, was er täte, wenn es seine Mutter wäre.” MARTIN URBAN
GERD GIGERENZER: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. C. Bertelsmann Verlag, München 2007, 284 Seiten, 19,95 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.06.2007Mut zur Bauchentscheidung
Intuitives Handeln ist oft ökonomischer als langes Nachdenken
Zahlt sich die Hilfe eines namhaften Investmentberaters beim Aktienkauf aus? Oder ist es besser, die hohen Beratungsgebühren zu sparen und selbst zu entscheiden - aus dem Bauch heraus? Wer Geld hat, das er anlegen möchte, lässt sich in der Regel von Fachleuten beraten. Gute Entscheidungen am Aktienmarkt sind aber viel besser aus dem Bauch zu treffen. Das belegen eindrucksvoll die Untersuchungen des Max-Planck-Bildungsforschers Gerd Gigerenzer, die er in seinem Buch "Bauchentscheidungen" vorstellt. Darin kommt der Psychologe zu einem eindeutigen Ergebnis: Intuitive Entscheidungen sind oft ökonomischer, schneller und besser.
Gigerenzer belegt das auch: Als das Wirtschaftsmagazin "Capital" im Jahr 2000 ein Börsenspiel veranstaltete, befragte er in Berlin hundert Passanten, welche Aktien sie kaufen würden. Kaum jemand war ein Experte. Die meisten nannten deswegen nur Aktien, von denen sie schon einmal gehört hatten. Das Aktienpaket, das Gigerenzer auf dieser Basis zusammenstellte, schnitt besser ab als 88 Prozent der von Fachleuten zusammengestellten Portfolios.
Gigerenzer hat dann selbst 50 000 Euro in ein Portfolio investiert, das aus Aktien bestand, deren Namen die am schlechtesten informierte Passantengruppe zusammengestellt hatten. Das Ergebnis lässt sich sehen: "Nach sechs Monaten hatte das Aktienpaket um 47 Prozent zugelegt und schnitt damit besser als der Markt und die von Finanzexperten verwalteten Investmentfonds ab."
Wie kann das sein? Bei Entscheidungen sollte man möglichst analytisch vorgehen, mahnen vor allem Ökonomen doch. Das ist zwar logisch, doch die menschliche Intelligenz funktioniert nun mal nicht wie eine Rechenmaschine. Für Gigerenzer ist die Logik nur eine von vielen Seiten menschlicher Intelligenz. Daneben gibt es die Intelligenz des Unbewussten, die Macht der Intuition. "Die unbewussten Teile unserer Intelligenz können entscheiden, ohne dass wir - das bewusste Selbst - ihre Gründe kennen oder überhaupt wissen, dass eine Entscheidung längst gefallen ist", schreibt er.
Menschen entscheiden also dann besonders gut, wenn sie nicht so lange darüber nachdenken. Wenn zum Beispiel ein Baseballspieler während des Spiels zu schätzen beginnt, wo der Ball wohl landen könnte, hat er schon verloren. Erfahrene Spieler laufen dem Ball - ohne groß darüber nachzudenken - so nach, dass er in ihrem Blickfeld immer an derselben Stelle bleibt.
Diese "Bauchgefühle" sind das Produkt einfacher Faustregeln. Sie speisen sich aus Erfahrung und sozialen Instinkten - und führen deswegen so oft zu guten Ergebnissen, weil sie unwichtige Informationen schlicht ignorieren. "Für gute Entscheidungen in einer unsicheren Welt muss man Informationen weglassen", sagt der Gigerenzer. "Das steigert die Qualität." Jede komplexe Strategie, die erst mal alle Informationen für eine Entscheidung zusammenträgt, dann misst und abwägt, krankt daran, dass nur ein Teil der Informationen für die Zukunft wirklich von Bedeutung ist. Der Bauch sagt intuitiv, welche.
"Die Kunst der Intuition besteht darin, dass wir uns auf diesen Teil konzentrieren und den Rest außer Acht lassen", mein Gigerenzer. Intuition ist dabei keine impulsive Laune des Geistes. Sie macht sich Eigenschaften des Gehirns zunutze, die der Mensch im Zuge der Evolution erworben hat, und speist sich aus den Erfahrungen im ständigen Austausch mit der Umwelt.
Gigerenzer schildert in seinem Buch ausführlich und in einer auch für Laien gut lesbaren Sprache, wie das menschliche Gehirn mit seinen Faustregeln sogar die raffiniertesten Computerstrategien in den Schatten stellen kann. Sieben Jahre lang hat er dafür am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin geforscht.
Einst schrieben die Menschen Engeln und spirituellen Wesen Intuitionen von unfehlbarer Klarheit zu. Heute wird eher belächelt, wer Bauchentscheidungen zur Richtschnur seines Handelns macht. Wer Gigerenzers Buch gelesen hat, lernt nicht nur viel darüber, wie Menschen denken und entscheiden. Er erkennt auch, dass es viele gute Gründe gibt, ruhig auch mal auf seinen Bauch zu vertrauen.
CARSTEN GERMIS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Intuitives Handeln ist oft ökonomischer als langes Nachdenken
Zahlt sich die Hilfe eines namhaften Investmentberaters beim Aktienkauf aus? Oder ist es besser, die hohen Beratungsgebühren zu sparen und selbst zu entscheiden - aus dem Bauch heraus? Wer Geld hat, das er anlegen möchte, lässt sich in der Regel von Fachleuten beraten. Gute Entscheidungen am Aktienmarkt sind aber viel besser aus dem Bauch zu treffen. Das belegen eindrucksvoll die Untersuchungen des Max-Planck-Bildungsforschers Gerd Gigerenzer, die er in seinem Buch "Bauchentscheidungen" vorstellt. Darin kommt der Psychologe zu einem eindeutigen Ergebnis: Intuitive Entscheidungen sind oft ökonomischer, schneller und besser.
Gigerenzer belegt das auch: Als das Wirtschaftsmagazin "Capital" im Jahr 2000 ein Börsenspiel veranstaltete, befragte er in Berlin hundert Passanten, welche Aktien sie kaufen würden. Kaum jemand war ein Experte. Die meisten nannten deswegen nur Aktien, von denen sie schon einmal gehört hatten. Das Aktienpaket, das Gigerenzer auf dieser Basis zusammenstellte, schnitt besser ab als 88 Prozent der von Fachleuten zusammengestellten Portfolios.
Gigerenzer hat dann selbst 50 000 Euro in ein Portfolio investiert, das aus Aktien bestand, deren Namen die am schlechtesten informierte Passantengruppe zusammengestellt hatten. Das Ergebnis lässt sich sehen: "Nach sechs Monaten hatte das Aktienpaket um 47 Prozent zugelegt und schnitt damit besser als der Markt und die von Finanzexperten verwalteten Investmentfonds ab."
Wie kann das sein? Bei Entscheidungen sollte man möglichst analytisch vorgehen, mahnen vor allem Ökonomen doch. Das ist zwar logisch, doch die menschliche Intelligenz funktioniert nun mal nicht wie eine Rechenmaschine. Für Gigerenzer ist die Logik nur eine von vielen Seiten menschlicher Intelligenz. Daneben gibt es die Intelligenz des Unbewussten, die Macht der Intuition. "Die unbewussten Teile unserer Intelligenz können entscheiden, ohne dass wir - das bewusste Selbst - ihre Gründe kennen oder überhaupt wissen, dass eine Entscheidung längst gefallen ist", schreibt er.
Menschen entscheiden also dann besonders gut, wenn sie nicht so lange darüber nachdenken. Wenn zum Beispiel ein Baseballspieler während des Spiels zu schätzen beginnt, wo der Ball wohl landen könnte, hat er schon verloren. Erfahrene Spieler laufen dem Ball - ohne groß darüber nachzudenken - so nach, dass er in ihrem Blickfeld immer an derselben Stelle bleibt.
Diese "Bauchgefühle" sind das Produkt einfacher Faustregeln. Sie speisen sich aus Erfahrung und sozialen Instinkten - und führen deswegen so oft zu guten Ergebnissen, weil sie unwichtige Informationen schlicht ignorieren. "Für gute Entscheidungen in einer unsicheren Welt muss man Informationen weglassen", sagt der Gigerenzer. "Das steigert die Qualität." Jede komplexe Strategie, die erst mal alle Informationen für eine Entscheidung zusammenträgt, dann misst und abwägt, krankt daran, dass nur ein Teil der Informationen für die Zukunft wirklich von Bedeutung ist. Der Bauch sagt intuitiv, welche.
"Die Kunst der Intuition besteht darin, dass wir uns auf diesen Teil konzentrieren und den Rest außer Acht lassen", mein Gigerenzer. Intuition ist dabei keine impulsive Laune des Geistes. Sie macht sich Eigenschaften des Gehirns zunutze, die der Mensch im Zuge der Evolution erworben hat, und speist sich aus den Erfahrungen im ständigen Austausch mit der Umwelt.
Gigerenzer schildert in seinem Buch ausführlich und in einer auch für Laien gut lesbaren Sprache, wie das menschliche Gehirn mit seinen Faustregeln sogar die raffiniertesten Computerstrategien in den Schatten stellen kann. Sieben Jahre lang hat er dafür am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin geforscht.
Einst schrieben die Menschen Engeln und spirituellen Wesen Intuitionen von unfehlbarer Klarheit zu. Heute wird eher belächelt, wer Bauchentscheidungen zur Richtschnur seines Handelns macht. Wer Gigerenzers Buch gelesen hat, lernt nicht nur viel darüber, wie Menschen denken und entscheiden. Er erkennt auch, dass es viele gute Gründe gibt, ruhig auch mal auf seinen Bauch zu vertrauen.
CARSTEN GERMIS
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit großem Interesse und dabei auch noch mit Vergnügen hat Rezensent Martin Urban Gerd Gigerenzers Ergebnisse über seine Untersuchungen der sogenannten "Bauchentscheidungen", also der Intuition, gelesen. Weil in der Geschichte des Abendlandes seit langem die Vorstellung vorherrscht, dass vor allem Vernunft und Logik menschliche Entscheidungen regeln und absichern, findet der Rezensent dieses Buch, das der Intuition zu ihrem Recht verhilft, so fesselnd und "wichtig". Die Beispiele, die der Autor, Psychologe und Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, aus der Justiz oder dem Aktienhandel bringt, überzeugen Urban von der Treffsicherheit der unbewussten Entscheidungen und er hat mit Erstaunen aufgenommen, dass intuitive Erkenntnisse gewöhnlich auf überraschend wenigen Informationen beruhen und dabei dennoch häufiger ins Schwarze treffen als vernunftsbegründete Entscheidungen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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