»Wenn Julia Franck schreibt, hält die Sprache den Atem an.«
Conny Lösch in der 'Jungen Welt'
Es klingelt. »Es wird Paul sein ... vielleicht ist ihm eingefallen, daß er meine Lippen vermißt und meine Hände.« Doch vor der Tür steht Emily, die beste Freundin und ... die Freundin von Paul. Aufgelöst sucht sie ihren flüchtigen Liebhaber, dem sie eine selbstgebackene Geburtstagstorte durch den Sommertag hinterherträgt. So muß die Erzählerin die Freundin trösten, deren Unglück sie selbst mit herbeigeführt hat. Noch in der Umarmung gleiten die Arme der anderen da entlang, wo Pauls Küsse vor Minuten noch ihre Haut berührten, wo sein Körper noch zu riechen ist ...
Conny Lösch in der 'Jungen Welt'
Es klingelt. »Es wird Paul sein ... vielleicht ist ihm eingefallen, daß er meine Lippen vermißt und meine Hände.« Doch vor der Tür steht Emily, die beste Freundin und ... die Freundin von Paul. Aufgelöst sucht sie ihren flüchtigen Liebhaber, dem sie eine selbstgebackene Geburtstagstorte durch den Sommertag hinterherträgt. So muß die Erzählerin die Freundin trösten, deren Unglück sie selbst mit herbeigeführt hat. Noch in der Umarmung gleiten die Arme der anderen da entlang, wo Pauls Küsse vor Minuten noch ihre Haut berührten, wo sein Körper noch zu riechen ist ...
Julia Franck erzählt 'Geschichten zum Anfassen': von verborgenen Gelüsten und offener Begierde. Von den erotischen Phantasien einer Bademeisterin und den Einblicken einer Nachbarsfrau in fremder Leute Sexualleben. Von dem subtilen Beziehungsgeflecht zweier Schwestern und dem heimlichen Betrug der besten Freundin. Von Sehnsüchten, die Tristesse hinterlassen, und dem Prickeln, das durch die Nähe zum Verbotenen entsteht. Acht wunderbare Geschichten voll Sinnlichkeit und Erotik, weiblicher Gefühle und Lust, geschrieben mit einem ungeniert voyeuristischen Blick, der eiskalt wirkt und gleichzeitig erhitzt: "So liebt und haßt man nur bei Julia Franck." (Süddeutsche Zeitung)
"Wenn Julia Franck schreibt, hält die Sprache den Atem an. Mit der Konzentration einer Seiltänzerin widmet sie sich dem Wesentlichen, setzt sicher und zügig, aber behutsam einen Fuß vor den anderen, läßt sich vom kitschigen Bombast nicht irritieren, sondern spricht, wovon sie sprechen will: von Gefühlen, die man Liebe nennen könnte." Conny Lösch in der 'Jungen Welt'
"Acht kurze Geschichten, doch meint man am Ende, eine Ewigkeit er-lebt zu haben. Erschüttert, fasziniert, voller Ekel und erotisiert zugleich verfolgt man die Menschen, die Julia Franck erzählt, als spiele sie mit einem heißen Spotlight: mal dimmen, mal grell aufdrehen. [...] Francks Erzählen besitzt eine sinnliche Wahrnehmungskraft mit zuweilen apokalyptischen Ausmaßen. [...] Der Leser wird hineingezogen in ihr Personal, dass er sich nicht mehr entziehen kann." Sophia Willems in der 'Westdeutschen Zeitung'
"Sätze, die riechen, pulsieren. Die wie in Chiffon gehüllt scheinen. Und dann wieder umschlagen ins ganz Sachliche. [...] 'Bauchlandung' ist ein kleiner Höhenflug." Christoph Schreiner in der 'Saarbrücker Zeitung'
"Die große Stärke der Literatur ist es immer noch, Sexualität gerade im Kopf spielen zu lassen. Franck ist eine Meisterin darin." Simone Kaempf in 'Der Spiegel' "Ein Feuerwerk der Gelüste." Bunte
"Geschichten, die voll abgründiger Erotik stecken. [...] Unter der schlichten Oberfläche lauern spannungsreiche Verstrickungen - ein erotisches Billard über Bande." Hergen Kicker in der 'Berliner Morgenpost'
"Wie in ihrem Roman 'Liebediener' präsentiert sich Julia Franck als Wortkünstlerin, die ihre Sprache effektvoll und sensibel einzusetzen weiß. Zudem hat sie eine beachtliche Fantasie vorzuweisen, die diesen Erzählband zu einem abwechslungsreichen Lesevergnügen macht." Andreas Müller im 'Darmstädter Echo'
"Thomas Mann nannte die Gänsehaut einmal ein 'epidermales Gruseln' - selten hat es so gestimmt wie hier." Oliver Jahn in den 'Kieler Nachrichten'
"Nach ihrem Erfolgsroman 'Liebediener' beweist Julia Franck erneut ihr phänomenales Gespür für zwischenmenschliche Geschichten jenseits der Norm. [...] Das ist teilweise amüsant, teilweise beinhart. Wie immer, wenn jemand so genau hinschaut wie Julia Franck." Brigitte
"Das Meiste steht zwischen den Zeilen. Für die 'Bauchlandung' bedarf es des zweiten Blicks. Und der lohnt sich." Michael Au in der 'Rhein-Zeitung'
"Was uns Julia Franck von den tiefen Gefühlsverirrungen zwischen Männern, Frauen, Müttern, Vätern, Söhnen und Töchtern zu erzählen hat, geht unter die Haut." 'Toaster', Zürich
"Der Tonfall erinnert ein wenig an die Meistererzählungen von Francks junger Kollegin Judith Hermann, die Trostlosigkeit der sexuellen Unternehmungen an Michel Houellebecqs Gebrüderpaar aus 'Elementarteilchen'." Stephan Hilpold in 'Der Standard'
"Wenn Julia Franck schreibt, hält die Sprache den Atem an. Mit der Konzentration einer Seiltänzerin widmet sie sich dem Wesentlichen, setzt sicher und zügig, aber behutsam einen Fuß vor den anderen, läßt sich vom kitschigen Bombast nicht irritieren, sondern spricht, wovon sie sprechen will: von Gefühlen, die man Liebe nennen könnte." Conny Lösch in der 'Jungen Welt'
"Acht kurze Geschichten, doch meint man am Ende, eine Ewigkeit er-lebt zu haben. Erschüttert, fasziniert, voller Ekel und erotisiert zugleich verfolgt man die Menschen, die Julia Franck erzählt, als spiele sie mit einem heißen Spotlight: mal dimmen, mal grell aufdrehen. [...] Francks Erzählen besitzt eine sinnliche Wahrnehmungskraft mit zuweilen apokalyptischen Ausmaßen. [...] Der Leser wird hineingezogen in ihr Personal, dass er sich nicht mehr entziehen kann." Sophia Willems in der 'Westdeutschen Zeitung'
"Sätze, die riechen, pulsieren. Die wie in Chiffon gehüllt scheinen. Und dann wieder umschlagen ins ganz Sachliche. [...] 'Bauchlandung' ist ein kleiner Höhenflug." Christoph Schreiner in der 'Saarbrücker Zeitung'
"Die große Stärke der Literatur ist es immer noch, Sexualität gerade im Kopf spielen zu lassen. Franck ist eine Meisterin darin." Simone Kaempf in 'Der Spiegel' "Ein Feuerwerk der Gelüste." Bunte
"Geschichten, die voll abgründiger Erotik stecken. [...] Unter der schlichten Oberfläche lauern spannungsreiche Verstrickungen - ein erotisches Billard über Bande." Hergen Kicker in der 'Berliner Morgenpost'
"Wie in ihrem Roman 'Liebediener' präsentiert sich Julia Franck als Wortkünstlerin, die ihre Sprache effektvoll und sensibel einzusetzen weiß. Zudem hat sie eine beachtliche Fantasie vorzuweisen, die diesen Erzählband zu einem abwechslungsreichen Lesevergnügen macht." Andreas Müller im 'Darmstädter Echo'
"Thomas Mann nannte die Gänsehaut einmal ein 'epidermales Gruseln' - selten hat es so gestimmt wie hier." Oliver Jahn in den 'Kieler Nachrichten'
"Nach ihrem Erfolgsroman 'Liebediener' beweist Julia Franck erneut ihr phänomenales Gespür für zwischenmenschliche Geschichten jenseits der Norm. [...] Das ist teilweise amüsant, teilweise beinhart. Wie immer, wenn jemand so genau hinschaut wie Julia Franck." Brigitte
"Das Meiste steht zwischen den Zeilen. Für die 'Bauchlandung' bedarf es des zweiten Blicks. Und der lohnt sich." Michael Au in der 'Rhein-Zeitung'
"Was uns Julia Franck von den tiefen Gefühlsverirrungen zwischen Männern, Frauen, Müttern, Vätern, Söhnen und Töchtern zu erzählen hat, geht unter die Haut." 'Toaster', Zürich
"Der Tonfall erinnert ein wenig an die Meistererzählungen von Francks junger Kollegin Judith Hermann, die Trostlosigkeit der sexuellen Unternehmungen an Michel Houellebecqs Gebrüderpaar aus 'Elementarteilchen'." Stephan Hilpold in 'Der Standard'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.08.2000Schmeckt es euch nicht?
Julia Francks Geschichten von den erogenen Kampfzonen · Von Thomas Wirtz
Wo jedes Kleidungsstück zum Hindernis, jeder Schnürsenkel zur unlösbaren Verstrickung wird, zählen die Sekunden. Die Sache, zu der der Sex kommen will, duldet keinen Aufschub. Dieser kriegerisch gerade Zugriff hat wenig Sinn für Umwege. Dort aber verläuft sich statt dessen die Literatur. Was ihre Sache angeht, so leidet sie unter einer ausgesprochenen Beirrbarkeit. Denn die Literatur ist eine ausgeklügelte Sachverhinderungstechnik, die an Wortstolperfallen und Satzverschlingungen nicht genug bekommen kann. Ihr Sinn für gerade Leib- und Leberhaken ist schwach entwickelt, das festgezurrte Schnürsenkelknäuel ihre liebste Zeitverschwendung. So stehen Literatur und die nichts als körperliche Liebe am anderen Ende der Beschleunigungsskala, umständlich und selbstverliebt die eine, zielstrebig und fremdverlangend die andere.
Nach ihrem Roman "Liebediener" aus dem letzten Jahr hat Julia Franck nun acht kurze Erzählungen veröffentlicht, "Geschichten zum Anfassen", wie der Untertitel droht. Und tatsächlich geht es derart handgreiflich zur körperlichen Sache, als solle das Unvereinbare vereinigt werden: Es scheint in diesen kleinen Szeneporträts um den Versuch zu gehen, Sex zu schreiben. Schon auf den ersten Zeilen duftet es in Armbeugen verführerisch nach "Mädchenschweiß", Zungenspitzen stoßen vorwitzig gegen blendende Zahnreihen, "weiße runde Hügel" bieten sich zur Landvermessung an. Kaum ein Körperteil bleibt unbeobachtet, alles reckt und streckt sich dem Auge entgegen, keine einzelne Nase reicht aus, um den aus Ecken und Enden strömenden Geruch aufzufangen. Nichts ist unverfänglich, alles ein Anlaß, mit der Nase in die Geruchsquelle einzutauchen. Diese Geschichten scheinen erotischen Bonbons zu gleichen, deren klebrige Süße schon im ersten Moment unangenehm wird. Man empfindet schnellen Widerwillen gegen das unraffinierte Lustangebot, glaubt die künstlichen Geschmacksverstärker herauszuschmecken und fühlt sich durch ein Wort wie "Lecken" ein wenig beleidigt, das man nicht gern in Augennähe leidet.
Spuckt der Leser dieses Erzählbonbon aber nicht gleich aus, kann er nachhaltigere Geschmackserfahrungen machen. Zuerst fällt auf, daß nicht nur an unbekleideten Körpern der Zungenschlag versucht wird. Vielmehr erklären die acht weiblichen Ich-Erzählerinnen ihren gesamten Alltag zur erogenen Kampfzone. Das Gespräch mit dem Barmann suchen sie, weil die "Lust zu sprechen" sie überfällt; der gestrige Abend war nicht etwa unterhaltsam, sondern "versüßt": Jedes Ding, jedes Tun erscheint hier kitsch-sexualisiert, als könne es anders nicht erfahren werden. Blicke tasten spürbar auf der Haut und lösen chemische Reaktionen aus, Schweiß perlt, Poren schnappen nach Luft, Härchen richten sich steil strebend auf. Der Alltag ist jederzeit geschlechtsbereit und muß nicht lange nach Gelegenheit suchen, weil alles Gelegenheit ist. Diese Frauenkörper ähneln empfindlichen Sensoren, Hochleistungsapparaturen der Sinnlichkeit, die vor lauter Reiz mit ihren Reflexen nicht mehr an sich halten können.
Weil gut Ding hier keine Weile hat und die Körper sich nie entspannen, antworten sie mit Überforderung. Es scheint, als lägen sie auf der Folterbank des Alltags, während ihnen Ziegen den salzigen Mädchenschweiß von den Fußsohlen - lecken. Deshalb ist Ekel die geschwisterliche Begleiterin dieser Dauerlust. In der Erzählung "Schmeckt es euch nicht?" wünscht sich der krebskranke Großvater vor seinem Ableben noch eine letzte Henkersmahlzeit. Obwohl er strengste Diät halten müßte, stopft er sich - gerade hat die Enkelin in der Küche ihre Brust dem Neffen "vorsichtig entgegengewölbt" - die fettigen Kartoffeln mit beiden Händen in den Mund. Im gierigen Griff zermatscht er sie bereits, als wolle er jetzt schon mit ihrer unmöglichen Verdauung beginnen. Als er in den Hausflur erbricht, ist das ungesunde Werk getan. Soviel Lust ist unerträglich und muß ausgespien werden. Der Körper arbeitet an seiner Selbstzerstörung, er will immer mehr von dem haben, womit er schon lange übersättigt ist: ein Trupp von Bulimisten der Sinnlichkeit.
Julia Francks Geschichten - und das macht sie auf den zweiten Blick interessant - sind so lieblos wie eine Hormonausschüttung. Im Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb las sie vor wenigen Wochen "Mir nichts, dir nichts" und gewann damit den 3sat-Preis. Tatsächlich gelingt es dieser Geschichte am sichersten, Sex und Grausamkeit zusammenzubringen. Noch spürt die Ich-Erzählerin Pauls Zunge auf ihren Flimmerhärchen, als ihre beste und Pauls eigentliche Freundin Emily völlig verzweifelt vor ihrer Haustür steht. Sie sucht ihren flüchtigen Liebhaber, der die Nacht über verschwunden ist und dem sie eine selbstgebackene Sahnetorte durch den Sommertag hinterherträgt. Während der Ich-Körper noch von Vereinigungsgerüchen überflutet wird, muß er die Freundin mit kalter Lüge abwimmeln. Was der Körper spürt, ist gewissenloser Lustekel: Seine Maschine kennt keinen Schmerz. Wer an der Erregung schaudern will, dem wird von Julia Francks eiskaltem Liebesengel eine Lektion bereitwillig erteilt. Von einer, die sich auszieht, das Gruseln zu lehren: Wer sich in diesen acht Geschichten auf seine Nase verläßt, wird an ihr herumgeführt.
Julia Franck: "Bauchlandung. Geschichten zum Anfassen". DuMont Buchverlag, Köln 2000. 111 S., geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Julia Francks Geschichten von den erogenen Kampfzonen · Von Thomas Wirtz
Wo jedes Kleidungsstück zum Hindernis, jeder Schnürsenkel zur unlösbaren Verstrickung wird, zählen die Sekunden. Die Sache, zu der der Sex kommen will, duldet keinen Aufschub. Dieser kriegerisch gerade Zugriff hat wenig Sinn für Umwege. Dort aber verläuft sich statt dessen die Literatur. Was ihre Sache angeht, so leidet sie unter einer ausgesprochenen Beirrbarkeit. Denn die Literatur ist eine ausgeklügelte Sachverhinderungstechnik, die an Wortstolperfallen und Satzverschlingungen nicht genug bekommen kann. Ihr Sinn für gerade Leib- und Leberhaken ist schwach entwickelt, das festgezurrte Schnürsenkelknäuel ihre liebste Zeitverschwendung. So stehen Literatur und die nichts als körperliche Liebe am anderen Ende der Beschleunigungsskala, umständlich und selbstverliebt die eine, zielstrebig und fremdverlangend die andere.
Nach ihrem Roman "Liebediener" aus dem letzten Jahr hat Julia Franck nun acht kurze Erzählungen veröffentlicht, "Geschichten zum Anfassen", wie der Untertitel droht. Und tatsächlich geht es derart handgreiflich zur körperlichen Sache, als solle das Unvereinbare vereinigt werden: Es scheint in diesen kleinen Szeneporträts um den Versuch zu gehen, Sex zu schreiben. Schon auf den ersten Zeilen duftet es in Armbeugen verführerisch nach "Mädchenschweiß", Zungenspitzen stoßen vorwitzig gegen blendende Zahnreihen, "weiße runde Hügel" bieten sich zur Landvermessung an. Kaum ein Körperteil bleibt unbeobachtet, alles reckt und streckt sich dem Auge entgegen, keine einzelne Nase reicht aus, um den aus Ecken und Enden strömenden Geruch aufzufangen. Nichts ist unverfänglich, alles ein Anlaß, mit der Nase in die Geruchsquelle einzutauchen. Diese Geschichten scheinen erotischen Bonbons zu gleichen, deren klebrige Süße schon im ersten Moment unangenehm wird. Man empfindet schnellen Widerwillen gegen das unraffinierte Lustangebot, glaubt die künstlichen Geschmacksverstärker herauszuschmecken und fühlt sich durch ein Wort wie "Lecken" ein wenig beleidigt, das man nicht gern in Augennähe leidet.
Spuckt der Leser dieses Erzählbonbon aber nicht gleich aus, kann er nachhaltigere Geschmackserfahrungen machen. Zuerst fällt auf, daß nicht nur an unbekleideten Körpern der Zungenschlag versucht wird. Vielmehr erklären die acht weiblichen Ich-Erzählerinnen ihren gesamten Alltag zur erogenen Kampfzone. Das Gespräch mit dem Barmann suchen sie, weil die "Lust zu sprechen" sie überfällt; der gestrige Abend war nicht etwa unterhaltsam, sondern "versüßt": Jedes Ding, jedes Tun erscheint hier kitsch-sexualisiert, als könne es anders nicht erfahren werden. Blicke tasten spürbar auf der Haut und lösen chemische Reaktionen aus, Schweiß perlt, Poren schnappen nach Luft, Härchen richten sich steil strebend auf. Der Alltag ist jederzeit geschlechtsbereit und muß nicht lange nach Gelegenheit suchen, weil alles Gelegenheit ist. Diese Frauenkörper ähneln empfindlichen Sensoren, Hochleistungsapparaturen der Sinnlichkeit, die vor lauter Reiz mit ihren Reflexen nicht mehr an sich halten können.
Weil gut Ding hier keine Weile hat und die Körper sich nie entspannen, antworten sie mit Überforderung. Es scheint, als lägen sie auf der Folterbank des Alltags, während ihnen Ziegen den salzigen Mädchenschweiß von den Fußsohlen - lecken. Deshalb ist Ekel die geschwisterliche Begleiterin dieser Dauerlust. In der Erzählung "Schmeckt es euch nicht?" wünscht sich der krebskranke Großvater vor seinem Ableben noch eine letzte Henkersmahlzeit. Obwohl er strengste Diät halten müßte, stopft er sich - gerade hat die Enkelin in der Küche ihre Brust dem Neffen "vorsichtig entgegengewölbt" - die fettigen Kartoffeln mit beiden Händen in den Mund. Im gierigen Griff zermatscht er sie bereits, als wolle er jetzt schon mit ihrer unmöglichen Verdauung beginnen. Als er in den Hausflur erbricht, ist das ungesunde Werk getan. Soviel Lust ist unerträglich und muß ausgespien werden. Der Körper arbeitet an seiner Selbstzerstörung, er will immer mehr von dem haben, womit er schon lange übersättigt ist: ein Trupp von Bulimisten der Sinnlichkeit.
Julia Francks Geschichten - und das macht sie auf den zweiten Blick interessant - sind so lieblos wie eine Hormonausschüttung. Im Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb las sie vor wenigen Wochen "Mir nichts, dir nichts" und gewann damit den 3sat-Preis. Tatsächlich gelingt es dieser Geschichte am sichersten, Sex und Grausamkeit zusammenzubringen. Noch spürt die Ich-Erzählerin Pauls Zunge auf ihren Flimmerhärchen, als ihre beste und Pauls eigentliche Freundin Emily völlig verzweifelt vor ihrer Haustür steht. Sie sucht ihren flüchtigen Liebhaber, der die Nacht über verschwunden ist und dem sie eine selbstgebackene Sahnetorte durch den Sommertag hinterherträgt. Während der Ich-Körper noch von Vereinigungsgerüchen überflutet wird, muß er die Freundin mit kalter Lüge abwimmeln. Was der Körper spürt, ist gewissenloser Lustekel: Seine Maschine kennt keinen Schmerz. Wer an der Erregung schaudern will, dem wird von Julia Francks eiskaltem Liebesengel eine Lektion bereitwillig erteilt. Von einer, die sich auszieht, das Gruseln zu lehren: Wer sich in diesen acht Geschichten auf seine Nase verläßt, wird an ihr herumgeführt.
Julia Franck: "Bauchlandung. Geschichten zum Anfassen". DuMont Buchverlag, Köln 2000. 111 S., geb., 29,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Sehr sexy."