In brillanten und meist auch zu wahren Kunstwerken zusammengestellten Aufnahmen stellt James Balog die wahren "Urväter"a ller Bäume vor - die größten, die ältesten, die eindrucksvollsten Bäume der USA. Er zeigt sie als einzigartige Persönlichkeiten, und erzählt dazu ihre Geschichten. Ein Baumbuch, wie es noch nie eines gegeben hat!
Bizarr geformte Stämme und Wurzeln, Baumriesen, deren Kronen in die Unendlichkeit des Himmels zu wachsen scheinen - die Bäume Nordamerikas zählen zu den urwüchsigsten unserer Erde. Sie stehen als Symbol für die Baumwelt auf allen Kontinenten, gleichsam als "Urväter" aller Bäume. Sechs Jahre lang hat James Balog die größten, ältesten und eindrucksvollsten Bäume seines Landes fotografiert. Seine Bilder zeigen ausgeprägte Persönlichkeiten wie die schier unglaubliche Eiche "Angel Oak" in South Carolina, deren Alter auf 1400 Jahre geschätzt wird, und die Borstenkiefer "Methuselah", den mit knapp 5000 Jahren ältesten bekannten Baum der Welt. Auch biologische Besonderheiten stellt Balog vor, etwa die aus 47.000 miteinander verwachsenen und aus genetisch identischen Bäumen bestehende Espenkolonie "Pando" in Utah, die als größter lebender Organismus der Welt gilt.
So individuell wie seine "Fotomodelle" ist auch sein fotografischer Ansatz. Eine seiner erstaunlichsten Entwicklungen sind die mosaikartig zusammengesetzten Porträts der gewaltigen Küstenmammutbäume, die im Buch als Ausklapptafeln gedruckt sind.
Das Zusammenspiel von innovativer Fotografie und informativen Essays macht diese prächtige Baumschau zu einem Band, der aus anderen Baumbüchern herausragt wie der "Methuselah" über seine Umgebung.
Bizarr geformte Stämme und Wurzeln, Baumriesen, deren Kronen in die Unendlichkeit des Himmels zu wachsen scheinen - die Bäume Nordamerikas zählen zu den urwüchsigsten unserer Erde. Sie stehen als Symbol für die Baumwelt auf allen Kontinenten, gleichsam als "Urväter" aller Bäume. Sechs Jahre lang hat James Balog die größten, ältesten und eindrucksvollsten Bäume seines Landes fotografiert. Seine Bilder zeigen ausgeprägte Persönlichkeiten wie die schier unglaubliche Eiche "Angel Oak" in South Carolina, deren Alter auf 1400 Jahre geschätzt wird, und die Borstenkiefer "Methuselah", den mit knapp 5000 Jahren ältesten bekannten Baum der Welt. Auch biologische Besonderheiten stellt Balog vor, etwa die aus 47.000 miteinander verwachsenen und aus genetisch identischen Bäumen bestehende Espenkolonie "Pando" in Utah, die als größter lebender Organismus der Welt gilt.
So individuell wie seine "Fotomodelle" ist auch sein fotografischer Ansatz. Eine seiner erstaunlichsten Entwicklungen sind die mosaikartig zusammengesetzten Porträts der gewaltigen Küstenmammutbäume, die im Buch als Ausklapptafeln gedruckt sind.
Das Zusammenspiel von innovativer Fotografie und informativen Essays macht diese prächtige Baumschau zu einem Band, der aus anderen Baumbüchern herausragt wie der "Methuselah" über seine Umgebung.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2007Giganten des Waldes
Baumporträts / Von Freddy Langer
Als die kleine Gruppe frommer Puritaner nach ihrer wochenlangen Fahrt über den Atlantik im Herbst des Jahres 1620 die amerikanische Ostküste dort erreicht hatte, wo sich heute Boston ins Land fräst, stand sie im Wald - einem Wald, von dem es heißt, er sei so dicht und ausgedehnt gewesen, dass ein Eichhörnchen bequem bis an den Golf von Mexiko hätte springen können, ohne je einen Fuß auf den Boden setzen zu müssen. Davon, dass er herrlich gewesen sei, war indes nie die Rede; im Gegenteil. Die Puritaner würdigten die Natur kaum eines Blicks. Vielmehr schauten sie durch die Bäume hindurch einem vermeintlich goldenen Zeitalter entgegen.
Mit Gottvertrauen und der Erinnerung an das auserwählte Volk Israel begriffen sie die Wildnis als eine Prüfung auf dem Weg ins neue Kanaan. Und wie trunken von ihren ständigen Bibelvergleichen, bezeichneten sie die Wälder sogar als "deserts", als Wüsten, die sie mit allen Mitteln urbar machen wollten. Eine Haltung, die für Amerika prägend werden sollte. Klagend stellte 1831 der Franzose Alexis de Tocqueville während seiner Reise durch die Vereinigten Staaten fest, dass die Amerikaner ihre wunderschönen Wälder wohl erst dann erkennen würden, wenn sie restlos abgeholzt seien. Bis heute ist angesichts des Kahlschlags entlang der Pazifikküste die Kritik nicht verhallt.
Erst vor diesem Hintergrund entfaltete James Balogs monumentales Künstlerbuch "Baumriesen" im vorigen Jahr seine volle Wirkung. Es ist eine Liebeserklärung an eine sterbende Spezies - zugleich mussten Naturschützer es als Aufforderung verstehen, nie nachzugeben mit ihren Protesten. Schaut ganz genau her, sagt er mit jeder seiner Aufnahmen, damit ihr begreift, was auf dem Spiel steht.
So genau wie Balog dürfte nie zuvor ein Fotograf Bäume betrachtet haben. Selbst in der jetzt erschienenen, kleinformatigen Volksausgabe, einer Art Bonsai-Version, wird auf jeder Seite deutlich, welch immensen Aufwand er getrieben hat, um nicht einfach Pflanzen zu zeigen, sondern Individuen. James Balog einen großartigen Naturfotografen zu nennen, wird deshalb ihm und seiner Arbeit nicht gerecht. Er schafft Porträts.
Dafür verwandelt er Parks und Wälder mit Hilfe riesiger, aufgespannter Leinwände hinter den Bäumen in Freiluftateliers, die er mit Scheinwerfern und Blitzanlagen mitunter dramatisch ausleuchtet. Oder er baumelt in mehr als hundert Meter Höhe wie ein Bergsteiger am Seil, um etwa der Krone eines Mammutbaums auf Augenhöhe zu begegnen. Auf dem Weg nach unten fotografiert er alle paar Meter schier endlose Serien über die gesamte Breite des Baums, dass er am Ende bis zu achthundert Aufnahmen auf den Chips seiner Digitalkamera gespeichert hat. Vier Wochen Arbeit braucht es dann, bis Balog die Bildchen am Computer passgenau und verzerrungsfrei übereinandergelegt hat. Nie erzeugten Bilder von den Giganten der kalifornischen Wälder beim Betrachter mehr Ehrfurcht. Selbstredend wollte Balog sich bei solch einem Projekt nicht mit den nächstbesten Bäumen zufriedengeben. Sechs Jahre lang fuhr er kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, ließ sich von Naturfreunden und Wissenschaftlern zu außergewöhnlichen Exemplaren führen und arbeitete das "National Register of Big Trees" ab, in dem die ältesten und größten, mächtigsten, höchsten und verzweigtesten Bäume des Landes verzeichnet sind. Zu den Rekordhaltern zählt ebenso der 138,45 Meter hohe "Stratosphere Giant" im Humboldt Redwoods State Park in Kalifornien, dessen genauer Standpunkt zum Schutz des Baums geheimgehalten wird, ebenso wie der Espenhain "Pando" am Fish Lake in Utah, wo siebenundvierzigtausend genetisch identische Bäume aus demselben Wurzelsystem entsprossen sind - es ist ein beliebter Treffpunkt junger Paare, die hier ihre Liebesschwüre in die Rinde schnitzen. Am Ende hatte James Balog zweiundneunzig Bäume fotografiert und siebenundvierzig Arten; darunter den ältesten Baum der Vereinigten Staaten, eine fast fünftausend Jahre alte Grannenkiefer, den größten Joshuabaum, den die Bewässerungsanlage eines Golfplatzes verwöhnt und der zwölf Meter dreißig erreicht hat, oder eine Platane, deren zweiundvierzig Meter breite Krone sie zum größten Baum Neuenglands macht. Die Jagd nach dem Superlativ begründet Balog mit prosaischer Distanz. "Große Bäume", schreibt er, "sind von vornehmer Gestalt." Aber dann fügt er bescheiden hinzu: "Sie lehren uns Demut."
"Baumriesen" von James Balog. Neuauflage im Kleinformat. Frederking & Thaler Verlag, München 2007. 192 Seiten, 192 Abbildungen. Gebunden, 29,90 Euro. ISBN 978-3-89405-542-4
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Baumporträts / Von Freddy Langer
Als die kleine Gruppe frommer Puritaner nach ihrer wochenlangen Fahrt über den Atlantik im Herbst des Jahres 1620 die amerikanische Ostküste dort erreicht hatte, wo sich heute Boston ins Land fräst, stand sie im Wald - einem Wald, von dem es heißt, er sei so dicht und ausgedehnt gewesen, dass ein Eichhörnchen bequem bis an den Golf von Mexiko hätte springen können, ohne je einen Fuß auf den Boden setzen zu müssen. Davon, dass er herrlich gewesen sei, war indes nie die Rede; im Gegenteil. Die Puritaner würdigten die Natur kaum eines Blicks. Vielmehr schauten sie durch die Bäume hindurch einem vermeintlich goldenen Zeitalter entgegen.
Mit Gottvertrauen und der Erinnerung an das auserwählte Volk Israel begriffen sie die Wildnis als eine Prüfung auf dem Weg ins neue Kanaan. Und wie trunken von ihren ständigen Bibelvergleichen, bezeichneten sie die Wälder sogar als "deserts", als Wüsten, die sie mit allen Mitteln urbar machen wollten. Eine Haltung, die für Amerika prägend werden sollte. Klagend stellte 1831 der Franzose Alexis de Tocqueville während seiner Reise durch die Vereinigten Staaten fest, dass die Amerikaner ihre wunderschönen Wälder wohl erst dann erkennen würden, wenn sie restlos abgeholzt seien. Bis heute ist angesichts des Kahlschlags entlang der Pazifikküste die Kritik nicht verhallt.
Erst vor diesem Hintergrund entfaltete James Balogs monumentales Künstlerbuch "Baumriesen" im vorigen Jahr seine volle Wirkung. Es ist eine Liebeserklärung an eine sterbende Spezies - zugleich mussten Naturschützer es als Aufforderung verstehen, nie nachzugeben mit ihren Protesten. Schaut ganz genau her, sagt er mit jeder seiner Aufnahmen, damit ihr begreift, was auf dem Spiel steht.
So genau wie Balog dürfte nie zuvor ein Fotograf Bäume betrachtet haben. Selbst in der jetzt erschienenen, kleinformatigen Volksausgabe, einer Art Bonsai-Version, wird auf jeder Seite deutlich, welch immensen Aufwand er getrieben hat, um nicht einfach Pflanzen zu zeigen, sondern Individuen. James Balog einen großartigen Naturfotografen zu nennen, wird deshalb ihm und seiner Arbeit nicht gerecht. Er schafft Porträts.
Dafür verwandelt er Parks und Wälder mit Hilfe riesiger, aufgespannter Leinwände hinter den Bäumen in Freiluftateliers, die er mit Scheinwerfern und Blitzanlagen mitunter dramatisch ausleuchtet. Oder er baumelt in mehr als hundert Meter Höhe wie ein Bergsteiger am Seil, um etwa der Krone eines Mammutbaums auf Augenhöhe zu begegnen. Auf dem Weg nach unten fotografiert er alle paar Meter schier endlose Serien über die gesamte Breite des Baums, dass er am Ende bis zu achthundert Aufnahmen auf den Chips seiner Digitalkamera gespeichert hat. Vier Wochen Arbeit braucht es dann, bis Balog die Bildchen am Computer passgenau und verzerrungsfrei übereinandergelegt hat. Nie erzeugten Bilder von den Giganten der kalifornischen Wälder beim Betrachter mehr Ehrfurcht. Selbstredend wollte Balog sich bei solch einem Projekt nicht mit den nächstbesten Bäumen zufriedengeben. Sechs Jahre lang fuhr er kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, ließ sich von Naturfreunden und Wissenschaftlern zu außergewöhnlichen Exemplaren führen und arbeitete das "National Register of Big Trees" ab, in dem die ältesten und größten, mächtigsten, höchsten und verzweigtesten Bäume des Landes verzeichnet sind. Zu den Rekordhaltern zählt ebenso der 138,45 Meter hohe "Stratosphere Giant" im Humboldt Redwoods State Park in Kalifornien, dessen genauer Standpunkt zum Schutz des Baums geheimgehalten wird, ebenso wie der Espenhain "Pando" am Fish Lake in Utah, wo siebenundvierzigtausend genetisch identische Bäume aus demselben Wurzelsystem entsprossen sind - es ist ein beliebter Treffpunkt junger Paare, die hier ihre Liebesschwüre in die Rinde schnitzen. Am Ende hatte James Balog zweiundneunzig Bäume fotografiert und siebenundvierzig Arten; darunter den ältesten Baum der Vereinigten Staaten, eine fast fünftausend Jahre alte Grannenkiefer, den größten Joshuabaum, den die Bewässerungsanlage eines Golfplatzes verwöhnt und der zwölf Meter dreißig erreicht hat, oder eine Platane, deren zweiundvierzig Meter breite Krone sie zum größten Baum Neuenglands macht. Die Jagd nach dem Superlativ begründet Balog mit prosaischer Distanz. "Große Bäume", schreibt er, "sind von vornehmer Gestalt." Aber dann fügt er bescheiden hinzu: "Sie lehren uns Demut."
"Baumriesen" von James Balog. Neuauflage im Kleinformat. Frederking & Thaler Verlag, München 2007. 192 Seiten, 192 Abbildungen. Gebunden, 29,90 Euro. ISBN 978-3-89405-542-4
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