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Computer sind dumm. Sie können sich nicht auf ihren menschlichen Gesprächspartner oder auf eine Situation einstellen, sie haben kein Bewußtsein von sich selbst, sie sind nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Wir wissen: Ohne Gefühle keine Intelligenz. Wird die "Denkmaschine" also immer ein künstlicher Idiot bleiben? Keineswegs! behauptet Dietrich Dörner, einem weiten Leserkreis in bester Erinnerung als Autor des amüsant-schockierenden Buches "Die Logik des Mißlingens". Wir können eine Maschine mit einer Seele ausstatten, aber dazu müssen wir wissen, was eigentlich unsere "Seele" ist,…mehr

Produktbeschreibung
Computer sind dumm. Sie können sich nicht auf ihren menschlichen Gesprächspartner oder auf eine Situation einstellen, sie haben kein Bewußtsein von sich selbst, sie sind nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Wir wissen: Ohne Gefühle keine Intelligenz. Wird die "Denkmaschine" also immer ein künstlicher Idiot bleiben? Keineswegs! behauptet Dietrich Dörner, einem weiten Leserkreis in bester Erinnerung als Autor des amüsant-schockierenden Buches "Die Logik des Mißlingens". Wir können eine Maschine mit einer Seele ausstatten, aber dazu müssen wir wissen, was eigentlich unsere "Seele" ist, worin sie besteht, was sie ausmacht. Und das tun wir am besten, indem wir uns eine Seele bauen. "Um die Seele zu erklären", sagt der Autor in einem "Spiegel"-Interview, "muß ich sie als informationsverarbeitendes System begreifen und sie auf ein mathematisches System bringen. Natürlich ist die Seele ein recht kompliziertes Gebilde. Der Grundbauplan allerdings ist gar nicht so schwer zu entschlüsseln." Um diesen "Grundbauplan" geht es in Dörners neuem Buch. Auf eine amüsant-lehrreiche Reise führt der Autor zum Inneren unseres Selbst.
Autorenporträt
Dietrich Dörner, geboren 1938 in Berlin, war Professor für Psychologie mit den Forschungsschwerpunkten Kognitive Psychologie, Denken und Handlungstheorie. Langjähriger Direktor des Instituts für Theoretische Psychologie der Universität Bamberg. Emeritiert im Jahre 2006. Er lebt mit seiner Familie in Bamberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.1999

Seelenwagen Marke Eigenbau
Der Hirnkasten und seine Einrichtung nach Dietrich Dörner

Dass eine Rechenmaschine bockig sein oder gar "streiken" kann, daran mussten wir uns zu unserem Leidwesen gewöhnen. Ihr blechernes Dasein zu genießen oder aber vor Wut aus dem Gehäuse zu geraten war bisher aber StarWars-Blechkisten vom Schlage R-Zwo/D-Zwo vorbehalten. Eine seelische Wahlverwandtschaft von Mensch und Maschine erscheint manchen Kognitionswissenschaftlern, Neurobiologen oder Künstliche-Intelligenz-Forschern aber nicht mehr länger als Stoff der Sciencefiction. Ist "Geist" nur noch eine Frage von Rechnerkapazitäten? Dietrich Dörner, der seit über zwanzig Jahren als Kognitionspsychologe und Handlungstheoretiker dem Denken auf der Spur ist, hat nun eine Summe seiner Forschungen vorgelegt, die durch ihre didaktischen Qualitäten hervorragend als Einführung in ein Feld dienen kann, das im kommenden Jahrhundert unser aller Leben verändern wird.

Dörners Grundthese lautet, "dass sich Denken, Fühlen, Wollen und Bewusstsein und was wir sonst an seelischen Prozessen unterscheiden mögen, aus den Merkmalen eines Steuerungssystems ergeben, bei dessen Entwicklung der Natur lediglich vorschwebte, uns an bestimmte Anforderungen anzupassen". Und das gelte nicht nur für die Grundbedürfnisse oder die Prozesse der Informationsverarbeitung, sondern auch für das "Bestreben, Gedichte zu verfassen oder zu lesen, die Gefühle beim Anhören von Mozarts Requiem, borniertem rechts- oder linksradikalem Dogmatismus, Religiosität, Jähzornsanfällen" und so weiter. Von philosophischer Seite sind solche Debatten bereits oft geführt worden. John R. Searle etwa wird des Kampfes gegen die kognitivistischen Spielarten der philosophy of mind nicht müde; erst kürzlich tat er in der "New York Review of Books" den Schachcomputer Deep Blue als tumben Blechhaufen ab. Dörner dagegen versucht erst gar nicht - bis auf einige Seitenhiebe im Kleingedruckten - den Fehdehandschuh aufzugreifen und logisch-argumentativ die Klingen zu kreuzen, sondern er greift gleich zum Lötkolben: Er beginnt mit ein paar simplen Regelkreisen, und was zunächst auf dem Niveau eines Kühlschranks vor sich hin klappert, wächst sich zu einem dampfbetriebenen Seelenwagen aus, der aus unerfindlichen Gründen den hässlichen griechischen Namen Psi tragen muss: eine virtuelle Seele als Gedankenflugsimulator.

Wie in der Neurowissenschaft üblich, betrachtet Dörner menschliche Nervenzellen als kleine Minicomputer, deren Prinzip von der biologischen Basis echter Zellen abstrahierbar ist. Neuronen sind Universalelemente, mit deren Verknüpfung die logischen Grundoperationen und damit im Prinzip alle denkbaren informationsverarbeitenden Prozesse ausführbar sind. "Und das heißt, man könnte annehmen, dass subjektive Empfindungen Vektormultiplikationen zugrunde liegen. Seele als Mathematik!" So lautet Dörners Heureka!

Auf dieser Basis schreitet der Autor fort und stattet seinen Schützling nach und nach mit allerlei im Kampf ums Dasein nützlichen Eigenschaften aus, mit Sinnesorganen, Lenkung, Gedächtnis und Herdentrieb. Von der Ausführung elementarer Handlungen zur Bedürfnisbefriedigung (Psi braucht Wasser und Treibstoff für seine Turbine) über verschiedene Stufen von Wahrnehmungsprozessen und ihre Verknüpfung mit Bewegungsreaktionen, über die vertrackten Probleme der Mustererkennung, das Erlernen von situationsadäquaten Handlungsketten, über Gedächtnis und Sprachfähigkeit bis zum Sozialverhalten und zum Selbstbewusstsein ist Psi am Ende seiner Evolution nichts Menschliches mehr fremd. Dörner macht sich sogar Gedanken darüber, dass seine Psis aus Langeweile auf dumme Gedanken kommen oder Substanzen schätzen lernen könnten, die ihr "Lustzentrum" direkt und dauerhaft auf Hochtouren bringen: der Roboter als Junkie - jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Wie das im Einzelnen geschieht, ist faszinierend mitzuverfolgen. Stellt man aber die Komplexität der Materie in Rechnung, dann ist der "Bauplan" ein populärwissenschaftliches Meisterwerk. Zahlreiche Grafiken dienen ebenso wie die einprägsamen Beispiele der reibungslosen Datenverarbeitung durch den Leser. Dörner wendet seine Thesen auf sein Buch selbst an: Wenn das Lustzentrum aktiviert ist, hat auch das Oberstübchen bessere Laune. Ohne die charmanten Anekdoten aus dem Bamberger Professorenalltag würde man es wohl kaum durch die mehr als achthundert Seiten schaffen. Man spürt zudem, dass Dörner sich den eigenen Kopf auch über scheinbar nebensächliche praktische Fragen zerbrochen hat; der Wille, sein Baby wirklich laufen zu sehen, verrät die Bastlernatur.

"Wenn Sie an den technischen Details nicht interessiert sind, können Sie nun das nachfolgende Kleingedruckte getrost überspringen. Allerdings entgeht Ihnen dann eine ganze Menge Bedenkenswertes und Interessantes." Der Teufel steckt jedoch nicht nur im Detail, sondern auch in der großen Linie. So ist es keineswegs unerheblich, ob die Strukturen der Informationsverarbeitung bei Psi der Wirklichkeit, also dem menschlichen Gehirn, entsprechen. Nach Dörner kommt es nur darauf an, was hinten rauskommt. Doch Sinn seiner Exkursionen in das Innenleben der Maschine ist ja der Nachweis, dass sich allzu menschliche Macken und Ticks aus der Hardware des Hirnkastens ableiten lassen. Weil Dörner als Psychologe nicht wirklich einen Homunculus konstruieren, sondern den Menschen verstehen will, reicht es nicht aus zu behaupten, dass auch uns so ähnlich die Impulse durch den Schädel flimmerten. Das ist ungefähr so, als wenn man den Eiffelturm aus Streichhölzern nachbaut und dann anhand des Modells die Statik des Originals abschätzen will.

Einen gewichtigen Einwand gegen diesen Argumentationstyp hatte Searle bereits 1980 in seinem berühmten Beispiel vom chinesischen Zimmer formuliert: Eine der chinesischen Sprache nicht mächtige Person könne, so Searle, trotzdem auf Fragen sinnvolle Antworten geben. Dazu müsste sie sich etwa in einem Zimmer mit umfangreichen Nachschlage- und Regelwerken befinden, die ihr für jeden beliebigen Input den "richtigen" Output ermöglichten. Mit einem Wort: Computer sind doof, denn sie rechnen nur statt zu denken. In einem klugen Exkurs zerlegt Dörner dieses Zimmer gekonnt in seine Bestandteile, so dass kein Stein der Argumente auf dem anderen bleibt. Searle müsse eine klare Trennung von Syntax und Semantik vornehmen, um letztere dem Menschen vorzubehalten. Dabei sei auch Bedeutungserzeugung nur eine formale Operation. Das Entscheidende sei nicht die Person im Zimmer, sondern die Regelwerke im Regal, die eine ganze Sprachtheorie beinhalten müssten. Und die Sprache ist für Dörner die "kognitive Explosion", die Selbstbewusstsein zwangsläufig hervorbringt, da damit eine Bezugnahme auf eigene innere Vorgänge möglich ist.

Doch ganz kann sich Dörner nicht aus der reduktionistischen Zwickmühle herauswinden - andernfalls wäre die Gleichberechtigung von Mensch und Maschine ja wohl schon im Grundgesetz fixiert und Searle wegen rassistischer Beleidigung eines IBM-Computers zur Zahlung von Schmerzensgeld verdonnert. Bei den zentralen Themen Gefühle, Bewusstsein und eben auch dem Verstehen von Bedeutungen muss der Seelenkundler zwangsläufig den Behaviouristen spielen, der sich allein für das beobachtbare Verhalten und nicht für innere Vorgänge interessiert. Anders als der Mensch sei sich Psi seiner Emotionen eben nicht bewusst. Er habe einfach welche und reagiere dementsprechend. Aber sind diese ohne Bewusstsein überhaupt denkbar?

Das Menschenbild, das sich aus der Modellbildung ergibt, ist überdies reichlich pessimistisch. Psi ist kein sympathischer Zeitgenosse, denn zum Ausführen seiner "konsummatorischen Endhandlungen" würde er vor der Verschrottung anderer wohl nicht zurückschrecken. Die Gefühle seines Geschöpfes kann Dörner aus methodischen Gründen letztlich nur auf den Eigennutz zurückführen, seine Moral ist im besten Fall utilitaristisch. Da hilft auch der Kunstgriff nicht, den Erhalt von anerkennenden "Legitimitätssignalen" zu einem messbaren Bedürfnis zu erklären. Psi verhält sich sozial, damit ihm später ein Artgenosse als Gegenleistung die Schrauben nachziehen und einen Ölwechsel nach allen Regeln der Kunst besorgen kann. Arterhaltung über das eigene Verrosten hinaus müßte Psi im Grunde aber schnuppe sein.

Dörner glaubt, die Philosophen hätten es sich in der Vergangenheit oft, etwa beim Problem der Willensfreiheit, zu kompliziert gemacht. Sein freches "Seht her, es geht doch ganz einfach" ist da verführerisch. Doch reicht es nicht aus, Selbstbewusstsein als Analyse des "Protokollgedächtnisses innerer Vorgänge" zu fassen. Den Problemen der Bewusstseinsphilosophie wird man auch mit dem Baukastenprinzip nicht so leicht entkommen.

RICHARD KÄMMERLINGS

Dietrich Dörner: "Bauplan für eine Seele". Rowohlt Verlag, Reinbek 1999. 831 S., Abb., geb., 58,- DM.

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