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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.05.2006

Der große Wurf eines jungen Studenten
Ein Klassiker voller Saft und Kraft
1950 erstmals erschienen, erlebt Benno Hubensteiners „Bayerische Geschichte” nunmehr seine 16. Auflage
Von Hans Kratzer
München - Es ist nun bereits 56 Jahre her, dass ein junger Student im stillen Neumarkt-St. Veit ein Buch vollendete, das mittlerweile zum überdauernden bayerischen Schriftgut gehört wie die Romane von Ludwig Thoma und Oskar Maria Graf sowie das große Wörterbuch von Andreas Schmeller. Die an Weihnachten 1950 erstmals erschienene „Bayerische Geschichte” von Benno Hubensteiner zählt zu den populärsten Büchern, die je in Bayern aufgelegt worden sind. Die Gesamtauflage geht mittlerweile auf die halbe Million zu, und noch immer hält die Nachfrage der Leser an. Soeben hat das Rosenheimer Verlagshaus das Buch in der 16. Auflage neu herausgegeben.
Dass sich der Name des 1924 in der Hallertau geborenen und 1985 gestorbenen Benno Hubensteiner nach wie vor einer großen Popularität erfreut, rührt vor allem von diesem frühen Geniestreich her. Doch auch seine anderen Bücher und Essaybände wie „Vom Geist des Barock” und „Land vor den Bergen” sind zeitlose Klassiker geworden. Zwei Jahre lang hatte der Student an seiner „Bayerischen Geschichte” gefeilt, zu der ihn sein Lehrer, der große Historiker Max Spindler, ermuntert hatte. Spindler hatte nicht nur früh den begabten Wissenschaftler erkannt, sondern auch dessen außergewöhnliches literarisches Talent. So flossen in seinem Buch das frische Universitätswissen, die Klassiker der bayerischen Geschichte und die Faszination des Bauernlandes, das er sich nach dem Krieg erwandert hatte, in einem großen Wurf zusammen. Hubensteiner ist nie ein staubtrockener Gelehrter gewesen. Alles, was er vortrug, hat er mit einer Kraft und Leidenschaft bewerkstelligt, dass ihm die Studenten in den Hörsälen der Münchner Universität die Türen einrannten. Eine Hubensteiner-Vorlesung war stets ein unvergessliches Erlebnis. Als Altbayer mit Leib und Seele redete und schrieb er, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Sein Hochdeutsch hatte zwar das äußere Gepräge, doch alles war „von Rhythmus, Bildkraft und Dynamik des angestammten Dialekts bestimmt”, wie Karl Schumann einmal schrieb.
Nach dem Studium war Hubensteiner Rundfunkredakteur, dann Fernsehdirektor beim Bayerischen Rundfunk, wo er Leute wie Dieter Wieland entdeckte. Schließlich wechselte er als Professor für Geschichte und Kunstgeschichte nach Passau, bis 1973 die Berufung an das Institut für Kirchengeschichte an der Ludwigs-Maximilians-Universität München folgte. Ein unerhörter Vorgang, denn damit brach die katholisch-theologische Fakultät erstmals mit dem Herkommen, nur Gelehrte aus dem geistlichen Stand zu ordentlichen Professoren zu erheben.
Eigenartigerweise wollte so mancher Kollege aus der Historikerzunft Hubensteiner nicht ernst nehmen. Sein Hang zum Essayistischen, seine Abneigung gegen allzu staubtrockene Wissenschaft war ihnen suspekt. Seine Stärke waren sein überbordendes Wissen über alle Disziplinen hinweg und die zusammenfassende Sicht historischer Abläufe, womit er ganz in der Tradition der universellen Historikerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts stand. Jede Exkursion mit ihm, jeder Besuch einer Kirche war ein Genuss, in wenigen Sätzen eröffnete er seinen Begleitern ungeahnte Ein- und Durchblicke und fand Bilder, die sich lebenslang im Gedächtnis festhakten.
Hubensteiners „Bayerische Geschichte” ist ein Volksbuch geworden, auch wenn das eine oder andere Detail dem heutigen Forschungsstand nicht mehr standhalten mag. Doch der unverwechselbare Stil des Buchs, die Synthese von wissenschaftlich fundierter Darstellung und erzählerischer Sensation ist bis heute unerreicht geblieben.
Benno Hubensteiner, Bayerische Geschichte, 16. Auflage, Rosenheimer Verlag, 19,90 Euro, ISBN 3-475-53756-7
Benno Hubensteiner (1924-1985).
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