Der vorliegende Band bildet den Auftakt einer auf sieben Bände angelegten Reihe zur Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1949 und 1973 am Beispiel Bayerns. Er beschäftigt sich mit der Erschließung des Landes, einem tief greifenden Prozess, der die Peripherie näher an die urbanen Zentren heranrücken ließ und das Gesicht des Freistaats vor allem im ländlichen Raum grundlegend veränderte. Die Beiträge dieses Bandes befassen sich mit Infrastrukturpolitik und Landesplanung, sie thematisieren die Energie-, Verkehrs- und Gesundheitspolitik sowie den Umbau des bayerischen Bildungssystems und die Rolle der Bundeswehr als Standortfaktor in strukturschwachen Regionen Bayerns. Diese Problemfelder sind von der Forschung bisher stark vernachlässigt worden - ganz zu Unrecht, denn schließlich hat die Erschließung des Landes Lebensverhältnisse und Lebenschancen breiter Bevölkerungsschichten nachhaltig beeinflusst. Aus dem Inhalt: Thomas Schlemmer, Hans Woller, Einleitung Stephan Deutinger, Eine "Lebensfrage für die bayerische Industrie". Energiepolitik und regionale Energieversorgung 1945 bis 1980 Alexander Gall, "Gute Straßen bis ins kleinste Dorf!" Verkehrspolitik und Landesplanung 1945 bis 1976 Ulrike Lindner, "Wir unterhalten uns ständig über den Milchpfennig, aber auf die Gesundheit wird sehr wenig geachtet." Gesundheitspolitik und medizinische Versorgung 1945 bis 1972 Winfried Müller, Ingo Schröder, Markus Mößlang, "Vor und liegt ein Bildungszeitalter." Umbau und Expansion - das bayerische Bildungssystem 1950 bis 1975 Wolfgang Schmidt, "Eine Garnison wäre eine feine Sache." Die Bundeswehr als Standortfaktor 1955 bis 1975 Aus der Presse: "Bei allen vorgestellten Beiträgen handelt es sich um eindringende, detailreiche und quellenfundierte Studien im Kontext der aktuellen allgemeinen Zeitgeschichtsforschung, denen teilweise Handbuchcharakter zukommt. ... Ein Meilenstein für diese zukünftige Forschung bedeutet der vorliegende informative und wegweisende Band zur jüngsten bayerischen Zeitgeschichte allemal." Johannes Merz, in: Bayerischer Staatsanzeiger, 02.11.2001 "Angesichts der starken strukturpolitischen Ausrichtung der Beiträge mag die Erwartung bestehen, der Leser habe sich auf eine trockene und mühselige Lektüre einzustellen. Diese Erwartung wird jedoch angenehm enttäuscht. Den Autoren gelingt es durchweg, die komplexen Gegenstände anschaulich und gut lesbar darzustellen." Michael Hollmann, in: FAZ vom 30.4.2002 "'Bayern im Bund' wird nicht nur endlich Licht in die dunkle Geschichte der fünfziger und sechziger Jahre bringen, sondern auf lange Zeit das Standardwerk zum Thema sein; [...]" Christian Jostmann, in: Süddeutsche Zeitung vom 29.01.2003
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2002Die Landeier und das Atomei
Das neue Bayern-Projekt des Instituts für Zeitgeschichte: Modernisierungsprozesse in den Jahren 1949 bis 1973
Thomas Schlemmer/Hans Woller (Herausgeber): Bayern im Bund. Band 1: Die Erschließung des Landes 1949 bis 1973. R. Oldenbourg Verlag, München 2001. VI und 458 Seiten, 39,80 Euro.
Die Zeit der frühen Bundesrepublik galt lange als eine Epoche politischer Restauration. Zu diesem Ergebnis kann leicht kommen, wer den Blick ausschließlich auf ihre Repräsentanten und die "große Politik" richtet, auf die internationale Entwicklung und die außenpolitische Emanzipation und Integration der Bundesrepublik. Wer aber den Blick nach innen wendet auf die Probleme und Entwicklungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Alltags, wird ebenso leicht zu dem Ergebnis kommen, daß die Nachkriegszeit eine Phase rasanter Strukturveränderungen, eine "Periode aufregender Modernisierung" (Hans-Peter Schwarz) war.
Die Forschung hat sich diesen Veränderungs- und zumeist auch Modernisierungsprozessen bislang nicht in dem Maße zugewandt, in dem sie die außen-, sicherheits- und deutschlandpolitischen Themen bearbeitet hat. Spätestens seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 sind aber die Entwicklungen, die in so kurzer Zeit zwei so unterschiedliche Gesellschaften hervorgebracht haben, immer stärker in das Blickfeld der Forschung gerückt. Auch das Institut für Zeitgeschichte verwies auf diese Schwerpunktverschiebung, als es im Oktober 1997 der Öffentlichkeit sein neues Bayern-Projekt vorstellte. Gegenstand von "Bayern im Bund" ist die politische Sozialgeschichte Bayerns in ihrer Interdependenz von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Seinen flexibel verstandenen Rahmen markieren die Jahre 1949 und 1973, Staatsgründung und Ölkrise. Die Ergebnisse des Projekts sollen in vier Monographien und drei Sammelbänden präsentiert werden.
Der erste Sammelband beschäftigt sich mit der "Erschließung des Landes", in Beiträgen von Stephan Deutinger zur Energiepolitik, Alexander Gall zur Verkehrspolitik, Ulrike Lindner zur Gesundheitspolitik, Winfried Müller, Ingo Schröder und Markus Mößlang zur Bildungspolitik und Wolfgang Schmidt zur Frage der Bundeswehr als Standortfaktor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen, inwieweit der forcierte Strukturwandel, der Bayern dauerhaft Anschluß an die "Industrieländer" Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen finden ließ, politisch steuerbar war und gesteuert wurde, wie er sich auf die Gesellschaft auswirkte und wie er Mentalitäten und politische Einstellungen beeinflußte.
In den Bereichen der Energieversorgung und des Verkehrswesens wurde der Wiederaufbau in besonderer Weise erschwert. Zur Beseitigung der Kriegsschäden kamen die neue Randlage Bayerns am "Eisernen Vorhang" und die damit verbundene Zerschneidung traditioneller Verbindungen nach Sachsen, Thüringen und Böhmen hinzu, auf die es vor dem Krieg wirtschaftlich stärker bezogen war als auf die westlichen Reichsgebiete. Es gelang, nicht nur diese Probleme, sondern auch die neuen Anforderungen zu bewältigen, die aus der rasant fortschreitenden Elektrifizierung und Motorisierung der Wirtschaft wie auch der privaten Haushalte erwuchsen.
Da im revierfernen Bayern Kohle teuer und eigene Energiequellen begrenzt waren, setzte die Staatsregierung früh auf die Nutzung alternativer Energieträger; in den fünfziger Jahren waren das Erdöl und Kernkraft. Um das neue Raffineriezentrum Ingolstadt mit Rohöl zu versorgen, förderte sie nachhaltig den Bau von transalpinen Pipelines; und das "Atomei" von Garching, der erste Forschungsreaktor der Bundesrepublik, avancierte geradezu zum Symbol einer neuen Energiepolitik, an der die Staatsregierung gegen alle Widerstände und bestärkt durch die Ölkrise von 1973 bis in die neunziger Jahre unbeirrt festgehalten hat.
Unbeirrt hielt die Staatsregierung auch am Bau des Main-Donau-Kanals fest, obwohl sie dieses mit dem Antransport der Ruhrkohle begründete Projekt mit ihrer Erdöl-Energiepolitik selbst entwertete. Ansonsten stand die Verkehrspolitik ganz im Zeichen des Straßenbaus. Der stetige Rückzug der chronisch krisengebeutelten Bahn "aus der Fläche" erzwang den Bau eines leistungsfähigen Straßennetzes, das die verkehrstechnische Anbindung eines Gewerbebetriebs zu einem zweitrangigen Standortfaktor werden ließ. Gleichzeitig erhöhte es die Mobilität der Bevölkerung in einem zuvor nicht geahnten Maße und trug damit wesentlich dazu bei, das im Flächenland Bayern besonders deutliche Stadt-Land-Gefälle zu nivellieren und die Lebensstile und Entwicklungschancen von Stadt- und Landbevölkerung anzugleichen.
Die Annäherung von Stadt und Land gehört auch zu den signifikantesten Tendenzen in den Bereichen der Gesundheits- und der Bildungspolitik. Es gelang, durch die Konsolidierung der Ernährungslage und der nach dem Krieg katastrophalen Wohnverhältnisse den allgemeinen Gesundheitsstand so anzuheben, daß die früher die Krankenstatistik prägenden Infektionskrankheiten, allen voran die Tuberkulose, deutlich hinter die neuen "degenerativen Zivilisationskrankheiten" wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurücktraten. Die seit dem Ende der fünfziger Jahre planmäßig verbesserte medizinische Infrastruktur, insbesondere der flächendeckende Ausbau des Krankenhauswesens, hat diese Entwicklung nachhaltig gefördert.
Während in den bisher genannten Bereichen die Handlungsspielräume der Staatsregierung durch komplexe Kompetenzverschränkungen zwischen Bund und Land begrenzt waren, besaß Bayern in der Ausgestaltung seines Bildungswesens viel weitgehendere Freiheiten, ausgenommen vielleicht der stark von Bundesmitteln abhängige Universitäts- und Forschungssektor. Es ist daher kein Zufall, daß in diesem Sektor die strukturpolitischen Vorstellungen von CSU und SPD stark auseinandertraten, die ansonsten so eng beieinanderlagen. Am deutlichsten wurde das bei der - trotz Widerstreben der CSU 1968 erfolgten - Aufhebung des Konfessionsschulprinzips und der Akademisierung der Volksschullehrerausbildung. Mit der Auflösung der Zwergschulen zugunsten eines durchgliederten Systems von Verbandsschulen und der Verdichtung des Netzes der höheren Schulen auch in ländlichen Gebieten wurde die Voraussetzung für die Erschließung wertvoller Bildungsreserven im Zeichen verbesserter Chancengleichheit geschaffen. Es hat dabei den Anschein, als habe das "Interregnum Hoegner" im Bildungsbereich wichtige, wenn nicht entscheidende Impulse gesetzt.
Wenn auch nicht alle Ergebnisse der vorliegenden Studien allein für Bayern gelten, der häufig gesuchte Vergleich insbesondere mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg macht doch die bayerischen Besonderheiten vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklungen sichtbar. Angesichts der starken strukturpolitischen Ausrichtung der Beiträge mag die Erwartung bestehen, der Leser habe sich auf eine trockene und mühselige Lektüre einzustellen. Diese Erwartung wird jedoch angenehm enttäuscht. Den Autoren gelingt es durchweg, die komplexen Gegenstände anschaulich und gut lesbar darzustellen. Nach dieser Vorgabe darf man den beiden folgenden Sammelbänden zu den Themen "Gesellschaft im Wandel" und "Politik und Kultur im föderativen Staat" gespannt entgegensehen.
MICHAEL HOLLMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das neue Bayern-Projekt des Instituts für Zeitgeschichte: Modernisierungsprozesse in den Jahren 1949 bis 1973
Thomas Schlemmer/Hans Woller (Herausgeber): Bayern im Bund. Band 1: Die Erschließung des Landes 1949 bis 1973. R. Oldenbourg Verlag, München 2001. VI und 458 Seiten, 39,80 Euro.
Die Zeit der frühen Bundesrepublik galt lange als eine Epoche politischer Restauration. Zu diesem Ergebnis kann leicht kommen, wer den Blick ausschließlich auf ihre Repräsentanten und die "große Politik" richtet, auf die internationale Entwicklung und die außenpolitische Emanzipation und Integration der Bundesrepublik. Wer aber den Blick nach innen wendet auf die Probleme und Entwicklungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Alltags, wird ebenso leicht zu dem Ergebnis kommen, daß die Nachkriegszeit eine Phase rasanter Strukturveränderungen, eine "Periode aufregender Modernisierung" (Hans-Peter Schwarz) war.
Die Forschung hat sich diesen Veränderungs- und zumeist auch Modernisierungsprozessen bislang nicht in dem Maße zugewandt, in dem sie die außen-, sicherheits- und deutschlandpolitischen Themen bearbeitet hat. Spätestens seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 sind aber die Entwicklungen, die in so kurzer Zeit zwei so unterschiedliche Gesellschaften hervorgebracht haben, immer stärker in das Blickfeld der Forschung gerückt. Auch das Institut für Zeitgeschichte verwies auf diese Schwerpunktverschiebung, als es im Oktober 1997 der Öffentlichkeit sein neues Bayern-Projekt vorstellte. Gegenstand von "Bayern im Bund" ist die politische Sozialgeschichte Bayerns in ihrer Interdependenz von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Seinen flexibel verstandenen Rahmen markieren die Jahre 1949 und 1973, Staatsgründung und Ölkrise. Die Ergebnisse des Projekts sollen in vier Monographien und drei Sammelbänden präsentiert werden.
Der erste Sammelband beschäftigt sich mit der "Erschließung des Landes", in Beiträgen von Stephan Deutinger zur Energiepolitik, Alexander Gall zur Verkehrspolitik, Ulrike Lindner zur Gesundheitspolitik, Winfried Müller, Ingo Schröder und Markus Mößlang zur Bildungspolitik und Wolfgang Schmidt zur Frage der Bundeswehr als Standortfaktor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen, inwieweit der forcierte Strukturwandel, der Bayern dauerhaft Anschluß an die "Industrieländer" Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen finden ließ, politisch steuerbar war und gesteuert wurde, wie er sich auf die Gesellschaft auswirkte und wie er Mentalitäten und politische Einstellungen beeinflußte.
In den Bereichen der Energieversorgung und des Verkehrswesens wurde der Wiederaufbau in besonderer Weise erschwert. Zur Beseitigung der Kriegsschäden kamen die neue Randlage Bayerns am "Eisernen Vorhang" und die damit verbundene Zerschneidung traditioneller Verbindungen nach Sachsen, Thüringen und Böhmen hinzu, auf die es vor dem Krieg wirtschaftlich stärker bezogen war als auf die westlichen Reichsgebiete. Es gelang, nicht nur diese Probleme, sondern auch die neuen Anforderungen zu bewältigen, die aus der rasant fortschreitenden Elektrifizierung und Motorisierung der Wirtschaft wie auch der privaten Haushalte erwuchsen.
Da im revierfernen Bayern Kohle teuer und eigene Energiequellen begrenzt waren, setzte die Staatsregierung früh auf die Nutzung alternativer Energieträger; in den fünfziger Jahren waren das Erdöl und Kernkraft. Um das neue Raffineriezentrum Ingolstadt mit Rohöl zu versorgen, förderte sie nachhaltig den Bau von transalpinen Pipelines; und das "Atomei" von Garching, der erste Forschungsreaktor der Bundesrepublik, avancierte geradezu zum Symbol einer neuen Energiepolitik, an der die Staatsregierung gegen alle Widerstände und bestärkt durch die Ölkrise von 1973 bis in die neunziger Jahre unbeirrt festgehalten hat.
Unbeirrt hielt die Staatsregierung auch am Bau des Main-Donau-Kanals fest, obwohl sie dieses mit dem Antransport der Ruhrkohle begründete Projekt mit ihrer Erdöl-Energiepolitik selbst entwertete. Ansonsten stand die Verkehrspolitik ganz im Zeichen des Straßenbaus. Der stetige Rückzug der chronisch krisengebeutelten Bahn "aus der Fläche" erzwang den Bau eines leistungsfähigen Straßennetzes, das die verkehrstechnische Anbindung eines Gewerbebetriebs zu einem zweitrangigen Standortfaktor werden ließ. Gleichzeitig erhöhte es die Mobilität der Bevölkerung in einem zuvor nicht geahnten Maße und trug damit wesentlich dazu bei, das im Flächenland Bayern besonders deutliche Stadt-Land-Gefälle zu nivellieren und die Lebensstile und Entwicklungschancen von Stadt- und Landbevölkerung anzugleichen.
Die Annäherung von Stadt und Land gehört auch zu den signifikantesten Tendenzen in den Bereichen der Gesundheits- und der Bildungspolitik. Es gelang, durch die Konsolidierung der Ernährungslage und der nach dem Krieg katastrophalen Wohnverhältnisse den allgemeinen Gesundheitsstand so anzuheben, daß die früher die Krankenstatistik prägenden Infektionskrankheiten, allen voran die Tuberkulose, deutlich hinter die neuen "degenerativen Zivilisationskrankheiten" wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurücktraten. Die seit dem Ende der fünfziger Jahre planmäßig verbesserte medizinische Infrastruktur, insbesondere der flächendeckende Ausbau des Krankenhauswesens, hat diese Entwicklung nachhaltig gefördert.
Während in den bisher genannten Bereichen die Handlungsspielräume der Staatsregierung durch komplexe Kompetenzverschränkungen zwischen Bund und Land begrenzt waren, besaß Bayern in der Ausgestaltung seines Bildungswesens viel weitgehendere Freiheiten, ausgenommen vielleicht der stark von Bundesmitteln abhängige Universitäts- und Forschungssektor. Es ist daher kein Zufall, daß in diesem Sektor die strukturpolitischen Vorstellungen von CSU und SPD stark auseinandertraten, die ansonsten so eng beieinanderlagen. Am deutlichsten wurde das bei der - trotz Widerstreben der CSU 1968 erfolgten - Aufhebung des Konfessionsschulprinzips und der Akademisierung der Volksschullehrerausbildung. Mit der Auflösung der Zwergschulen zugunsten eines durchgliederten Systems von Verbandsschulen und der Verdichtung des Netzes der höheren Schulen auch in ländlichen Gebieten wurde die Voraussetzung für die Erschließung wertvoller Bildungsreserven im Zeichen verbesserter Chancengleichheit geschaffen. Es hat dabei den Anschein, als habe das "Interregnum Hoegner" im Bildungsbereich wichtige, wenn nicht entscheidende Impulse gesetzt.
Wenn auch nicht alle Ergebnisse der vorliegenden Studien allein für Bayern gelten, der häufig gesuchte Vergleich insbesondere mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg macht doch die bayerischen Besonderheiten vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklungen sichtbar. Angesichts der starken strukturpolitischen Ausrichtung der Beiträge mag die Erwartung bestehen, der Leser habe sich auf eine trockene und mühselige Lektüre einzustellen. Diese Erwartung wird jedoch angenehm enttäuscht. Den Autoren gelingt es durchweg, die komplexen Gegenstände anschaulich und gut lesbar darzustellen. Nach dieser Vorgabe darf man den beiden folgenden Sammelbänden zu den Themen "Gesellschaft im Wandel" und "Politik und Kultur im föderativen Staat" gespannt entgegensehen.
MICHAEL HOLLMANN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Seit der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten 1990 hat sich, so der Rezensent Michael Hollmann, der Schwerpunkt der Deutschlandforschung von der Betrachtung der "großen Politik" auf die Erfassung von Strukturveränderungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Alltag verschoben, die "rasante" Entwicklung unterschiedlicher Gesellschaften sei das Thema der Stunde. So auch im neuen Bayern-Projekt "Bayern im Bund", welches seine Forschungsergebnisse in diesem ersten Sammelband "Erschließung des Landes" und den zwei später folgenden Sammelbänden "Gesellschaft im Wandel" und "Politik und Kultur im föderativen Staat" sowie vier Monografien vorstellt, wie Hollmann erwartungsvoll ankündigt. Im Zentrum stehe die Frage, wie es dem armen Agrarland Bayern - trotz Abbruch der traditionellen Handelsverbindungen mit Sachsen, Thüringen und Böhmen - gelingen konnte, nachhaltig zu den Industrieländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfahlen aufzuschließen, und weiter, ob dieser Prozess "politisch steuerbar war und gesteuert wurde" und wie sich die Entwicklung in Mentalität und politischer Einstellung bemerkbar mache. Die Untersuchung beschränke sich dabei auf den Zeitraum zwischen der deutschen Staatsgründung (1949) und Ölkrise (1973). Hollmann beleuchtet mit den Autoren die Hintergründe des "unbeirrbaren" bayerischen Votums für Kernenergie und Baumaßnahmen wie den Main-Donau-Kanal oder den großzügigen Ausbau des Verkehrsnetzes sowie das bayerische Verbandschulsystem. Der Rezensent freut sich, die komplexen Gegenstände durch alle Bereiche der Politik "anschaulich und gut lesbar" dargestellt zu sehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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