Agu, a young boy in an unnamed West African nation, is recruited into a unit of guerrilla fighters as civil war engulfs his country. In a powerful, strikingly original debut that vividly captures Agu's youth and confusion, Iweala has produced a harrowing, deeply affecting novel.
"Remarkable. . . . Iweala never wavers from a gripping, pulsing narrative voice. . . . He captures the horror of ethnic violence in all its brutality and the vulnerability of youth in all its innocence." -Entertainment Weekly (A)
The harrowing, utterly original debut novel by Uzodinma Iweala about the life of a child soldier in a war-torn African country
As civil war rages in an unnamed West-African nation, Agu, the school-aged protagonist of this stunning novel, is recruited into a unit of guerilla fighters. Haunted by his father's own death at the hands of militants, which he fled just before witnessing, Agu is vulnerable to the dangerous yet paternal nature of his new commander.
While the war rages on, Agu becomes increasingly divorced from the life he had known before the conflict started-a life of school friends, church services, and time with his family, still intact. As he vividly recalls these sunnier times, his daily reality continues to spin further downward into inexplicable brutality, primal fear, and loss of selfhood.
In a powerful, strikingly original voice, Uzodinma Iweala leads the reader through the random travels, betrayals, and violence that mark Agu's new community. Electrifying and engrossing, Beasts of No Nation announces the arrival of an extraordinary writer.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
"Remarkable. . . . Iweala never wavers from a gripping, pulsing narrative voice. . . . He captures the horror of ethnic violence in all its brutality and the vulnerability of youth in all its innocence." -Entertainment Weekly (A)
The harrowing, utterly original debut novel by Uzodinma Iweala about the life of a child soldier in a war-torn African country
As civil war rages in an unnamed West-African nation, Agu, the school-aged protagonist of this stunning novel, is recruited into a unit of guerilla fighters. Haunted by his father's own death at the hands of militants, which he fled just before witnessing, Agu is vulnerable to the dangerous yet paternal nature of his new commander.
While the war rages on, Agu becomes increasingly divorced from the life he had known before the conflict started-a life of school friends, church services, and time with his family, still intact. As he vividly recalls these sunnier times, his daily reality continues to spin further downward into inexplicable brutality, primal fear, and loss of selfhood.
In a powerful, strikingly original voice, Uzodinma Iweala leads the reader through the random travels, betrayals, and violence that mark Agu's new community. Electrifying and engrossing, Beasts of No Nation announces the arrival of an extraordinary writer.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2008Du sollst töten
Das Morden hat seinen eigenen Sound: Uzodinma Iweala erzählt literarisch anspruchsvoll von der Hölle eines Kindersoldatenlebens. Das Buch ist kein Erfahrungsbericht.
Darf man das? Über das schlimmste Leiden in Ich-Perspektive schreiben, ohne dass man es selbst erlebt hat? Man kann und darf es. Zumindest dann, wenn man es so macht wie Uzodinma Iweala in seinem ersten Roman über einen afrikanischen Kindersoldaten. Vor drei Jahren wurde "Du sollst Bestie sein!" (im Original: "Beasts of no nation") in den Vereinigten Staaten als Sensation gefeiert. Das Debüt des damals dreiundzwanzigjährigen Harvard-Studenten beeindruckte die Kritiker weniger wegen seines skandalträchtigen Themas als aufgrund seiner ungewöhnlichen Sprache.
Denn Agu, der neunjährige Ich-Erzähler des Romans, bilanziert sein soldatisches Martyrium in einem eigenwilligen Singsang aus einfachen, lautmalerischen Beschreibungen. Es ist der traurigste Singsang, den man sich für einen Jungen vorstellen kann. Eine dem Augenblick verhaftete Ballade der Angst, der Schuld und des Sterbens, so grausam, dass Agu sie hastig erzählt und dabei immer wieder Artikel und Wortendungen verschluckt. "It's starting like this", beginnt er seinen Bericht im Original, "I am feeling itch like insect is crawling on my skin (. . .) and I am hearing so many thing: (. . .) and then the sound of somebody shouting TAKE YOUR POSITION RIGHT NOW!"
Iweala, der in Washington aufgewachsene Sohn einer nigerianischen Politikerin, lässt seinen Ich-Erzähler nicht ohne Grund viel "Present Progressive" benutzen: die englische Verlaufsform der Gegenwart. Sowenig Agu das erlebte Grauen überwunden hat, so wenig kennt seine Chronik grammatikalisch die Vergangenheit. Stattdessen versetzt er den Leser mitten in die Hölle eines Krieges, der im Kopf des Erzählers nie aufgehört hat, auch wenn er schon lange nicht mehr in den Kampf ziehen muss.
Für Agu sind die Massaker, die Vergewaltigungen, die Toten und die blindwütigen Zerstörungen aktuell. Und er erzählt davon, als würde alles gerade erst wieder geschehen. Wie aber übersetzt man einen solchen, eigentlich unübersetzbaren Bericht? Marcus Ingendaay hat das Beste aus der Unmöglichkeit gemacht, indem er Agu ein schnoddriges, kumpelhaftes Präsens in den Mund legt. "Das fängt so an", beginnt seine deutsche Übersetzung. "Mich juckt's, wie wenn Insekten auf meiner Haut krabbeln. (. . .) Ich hör' so viel Sachen auf einmal: (. . .) und dann, wie einer brüllt ALLE MANN ABSITZEN UND SICHERN!"
Agu ist zu jung und vor allem zu traumatisiert, um das, was ihm angetan wurde, im Nachhinein einordnen zu können. Also bewertet er in seinem Report so gut wie gar nichts, sondern beschränkt sich weitgehend darauf, rein faktisch nachzuerzählen, wofür ihm das Verständnis fehlt. Bei den schlimmsten Verbrechen aber versagen ihm selbst die einfachsten Worte. Da muss Agu dann hilflos auf Comic-Ausdrücke zurückgreifen. Und spricht von "Kawudd" oder "Katschakk". Harmlos klingende Kraftausdrücke, die an das "Zosch!" oder "Krawumm!" aus Mickey-Maus-Heften erinnern - und doch nichts Geringeres als den Sound des Tötens nachahmen.
"Kawudd" machte es, wenn Agu jemandem auf die Brust sprang, bis derjenige Blut spuckte. "Katschakk" machte es, wenn er mit seiner Machete auf wehrlose Menschen einhackte. Wie alle Kindersoldaten ist auch Iwealas Erzähler Opfer und Täter zugleich. Nachdem sein Dorf in einem nicht näher spezifizierten Bürgerkrieg irgendwo in Westafrika von Rebellen gestürmt wurde - und die Angreifer seinen Vater vor Agus Augen umgebracht haben, stellt ein "Kommandant" den Neunjährigen vor die Wahl: Entweder er schließt sich den Rebellen an, oder er muss ebenfalls sterben.
Für ein Gewehr ist Agu noch zu klein, also bekommt er eine Machete. "Gar nicht drüber nachdenken", rät ihm ein "Leftenant" der Truppe vor dem ersten Tötungsauftrag. Der Zwangsrekrutierte soll einen weinenden, knienden Mann niedermetzeln. Hier muss der Kommandant dem zitternden Jungen noch die Hand führen, während die anderen Soldaten lachend danebenstehen. Doch schon bald nehmen Agus Hemmungen zu "killen" ab. Aus dem Lehrersohn, der vor dem Krieg gern in der Bibel gelesen hat, wird ein skrupelloser Auftragsmörder, der - angeheizt durch die Droge "Gun-Juice" - auch bei Frauen und Mädchen kein Erbarmen kennt, obwohl sie ihn an seine geflohene Mutter und Schwester erinnern. Einmal meint Agu im Blutrausch sogar: "Ich mag das Geräusch, wenn Machete in Fleisch hackt."
Dennoch fühlt man erstaunlicherweise durchgehend Mitleid mit Iwealas Kindersoldaten, weil der Autor ohne Voyeurismus und Effekthascherei zeigt, wie aus dem eigentlich gottesfürchtigen Jungen ein "Teufel" werden konnte. Agu hungert, muss auf dem Boden schlafen, wird vom Kommandanten vergewaltigt und schikaniert. Ein beispielhaftes Schicksal für die nach UN-Schätzungen 300 000 Kindersoldaten weltweit, das Iweala aus mehreren Erfahrungsberichten ehemaliger Rekruten zusammengesetzt hat. Nur die Erinnerung an seine Familie und der Traum, später einmal Ingenieur oder Arzt zu werden, halten Agu bis zuletzt aufrecht. Eine Erlösungsphantasie, die allerdings trotz seiner späteren Rettung kaum Chancen auf Verwirklichung hat. Denn: "Ich hab' mehr schlimme Sachen gesehn als zehntausend Leute zusammen. Ich hab' mehr schlimme Sachen gemacht als zwanzigtausend zusammen." Und so viele Dämonen, das ahnt auch er, wird man sein Leben lang nicht wieder los.
GISA FUNCK
Uzodinma Iweala: "Du sollst Bestie sein!" Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay. Ammann Verlag, Zürich 2008. 160 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Morden hat seinen eigenen Sound: Uzodinma Iweala erzählt literarisch anspruchsvoll von der Hölle eines Kindersoldatenlebens. Das Buch ist kein Erfahrungsbericht.
Darf man das? Über das schlimmste Leiden in Ich-Perspektive schreiben, ohne dass man es selbst erlebt hat? Man kann und darf es. Zumindest dann, wenn man es so macht wie Uzodinma Iweala in seinem ersten Roman über einen afrikanischen Kindersoldaten. Vor drei Jahren wurde "Du sollst Bestie sein!" (im Original: "Beasts of no nation") in den Vereinigten Staaten als Sensation gefeiert. Das Debüt des damals dreiundzwanzigjährigen Harvard-Studenten beeindruckte die Kritiker weniger wegen seines skandalträchtigen Themas als aufgrund seiner ungewöhnlichen Sprache.
Denn Agu, der neunjährige Ich-Erzähler des Romans, bilanziert sein soldatisches Martyrium in einem eigenwilligen Singsang aus einfachen, lautmalerischen Beschreibungen. Es ist der traurigste Singsang, den man sich für einen Jungen vorstellen kann. Eine dem Augenblick verhaftete Ballade der Angst, der Schuld und des Sterbens, so grausam, dass Agu sie hastig erzählt und dabei immer wieder Artikel und Wortendungen verschluckt. "It's starting like this", beginnt er seinen Bericht im Original, "I am feeling itch like insect is crawling on my skin (. . .) and I am hearing so many thing: (. . .) and then the sound of somebody shouting TAKE YOUR POSITION RIGHT NOW!"
Iweala, der in Washington aufgewachsene Sohn einer nigerianischen Politikerin, lässt seinen Ich-Erzähler nicht ohne Grund viel "Present Progressive" benutzen: die englische Verlaufsform der Gegenwart. Sowenig Agu das erlebte Grauen überwunden hat, so wenig kennt seine Chronik grammatikalisch die Vergangenheit. Stattdessen versetzt er den Leser mitten in die Hölle eines Krieges, der im Kopf des Erzählers nie aufgehört hat, auch wenn er schon lange nicht mehr in den Kampf ziehen muss.
Für Agu sind die Massaker, die Vergewaltigungen, die Toten und die blindwütigen Zerstörungen aktuell. Und er erzählt davon, als würde alles gerade erst wieder geschehen. Wie aber übersetzt man einen solchen, eigentlich unübersetzbaren Bericht? Marcus Ingendaay hat das Beste aus der Unmöglichkeit gemacht, indem er Agu ein schnoddriges, kumpelhaftes Präsens in den Mund legt. "Das fängt so an", beginnt seine deutsche Übersetzung. "Mich juckt's, wie wenn Insekten auf meiner Haut krabbeln. (. . .) Ich hör' so viel Sachen auf einmal: (. . .) und dann, wie einer brüllt ALLE MANN ABSITZEN UND SICHERN!"
Agu ist zu jung und vor allem zu traumatisiert, um das, was ihm angetan wurde, im Nachhinein einordnen zu können. Also bewertet er in seinem Report so gut wie gar nichts, sondern beschränkt sich weitgehend darauf, rein faktisch nachzuerzählen, wofür ihm das Verständnis fehlt. Bei den schlimmsten Verbrechen aber versagen ihm selbst die einfachsten Worte. Da muss Agu dann hilflos auf Comic-Ausdrücke zurückgreifen. Und spricht von "Kawudd" oder "Katschakk". Harmlos klingende Kraftausdrücke, die an das "Zosch!" oder "Krawumm!" aus Mickey-Maus-Heften erinnern - und doch nichts Geringeres als den Sound des Tötens nachahmen.
"Kawudd" machte es, wenn Agu jemandem auf die Brust sprang, bis derjenige Blut spuckte. "Katschakk" machte es, wenn er mit seiner Machete auf wehrlose Menschen einhackte. Wie alle Kindersoldaten ist auch Iwealas Erzähler Opfer und Täter zugleich. Nachdem sein Dorf in einem nicht näher spezifizierten Bürgerkrieg irgendwo in Westafrika von Rebellen gestürmt wurde - und die Angreifer seinen Vater vor Agus Augen umgebracht haben, stellt ein "Kommandant" den Neunjährigen vor die Wahl: Entweder er schließt sich den Rebellen an, oder er muss ebenfalls sterben.
Für ein Gewehr ist Agu noch zu klein, also bekommt er eine Machete. "Gar nicht drüber nachdenken", rät ihm ein "Leftenant" der Truppe vor dem ersten Tötungsauftrag. Der Zwangsrekrutierte soll einen weinenden, knienden Mann niedermetzeln. Hier muss der Kommandant dem zitternden Jungen noch die Hand führen, während die anderen Soldaten lachend danebenstehen. Doch schon bald nehmen Agus Hemmungen zu "killen" ab. Aus dem Lehrersohn, der vor dem Krieg gern in der Bibel gelesen hat, wird ein skrupelloser Auftragsmörder, der - angeheizt durch die Droge "Gun-Juice" - auch bei Frauen und Mädchen kein Erbarmen kennt, obwohl sie ihn an seine geflohene Mutter und Schwester erinnern. Einmal meint Agu im Blutrausch sogar: "Ich mag das Geräusch, wenn Machete in Fleisch hackt."
Dennoch fühlt man erstaunlicherweise durchgehend Mitleid mit Iwealas Kindersoldaten, weil der Autor ohne Voyeurismus und Effekthascherei zeigt, wie aus dem eigentlich gottesfürchtigen Jungen ein "Teufel" werden konnte. Agu hungert, muss auf dem Boden schlafen, wird vom Kommandanten vergewaltigt und schikaniert. Ein beispielhaftes Schicksal für die nach UN-Schätzungen 300 000 Kindersoldaten weltweit, das Iweala aus mehreren Erfahrungsberichten ehemaliger Rekruten zusammengesetzt hat. Nur die Erinnerung an seine Familie und der Traum, später einmal Ingenieur oder Arzt zu werden, halten Agu bis zuletzt aufrecht. Eine Erlösungsphantasie, die allerdings trotz seiner späteren Rettung kaum Chancen auf Verwirklichung hat. Denn: "Ich hab' mehr schlimme Sachen gesehn als zehntausend Leute zusammen. Ich hab' mehr schlimme Sachen gemacht als zwanzigtausend zusammen." Und so viele Dämonen, das ahnt auch er, wird man sein Leben lang nicht wieder los.
GISA FUNCK
Uzodinma Iweala: "Du sollst Bestie sein!" Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay. Ammann Verlag, Zürich 2008. 160 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2008Der universelle Kindersoldat
Uzodinma Iwealas verstörendes Buch „Du sollst Bestie sein”
Glaubt man, dass sich gute Literatur vor allem aus Erfahrung speist, dann nimmt man dieses Buch nicht in die Hand. Uzodinma Iweala hat keine Erfahrung mit Krieg, er hat nie einen erlebt, schon gar keinen mit Kindersoldaten, und die Länder, in denen diese minderjährigen Killer besonders gewütet haben, Sierra Leone und Liberia, hat er auch noch nie besucht. Der US-Nigerianer wurde vor 25 Jahren in Amerika geboren, wuchs dort und auch in Lagos auf und studiert derzeit Medizin in Harvard. Sein Vater ist Chirurg, seine Mutter war Außen- und Finanzministerin in Nigeria und arbeitet nun wieder für die Weltbank, wo sie schon Vize-Präsidentin war. Wie kann sich einer, der vom Leben so verwöhnt wird, anmaßen, in die Haut eines Kindersoldaten zu schlüpfen und aus dessen Perspektive zu schreiben?
Uzodinma Iweala lacht bei dieser Frage. „Klar”, sagt er, „was zum Teufel schreib ich da? Ich habe ja noch nicht mal mit Kindersoldaten gearbeitet oder sie interviewt.” Dann aber erzählt er, wie er einst eine ehemalige ugandische Kindersoldatin getroffen hat, wie ihn deren Schicksal nicht mehr losließ und wie er danach an Forschungsprojekten zu diesem Thema mitgearbeitet hat. Aber all diese Rechtfertigungen sind nicht nötig. Man muss nur sein jetzt auf Deutsch erschienenes Buch „Du sollst Bestie sein!” lesen, um zu wissen, dass er ein einzigartiges Werk vorgelegt hat.
Iweala belässt es nicht dabei, lediglich die Geschichte des Knaben Agu zu erzählen, der seine Eltern im Krieg verliert und von einer marodierenden Miliz zwangsrekrutiert wird. Er zwingt den Leser von der ersten Zeile an in die Wahrnehmung des Kindes, und aus dieser Hölle kommt man bis zum Schluss nicht mehr heraus. Es gibt keine Distanz, keine Ruhepause, keine Möglichkeit, das alles mal von außen zu betrachten. Der Roman ist ein zutiefst verstörender Monolog, voller Kindlichkeit, voller Unschuld, voller Grausamkeit, voller Verzweiflung. Agu wird zum Mörder dressiert, ernährt sich von Ratten und Blättern, riecht immerzu Leichengestank, wird von Ungeziefer, Schlamm und gewaltigen Regengüssen gequält und findet Erleichterung nur mit Rauschgift.
Einmal wird der Knabe, der von seinem Kommandanten regelmäßig sexuell missbraucht wird, gezwungen, mit seinen Kameraden eine Mutter zu vergewaltigen, aber an deren Hand klammert sich die Tochter fest. „Ich zieh an Mädchen, aber die lässt ihre Mutter nicht los. Die halten sich so fest, wie wenn beide einziges Tier sind. Strika hilft mit, und wir ziehen jetzt beide an dem Mädchen, bis ihr Bein bricht, aber sie lässt immer noch nicht los. Sie schreit, und ich seh, wie ihr Atem aus dem Mund kommt, sonst nichts, einfach wie ihr Atem rauskommt.” Dann hackt sein Freund Strika dem Mädchen die Hand ab, und Agu wundert sich, dass es keinen Laut von sich gibt. „Kommandant sagt, sie ist der Feind, sie hat unser Essen gestohlen und meine Familie gekillt, weil sie ist eben der Feind. Ich spring auf ihre Brust Kawudd, Kawudd, und ich spring auf ihren Kopf, Kawudd, bis nur noch Blut aus ihrem Mund rauskommt.”
Der Roman, für den der Übersetzer Marcus Ingendaay eine beeindruckende deutsche Sprache gefunden hat, spielt an keinem konkreten Ort, in keinem konkreten Krieg, und Iweala hat in der englischen Originalversion „Beasts of No Nation” für Agu auch eine eigene Sprache erfunden, die so nirgendwo gesprochen wird, eine Mischung aus Pidgin-, Kreol- und Kindersprache. Somit ist der Roman reine Fiktion, aber gerade dadurch wirkt er so universell. Es sei ihm nicht nur um die Kindersoldaten Afrikas gegangen, sagt Uzodinma Iweala, sondern darum, durch welche Mechanismen Kinder in extremen Gewaltmilieus sozialisiert werden. Deshalb könne man das Buch auch als Parabel lesen, wie kriminelle Gangs in den USA sich ihren Nachwuchs großziehen.
Als „Beasts of No Nation” 2005 erschienen ist, wurde es in Amerika als literarische Sensation gefeiert. Iweala bekam dafür alle wichtigen Debütpreise, darunter den John Llewellyn Rhys Prize, mit dem schon V.S. Naipaul und William Boyd ausgezeichnet wurden. Das größte Lob aber bekam er wohl von Salman Rushdie: „Man liest und denkt, der wird noch sehr, sehr groß werden.”
MICHAEL BITALA
UZODINMA IWEALA: Du sollst Bestie sein! Aus dem Englischen übersetzt von Marcus Ingendaay. Ammann Verlag, Zürich 2008. 160 Seiten, 18,90 Euro.
Der Autor Uzodinma Iweala, aus bester nigerianischer Familie, wuchs in den USA auf Foto: Picture-Alliance
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Uzodinma Iwealas verstörendes Buch „Du sollst Bestie sein”
Glaubt man, dass sich gute Literatur vor allem aus Erfahrung speist, dann nimmt man dieses Buch nicht in die Hand. Uzodinma Iweala hat keine Erfahrung mit Krieg, er hat nie einen erlebt, schon gar keinen mit Kindersoldaten, und die Länder, in denen diese minderjährigen Killer besonders gewütet haben, Sierra Leone und Liberia, hat er auch noch nie besucht. Der US-Nigerianer wurde vor 25 Jahren in Amerika geboren, wuchs dort und auch in Lagos auf und studiert derzeit Medizin in Harvard. Sein Vater ist Chirurg, seine Mutter war Außen- und Finanzministerin in Nigeria und arbeitet nun wieder für die Weltbank, wo sie schon Vize-Präsidentin war. Wie kann sich einer, der vom Leben so verwöhnt wird, anmaßen, in die Haut eines Kindersoldaten zu schlüpfen und aus dessen Perspektive zu schreiben?
Uzodinma Iweala lacht bei dieser Frage. „Klar”, sagt er, „was zum Teufel schreib ich da? Ich habe ja noch nicht mal mit Kindersoldaten gearbeitet oder sie interviewt.” Dann aber erzählt er, wie er einst eine ehemalige ugandische Kindersoldatin getroffen hat, wie ihn deren Schicksal nicht mehr losließ und wie er danach an Forschungsprojekten zu diesem Thema mitgearbeitet hat. Aber all diese Rechtfertigungen sind nicht nötig. Man muss nur sein jetzt auf Deutsch erschienenes Buch „Du sollst Bestie sein!” lesen, um zu wissen, dass er ein einzigartiges Werk vorgelegt hat.
Iweala belässt es nicht dabei, lediglich die Geschichte des Knaben Agu zu erzählen, der seine Eltern im Krieg verliert und von einer marodierenden Miliz zwangsrekrutiert wird. Er zwingt den Leser von der ersten Zeile an in die Wahrnehmung des Kindes, und aus dieser Hölle kommt man bis zum Schluss nicht mehr heraus. Es gibt keine Distanz, keine Ruhepause, keine Möglichkeit, das alles mal von außen zu betrachten. Der Roman ist ein zutiefst verstörender Monolog, voller Kindlichkeit, voller Unschuld, voller Grausamkeit, voller Verzweiflung. Agu wird zum Mörder dressiert, ernährt sich von Ratten und Blättern, riecht immerzu Leichengestank, wird von Ungeziefer, Schlamm und gewaltigen Regengüssen gequält und findet Erleichterung nur mit Rauschgift.
Einmal wird der Knabe, der von seinem Kommandanten regelmäßig sexuell missbraucht wird, gezwungen, mit seinen Kameraden eine Mutter zu vergewaltigen, aber an deren Hand klammert sich die Tochter fest. „Ich zieh an Mädchen, aber die lässt ihre Mutter nicht los. Die halten sich so fest, wie wenn beide einziges Tier sind. Strika hilft mit, und wir ziehen jetzt beide an dem Mädchen, bis ihr Bein bricht, aber sie lässt immer noch nicht los. Sie schreit, und ich seh, wie ihr Atem aus dem Mund kommt, sonst nichts, einfach wie ihr Atem rauskommt.” Dann hackt sein Freund Strika dem Mädchen die Hand ab, und Agu wundert sich, dass es keinen Laut von sich gibt. „Kommandant sagt, sie ist der Feind, sie hat unser Essen gestohlen und meine Familie gekillt, weil sie ist eben der Feind. Ich spring auf ihre Brust Kawudd, Kawudd, und ich spring auf ihren Kopf, Kawudd, bis nur noch Blut aus ihrem Mund rauskommt.”
Der Roman, für den der Übersetzer Marcus Ingendaay eine beeindruckende deutsche Sprache gefunden hat, spielt an keinem konkreten Ort, in keinem konkreten Krieg, und Iweala hat in der englischen Originalversion „Beasts of No Nation” für Agu auch eine eigene Sprache erfunden, die so nirgendwo gesprochen wird, eine Mischung aus Pidgin-, Kreol- und Kindersprache. Somit ist der Roman reine Fiktion, aber gerade dadurch wirkt er so universell. Es sei ihm nicht nur um die Kindersoldaten Afrikas gegangen, sagt Uzodinma Iweala, sondern darum, durch welche Mechanismen Kinder in extremen Gewaltmilieus sozialisiert werden. Deshalb könne man das Buch auch als Parabel lesen, wie kriminelle Gangs in den USA sich ihren Nachwuchs großziehen.
Als „Beasts of No Nation” 2005 erschienen ist, wurde es in Amerika als literarische Sensation gefeiert. Iweala bekam dafür alle wichtigen Debütpreise, darunter den John Llewellyn Rhys Prize, mit dem schon V.S. Naipaul und William Boyd ausgezeichnet wurden. Das größte Lob aber bekam er wohl von Salman Rushdie: „Man liest und denkt, der wird noch sehr, sehr groß werden.”
MICHAEL BITALA
UZODINMA IWEALA: Du sollst Bestie sein! Aus dem Englischen übersetzt von Marcus Ingendaay. Ammann Verlag, Zürich 2008. 160 Seiten, 18,90 Euro.
Der Autor Uzodinma Iweala, aus bester nigerianischer Familie, wuchs in den USA auf Foto: Picture-Alliance
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
"A tour de force." - Washington Post Book World
"Brilliant. . . . This is a remarkable novel that suggests a dazzling literary future." - People (****)
"A startling debut.... Iweala's acute imagining allows him to depict the war as a mesh of bestial pleasures and pain." - The New Yorker
"An outstanding first novel. . . . Resonant, beautiful. . . . Iweala's book will be readily embraced by readers." - Janet Maslin, New York Times
"Electrifying. . . . A harrowing read. . . The story is gripping enough. But even more stunning is the extraordinarily original voice. . . . Always breathless, often breathtaking, and sometimes heartbreaking." - Publishers Weekly (starred review)
"Searing and visceral. . . . Agu's unblinking innocence gives the story its most powerful and disturbing beauty." - San Diego Union-Tribune
"The hypnotic present tense, first-person narration draws the reader deep into the child soldier's shattered psyche." - Washington Post
"Remarkable. . . . Iweala never wavers from a gripping, pulsing narrative voice. . . . He captures the horror of ethnic violence in all its brutality and the vulnerability of youth in all its innocence." - Entertainment Weekly (A)
"Devastating. . . a raw and brutal story about the horrifying effects of cruelty and the incredible power of hope." - Atlanta Journal-Constitution
"This is an extraordinary book. . . . so vivid [and] powerful." - Sunday Telegraph
"Uzodinma Iweala is a gifted and brave writer." - Chris Abani, author of GraceLand
"A harrowing account of the intoxication of violence...that offers no easy answers or explanations." - Library Journal
"In Beasts of No Nation Uzodinma Iweala has crafted a voice that is equal to the demands of a blood-soaked reality. This is a work of visceral urgency and power: it heralds the arrival of a major talent." - Amitav Ghosh, author of The Glass Palace
"An astonishing debut. . . . Iweala writes with great restraint, mindful that the most important battle is for a boy's soul: Redemption is possible, even if a return to innocence is not." - Kirkus Reviews (starred review)
"Iweala gives his hero a voice that is literary yet poetic. . . . The acute characterization, the adroit mixture of color and restraint, and the horrific emotional force of the narrative are impressive. Still more impressive is Iweala's ability to maintain not only our sympathy but our affection for his central character." - New York Times Book Review
"Searing. . . . An extraordinary debut novel." - Time magazine
"Stark, vivid. . . . Written like a nightmare in progress, this story is a fever dream of voice and consciousness." - San Francisco Chronicle
"Uzodinma Iweala is receiving not just hype but praise from reviewers for the frighteningly convincing voice of a preteen soldier." - New York Magazine
"Brilliant. . . . This is a remarkable novel that suggests a dazzling literary future." - People (****)
"A startling debut.... Iweala's acute imagining allows him to depict the war as a mesh of bestial pleasures and pain." - The New Yorker
"An outstanding first novel. . . . Resonant, beautiful. . . . Iweala's book will be readily embraced by readers." - Janet Maslin, New York Times
"Electrifying. . . . A harrowing read. . . The story is gripping enough. But even more stunning is the extraordinarily original voice. . . . Always breathless, often breathtaking, and sometimes heartbreaking." - Publishers Weekly (starred review)
"Searing and visceral. . . . Agu's unblinking innocence gives the story its most powerful and disturbing beauty." - San Diego Union-Tribune
"The hypnotic present tense, first-person narration draws the reader deep into the child soldier's shattered psyche." - Washington Post
"Remarkable. . . . Iweala never wavers from a gripping, pulsing narrative voice. . . . He captures the horror of ethnic violence in all its brutality and the vulnerability of youth in all its innocence." - Entertainment Weekly (A)
"Devastating. . . a raw and brutal story about the horrifying effects of cruelty and the incredible power of hope." - Atlanta Journal-Constitution
"This is an extraordinary book. . . . so vivid [and] powerful." - Sunday Telegraph
"Uzodinma Iweala is a gifted and brave writer." - Chris Abani, author of GraceLand
"A harrowing account of the intoxication of violence...that offers no easy answers or explanations." - Library Journal
"In Beasts of No Nation Uzodinma Iweala has crafted a voice that is equal to the demands of a blood-soaked reality. This is a work of visceral urgency and power: it heralds the arrival of a major talent." - Amitav Ghosh, author of The Glass Palace
"An astonishing debut. . . . Iweala writes with great restraint, mindful that the most important battle is for a boy's soul: Redemption is possible, even if a return to innocence is not." - Kirkus Reviews (starred review)
"Iweala gives his hero a voice that is literary yet poetic. . . . The acute characterization, the adroit mixture of color and restraint, and the horrific emotional force of the narrative are impressive. Still more impressive is Iweala's ability to maintain not only our sympathy but our affection for his central character." - New York Times Book Review
"Searing. . . . An extraordinary debut novel." - Time magazine
"Stark, vivid. . . . Written like a nightmare in progress, this story is a fever dream of voice and consciousness." - San Francisco Chronicle
"Uzodinma Iweala is receiving not just hype but praise from reviewers for the frighteningly convincing voice of a preteen soldier." - New York Magazine