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Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Veranstaltung: -, Sprache: Deutsch, Abstract: Aus dem Badezimmer erscholl ein gleichmäßiges Plätschern. Günther von Tarniff saß in seinem rotgelben Badebassin. Die lauwarme Dusche wurde in der Morgensonne ganz blank - fließendes Kristall. Das war so hübsch und angenehm, daß Günther sich nicht davon trennen konnte. Er saß da schon geraume Zeit und registrierte die behaglichen Empfindungen, die über seinen Körper hinglitten ... wachsam und aufmerksam, wie er jedes angenehme Gefühl in sich zu verfolgen pflegte,…mehr

Produktbeschreibung
Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Veranstaltung: -, Sprache: Deutsch, Abstract: Aus dem Badezimmer erscholl ein gleichmäßiges Plätschern. Günther von Tarniff saß in seinem rotgelben Badebassin. Die lauwarme Dusche wurde in der Morgensonne ganz blank - fließendes Kristall. Das war so hübsch und angenehm, daß Günther sich nicht davon trennen konnte. Er saß da schon geraume Zeit und registrierte die behaglichen Empfindungen, die über seinen Körper hinglitten ... wachsam und aufmerksam, wie er jedes angenehme Gefühl in sich zu verfolgen pflegte, als müßte aus dieser Addition sich ein Glück herausrechnen lassen.»Ziehen Herr Graf die neuen Weißen an?« fragte Peter aus dem Nebenzimmer.»Ja. Gefallen sie dir nicht?« rief Günther zurück.»'ne neue Mode. Wird man sehen,« meinte Peter.Nun mußte Günther heraus. Peter rieb ihn behutsam mit einem weichen Tuch ab. Günther pflegte seinen Körper wie ein Brahmane. Er bewunderte ihn und achtete ihn,als die Tafel, auf der das Leben viele, wichtige Genüsse zu verzeichnen hat.»Frau Gräfin waren schon auf, bei der Morgenandacht,« berichtete Peter. »Ja, bei den alten Herrschaften im Flügel ist Morgenandacht mit den Leuten vom Alten Testament, wie die Amalie sagt.«»Teufel. Dann sind wir hier das Neue Testament - was? Bedeutend freche Jungfrau, die Amalie. Und du?«»Gott, ich« Peter zog die Augenbrauen über den kleinen litauer Augen empor: »Heute bin ich dabei gewesen. So 'n mal. Sonst, der Beckmann geht nich -«»- So - der Beckmann ist dein Dienerideal? - Gott mit dem dummen Gesicht«Als Peter seinem Herrn das Beinkleid reichte, nahm er ein anderes Thema auf: »Schön is hier Das Haus, der Garten. Alles gehört uns«»Ja,« meinte Günther und hielt im Ankleiden inne, um seine Bemerkung Peter eindringlich mitzuteilen: »Wie dieser Anzug. Alles weich - lose. Nicht? Und die Uniform war steif - und eng. Nun also. Wenn man den Dienst aufgibt und nach Kaltin zieht, dann zieht man eben die Uniform aus und dies hier an«Peter war voller Bewunderung: »Wie spitzig der Herr Graf das sagen Ja, so 'n Kopf, wie unser Graf Aber so stramm war unser Dienst nicht.«»Ach was, Dienst Das Leben, verstehst du? Die Zeit vergeht und noch zu wenig, zu wenig ...«»Weiber,« half Peter ein.»Ja, auch das. Das ist vorüber. Hier ist Ruhe.«»Gott sei Dank,« schloß Peter die Unterhaltung.Günther war fertig und stellte sich vor den Spiegel.
Autorenporträt
Eduard von Keyserling (1855-1918) stammt aus altem baltischen Geschlecht, studierte Kunst und Jura und begann zugleich mit dem Schreiben. Als freier Schriftsteller lebte er zunächst in Wien, später in Italien und München, wo er zeitweise der Schwabinger Boheme angehörte. Durch eine Krankheit erblindet, vereinsamte Keyserling in den letzten Jahren seines Lebens zunehmend.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2013

Gut zu wissen, wer man ist
Eduard Graf Keyserlings "Beate und Mareile"

Der Titel des Buches klingt geradezu heiter, fast gemütlich: "Beate und Mareile". Aber die "Schlossgeschichte", die Eduard Graf Keyserling 1903 darin erzählt, ist es keineswegs. Wenn zwei Frauen so harmlos annonciert werden, steckt dahinter sicherlich ein Mann, und der vermag, versteht sich, Schaden anzurichten. Ist der ebenso hoch- wie übermütige Graf Günther von Tarniff auf Schloss Kaltin im Baltischen also der Urheber alles Unglücks? Oder sind die Frauen dann doch vielleicht selbst an ihrem Schicksal schuld? Die eine, Beate von Loßnitz, heiratet besagten Nachbarssohn Günther, Mareile aber heißt schlicht Ziepe, und ihr Papa ist der ebenso warmherzige wie etwas rauhe Gutsinspektor Ziepe auf Kaltin, was um 1870 soziale Kollisionen bereits auf den ersten Blick zündeln lässt.

Dabei hat Mareile noch das Beste getan, was man tun kann, um sich gegen Nachteile des Standes und des Geschlechts zu wappnen: Sie hat einen Berliner Künstler, Hans Berkow, einen Maler, geheiratet und ist eine bekannte Sängerin in der Metropole geworden, die in besten Kreisen verkehrt und sich nun Cib nennt, "Ziepe" klingt nicht. Aber ach, "der arme Hans". Denn Gottes Mühlen mahlen langsam und leider meistens trefflich fein. Irgendwann wird Mareile, inzwischen geschieden, auf Besuch zu den alten Eltern auf das heimatliche Schloss kommen, und da Schlossherr Günther eine starke Neigung zum weiblichen Geschlecht in sich trägt, die eigene Frau Beate jedoch schwanger ist und er viel Spielraum mit seiner reichlichen freien Zeit, aber wenig Verantwortung besitzt, wird die heitere Schlossgeschichte bald grimmige Konsequenzen entwickeln.

Vom Musiksaal des Schlosses her tönt aus dem Munde Mareiles der Liebestod Isoldes. Es sind die Jahre von Wagners frühen Triumphen. Günther allerdings hört aus ihm nicht die Sehnsucht nach dem "einträchtiglich beieinander Wohnen", sondern "eine scharfe, klare, fast böse Leidenschaft" heraus, wie sie seiner Art gemäß ist. Und diese Leidenschaft wird ihn schließlich aus Kaltin nach Berlin zur Sängerin und Jugendgefährtin Mareile zurückdrängen, es kommt zum Duell dort mit einem anderen Verehrer der Künstlerin, und da Günther kein Pistolenheld ist, wird man ihn schwer verletzt ins kalte Kaltin zur langen Rekonvaleszenz und im Laufe der Zeit zu seiner Vaterrolle zurückbringen. "Er pariert Order."

Und Mareile? Sie ist die Erste nicht, und ihr beruflicher Erfolg wird sie die Schmerzen der Trennung leichter ertragen lassen. Ihretwegen allerdings mag Eduard Graf Keyserling ihre Geschichte und die des Grafen Günther nicht haben erzählen wollen - das wäre dann eher die Sache von Theodor Fontane gewesen, dessen Effi Briest am Ende unter den Platanen im heimatlichen Garten von Hohen-Cremmen früh schon ihre letzte Ruhe findet. Gegen sie jedoch ist dann dieser Günther eher "eine Null", wie Fontane das wohl genannt hätte, allerdings eine brutale: "Man muss doch wissen, was man ist. Irgendwelche Schlossideen sind Ihnen angeflogen", erläutert er der Geliebten, "Sie sind nun mal keine weiße, tugendhafte Frau. Sie sind Mareile, Sie zahlen bar. Aber plötzlich wollen Sie so'n Gemisch von Mareile und Fürstin Elise. Das ist unmoralisch. Wollen Sie was von mir? Gut - ich tu alles." "Verderben Sie mir meine Liebe nicht", wird Mareile darauf erwidern, als sie den Widerstand dagegen spürt, nur eine "Vorübung des Herzens" gewesen zu sein.

Bloß mag ebendas, dieses wahrscheinlichere Ende von dergleichen Episoden, den unverehelicht gebliebenen Keyserling als eine ihm naheliegendere Lösung berührt haben, ihn, der von einer tödlichen venerischen Krankheit befallen war und die letzten Tage seines Lebens erblindet und als Kranker verbracht hat. Es ist ein solcher Hauch der Tragödie, der über dieser ganzen, scheinbar so leichten und doch gewichtigen, bewegenden Schlossgeschichte liegt. "Du Armer", hätte wohl Mareile auch zu ihm, dem Grafen Keyserling, gesagt. Warum? "Weil ich arbeiten muss", ist ihre Antwort. Und auf ein zweites Warum: "Um Geld zu haben." Denn sie kehrt allein in ihr Künstlerleben zurück. Der schmale Roman ist unlängst in einer Neuausgabe mit einem das Wurzelwerk des Buches bloßlegenden, verständnisvollen Nachwort von Uwe Timm erschienen.

GERHARD SCHULZ

Eduard von Keyserling: "Beate und Mareile". Nachwort von Uwe Timm. Manesse Verlag, München, Zürich 2013. 222 S., geb., 19,95 [Euro].

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