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buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Das Hamsterrad des Lehrerlebens rollt kräftig. Beck, Musiklehrer und Single Ende 30, hangelt sich von einer nervenden Klasse zur nächsten Zigarettenpause, nur unterbrochen von gelegentlichen erotischen Fantasien mit der Schulschönheit. Vor allem aber zehrt die Vergangenheit mit den Erinnerungen an die kurze Zeit als erfolgreicher Musiker an ihm. Der drohenden Midlife-Crisis kommt jedoch ein hochtalentierter Schüler zuvor, der Beck scheinbar eine letzte Chance auf Selbstverwirklichung und Lebensglück bietet. Benedict Wells' Debütroman aus dem Jahr 2008 nimmt den Hörer auf eine kurzweilige Sehnsuchtsreise mit, die durch Herzen, Ohren und quer durch Europa führt. Becks Verwirrung ist witzig und voller Sehnsucht. Christian Ulmen (der in der aktuellen Romanverfilmung von Frieder Wittich die Titelrolle spielt) verfügt zwar nicht über eine sonderlich große Sprecherklaviatur, sein gewohnt schnoddriger Vortrag sitzt Beck aber wie ein lockerer, über dem Bäuchlein gezurrter, Gitarrengurt: bequem und ohne zu große Spannung. Und ist somit ziemlich passend. Kleiner Dämpfer: das magere Booklet, das thematisch Raum für vieles geboten hätte.

© BÜCHERmagazin, Dirk Speckmann (ds)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2009

Götterspeise als Hauptgang
Benedict Wells rast genialisch über den Balkan

Robert Beck ist Ende dreißig, als kauziger Alleinstehender mit Bauch und Unfrisur von wallanderscher Erscheinung, aber ohne das idealistische Berufsethos des verbissenen Kommissars: Beck ist als Lehrer eine Null; er ist einer, der sich in Momenten der Desillusionierung daran erinnert, nie Illusionen gehabt zu haben.

Der junge Münchner Autor Benedict Wells lässt die Titelfigur seines nun auch als Taschenbuch erschienenen Debütromans ein noch ausreichendes, tendenziell aber mangelhaftes Dasein führen. Doch plötzlich hat dieser Beck, der nicht mehr an ein aufregendes Leben geglaubt hat, eine Epiphanie in Gestalt des jungen Litauers Rauli, eines mit Unauffälligkeit gestraften Siebzehnjährigern, der Gitarre spielen und singen kann wie ein junger Gott. Der verhinderte Rockstar Beck entdeckt dieses Ausnahmetalent, will ihm Gottvater sein und muss sich doch mit der Rolle des Jüngers abfinden. Denn sosehr sich Beck auch müht und Geld und Leidenschaft investiert, er wird eine Fußnote bleiben in Raulis Karriere. Einen Sommer lang aber darf Beck träumen.

Neben Rauli gibt es nur wenige Menschen in Becks Leben. Da wären die verführerische, aber unerreichbare Schülerin Anna Lind, die geliebte, aber in die Ferne schweifende Kellnerin Lara, sein bester Freund, der wahnsinnige Deutschafrikaner Charlie, und der weise, aber verhasste Bob Dylan. Gesprengt wird die Konstellation, als Charlie aus der Klapsmühle ausbricht und Beck drängt, ihn nach Istanbul, zu seiner Mutter, zu bringen. Rauli will auch mit, und so wird aus einem Münchner Midlife-Crisis-Schwank ein südeuropäisches Gangster-Roadmovie.

Schulhofschnuten weichen abgeklärten Nutten, Rangeleien Schießereien und Todesahnungen dem wirklichen Sterben. Mit zunehmender Rasanz verläuft sich aber leider auch der Autor als Figur immer öfter in die Geschichte ("Beck und ich, Teil 6"), die diesen Eingriff gar nicht nötig hätte. Die Wendung zum Roadmovie ist einer Phobie des Autors geschuldet: Wells kennt die beschriebene Strecke, sein Fernweh trieb ihn einst in die Türkei, seine Flugangst zuvor ins Auto. Wells erzählt aber nicht wie ein naiver Rucksacktourist, der lieber ein Buch statt eines Blogs schreibt, sondern beängstigend routiniert, mit Witz und Verve, mit beiden Beinen fest im pathosfreien Jetzt, das in diesem Fall das Ende der Neunziger ist.

Robert Beck erinnert stark an den Englischprofessor Grady Tripp aus Michael Chabons "Wonder Boys", vom Neid des Lehrers auf ein junges, stets schwindelndes Genie über das Laster des Kiffens bis hin zu dem Schlamassel, auf den der Protagonist in einem kaputten Auto zurast. Wells' Geschichte verläuft furios, aber in bekannten Bahnen: Highway revisited. Wie die beste Melodie, die Rauli in diesem Sommer spielt, die keine umwerfend neue, nie gehörte ist - "auch Beck fragte sich, woher er diesen Song kannte" -, sondern ein eingängiges Lied, dem es an Originalität, aber nicht an Qualität fehlt, so ist auch der Roman mitreißend, aber alles andere als eine Neuerfindung des Genres.

Doch möchte man auch dann noch weiterlesen, wenn der Geschichte am Ende die Puste ausgeht. Ein genialer Schnaufer wird doch noch kommen, denkt man sich, allerdings vergeblich. Die B-Seite - so heißt der zweite Teil des Buches in Wells' Vinylsprache - ist eben nur eine B-Seite. Die Musikpresse würde schreiben: Eine schwache B-Seite Raulis ist aber immer noch besser als die beste A-Seite eines ordentlichen Musikers wie Beck. Also demnächst ein bisschen mehr Genie bitte.

MARTIN WITTMANN

Benedict Wells: "Becks letzter Sommer". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2009. 464 S., br., 10,90 [Euro].

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»Ein Ausnahmetalent in der jungen deutschen Literatur.« Claudio Armbruster / ZDF ZDF