Die Untersuchungen dieses Buches knüpfen an die traditionelle Vielstimmigkeit der Bemühungen um eine Klärung der Bedingungen der Aufklärung an. Sie reduzieren deren Komplexität, indem sie fragen: Aufklärung - wodurch, für wen, worüber, wozu?Ohne moralische, rechtliche, politische und utilitäre Aufklärung weiß die Urteilskraft weder von den fundiertesten wissenschaftlichen Informationen ihrer jeweiligen Zeit noch von den zuverlässigsten wissenschaftsbasierten Handlungstechniken ihrer jeweiligen Zeit in ihrer jeweils konkreten geschichtlichen Situation einen guten Gebrauch zu machen. Wissenschaftliche Informationen bleiben ohne die Obhut einer moralisch, rechtlich, politisch und utilitär aufgeklärten Urteilskraft praktisch stumm. Handlungstechniken, auch wissenschaftsbasierte Handlungstechniken, bleiben ohne eine solche Urteilskraft blind. Auch die beste Aufklärung durch Wissenschaft bleibt praktisch blind und stumm. Es bedarf daher der praktischen Aufklärung der Urteilskraft.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.12.2008Filterkunst
Was ist Aufklärung? Einer der großen deutschen Aufklärungsforscher, ehemals geschäftsführender Direktor von Halles Interdisziplinärem Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung, legt hier eine Summe langjähriger Forschung vor. Mit guten Gründen lässt er die Aufklärung schon mit Platon und Aristoteles beginnen und hält Montesquieu, Diderot und Voltaire für wichtige, aber Rousseau und Kant für die entscheidenden Vertreter. Und während England, Schottland und die Niederlande im Hintergrund bleiben, treten noch spätere Autoren, zunächst Hegel und für das 20. Jahrhundert vor allem Jürgen Habermas, in den Blick. Dagegen fehlen unter den neueren Aufklärern die nichtdeutschsprachigen Autoren wie Sartre und Foucault oder Rawls, der wegen seines Begriffs der öffentlichen Vernunft wichtig wäre. Auch vermisst man für die deutsche Debatte Kritiker wie Odo Marquard und Hermann Lübbe sowie Robert Spaemann. Die Gelehrsamkeit des Autors ist beeindruckend, auch die Fähigkeit, das komplexe Phänomen Aufklärung zu erschließen. Beispielsweise untersucht der Verfasser, ob Aufklärung durch Wissenschaft möglich oder trotz (weitläufig etablierter) Wissenschaft nötig ist. Der Untertitel signalisiert schon die von Rousseau und Kant inspirierte Antwort: Auch im Zeitalter der Wissenschaften braucht es die Fähigkeit, aus dem Meer der wissenschaftlichen Erkenntnisse das aus praktischen Gründen Wissenswerte auszufiltern, um von ihm einen "guten praktischen Gebrauch" zu machen. Daran zu erinnern und die Erinnerung teils philosophiegeschichtlich, teils systematisch zu entfalten ist in Zeiten einer praktizierten Szientismus sowohl theoriepolitisch als praktisch-politisch unerlässlich. Man hätte freilich einen weitaus strafferen Text schreiben können. Und da das Werk stillschweigend zu einer Kreuz-und-quer-Lektüre einlädt, hätte ihm ein Sachregister gutgetan. (Rainer Enskat: "Bedingungen der Aufklärung". Philosophische Untersuchungen zu einer Aufgabe der Urteilskraft. Verlag Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2008. 688 S., geb., 68,- [Euro].) hoef
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was ist Aufklärung? Einer der großen deutschen Aufklärungsforscher, ehemals geschäftsführender Direktor von Halles Interdisziplinärem Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung, legt hier eine Summe langjähriger Forschung vor. Mit guten Gründen lässt er die Aufklärung schon mit Platon und Aristoteles beginnen und hält Montesquieu, Diderot und Voltaire für wichtige, aber Rousseau und Kant für die entscheidenden Vertreter. Und während England, Schottland und die Niederlande im Hintergrund bleiben, treten noch spätere Autoren, zunächst Hegel und für das 20. Jahrhundert vor allem Jürgen Habermas, in den Blick. Dagegen fehlen unter den neueren Aufklärern die nichtdeutschsprachigen Autoren wie Sartre und Foucault oder Rawls, der wegen seines Begriffs der öffentlichen Vernunft wichtig wäre. Auch vermisst man für die deutsche Debatte Kritiker wie Odo Marquard und Hermann Lübbe sowie Robert Spaemann. Die Gelehrsamkeit des Autors ist beeindruckend, auch die Fähigkeit, das komplexe Phänomen Aufklärung zu erschließen. Beispielsweise untersucht der Verfasser, ob Aufklärung durch Wissenschaft möglich oder trotz (weitläufig etablierter) Wissenschaft nötig ist. Der Untertitel signalisiert schon die von Rousseau und Kant inspirierte Antwort: Auch im Zeitalter der Wissenschaften braucht es die Fähigkeit, aus dem Meer der wissenschaftlichen Erkenntnisse das aus praktischen Gründen Wissenswerte auszufiltern, um von ihm einen "guten praktischen Gebrauch" zu machen. Daran zu erinnern und die Erinnerung teils philosophiegeschichtlich, teils systematisch zu entfalten ist in Zeiten einer praktizierten Szientismus sowohl theoriepolitisch als praktisch-politisch unerlässlich. Man hätte freilich einen weitaus strafferen Text schreiben können. Und da das Werk stillschweigend zu einer Kreuz-und-quer-Lektüre einlädt, hätte ihm ein Sachregister gutgetan. (Rainer Enskat: "Bedingungen der Aufklärung". Philosophische Untersuchungen zu einer Aufgabe der Urteilskraft. Verlag Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2008. 688 S., geb., 68,- [Euro].) hoef
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