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Bayern war trotz hartnäckiger männlicher Konkurrenzabwehr Anziehungspunkt für intellektuelle Frauen. Mit herausragenden wissenschaftlichen Leistungen setzten sie die Anerkennung weiblicher Professionalität durch, aber beängstigend viele Karrieren endeten jäh 1933. Zwar waren Frauen und Männer nach 1945 formal gleichgestellt, aber der geringe Anteil der Professorinnen heute wiederlegt nachhaltig die Vermutung einer realen Chancengleichheit.

Produktbeschreibung
Bayern war trotz hartnäckiger männlicher Konkurrenzabwehr Anziehungspunkt für intellektuelle Frauen. Mit herausragenden wissenschaftlichen Leistungen setzten sie die Anerkennung weiblicher Professionalität durch, aber beängstigend viele Karrieren endeten jäh 1933. Zwar waren Frauen und Männer nach 1945 formal gleichgestellt, aber der geringe Anteil der Professorinnen heute wiederlegt nachhaltig die Vermutung einer realen Chancengleichheit.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1997

Fortschritt aus dem Süden
Zur Geschichte von bayrischen Wissenschaftlerinnen

Als Anfang 1904 um ihre Hand angehalten wird, ist Katia Pringsheim keineswegs begeistert, zumal der Zukünftige, Thomas Mann, ihr auch noch gesteht, er sei "im Grunde ein bißchen eifersüchtig auf die Wissenschaft". Die Tochter des Münchner Mathematikprofessors und die Enkelin der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm zählte 1903 zu den ersten ordentlichen Studentinnen an der Ludwig-Maximilians-Universität. Bayern öffnete nach Baden als zweites Land des Reiches den Frauen die Tore der Alma mater, Preußen zog erst im Winter 1908 nach. Wie es im Süden dazu kam, was die Frauen daraus machten und wie lange der Aufbruch anhielt, darüber berichtet nun ein Buch, das dem kultur- und bildungshistorisch interessierten Leser ebenso in die Hand gelegt werden kann wie der Fachhistorikerin.

Auf solider regionalgeschichtlicher Grundlage gibt der Band einen Einblick in die Geschichte von Wissenschaftlerinnen an den Landesuniversitäten Bayerns. Damit nehmen die Herausgeberinnen eine Korrektur an der preußenlastigen Ausrichtung der Geschichtsschreibung auch in Sachen Wissenschaftlerinnen vor. Der erste Teil des Buches widmet sich der Universitätsgeschichte, der zweite berichtet über Frauen in Berufen, der dritte schildert den Einschnitt der NS-Zeit.

Für die Geschichte von Studentinnen und Wissenschaftlerinnen wird so etwas wie ein "bayerischer Sonderweg" sichtbar. Bis zum Ersten Weltkrieg lagen die Hürden in Bayern niedriger als anderswo; eine gewisse unbürokratische Liberalität bot den Frauen die Gelegenheit, Mechanismen zu umgehen und Chancen zu nutzen. Die erste Habilitation einer Frau in Deutschland fand im Wintersemester 1918/19 an der Medizinischen Fakultät der Universität München statt. Ausgebildete Medizinerinnen praktizierten in Großstädten, nach Berlin rangierte sofort München.

Für moderne Töchter aus gutem Hause hatte die Landeshauptstadt ihre eigenen Reize. Anders als im preußischen Berlin, wo die Schranken zwischen den sozialen Schichten undurchlässig und die Grenzen zwischen den politischen Parteiungen überdeutlich markiert waren, bot München eine andere kulturelle Umwelt. Die Sozialdemokratie war im Landtag nicht nur stark, sondern auch durchsetzungsfähig, wie Karl-Heinz Pohl jüngst nachgewiesen hat. Das Spektrum des Katholizismus, das von liberaler Weltoffenheit bis zur Orthodoxie reichte, prägte den Alltag der ersten Studentinnen, ob Katholikinnen, Protestantinnen oder Jüdinnen.

Bis 1912 kann man in Bayern geradezu von einem reformfreudigen Klima sprechen. In diesen Breiten ließ es sich auch für Frauen zuweilen besser leben als in Preußen. Nach 1919 schlug das Klima allerdings um: "Selbst wo gesetzliche Regelungen nun Zugänge formell öffneten, nützten die Gegner die informellen Mittel ihrer Macht, um sie geschlossen zu halten. Restaurative, bremsende Kräfte gewannen die Oberhand." Einen Wendepunkt ganz anderer Art stellte dann das Jahr 1933 dar. Ein großer Teil der ersten Generation wissenschaftlich gebildeter Frauen, zu denen viele Jüdinnen zählten, konnte den Beruf als Ärztin oder Rechtsanwältin, als Forscherin oder Dozentin nicht mehr ausüben. Diese tiefe Zäsur beendete vorläufig den Aufbruch der Frauen.

Der Band schließt mit einem wissenschaftspolitischen Ausblick auf Asymmetrien zwischen Frauen und Männern im heutigen Wissenschaftssystem. Das ist aufschlußreich, zumal Deutschland in der EU den geringsten Anteil an Studentinnen aufweist. Ebenso erhellend wären gewiß einige abschließende Überlegungen zum "bayerischen Sonderweg" gewesen. Als Nachzügler kann Preußen für den Beginn der Frauen im Wissenschaftssystem wohl nicht repräsentativ sein. Über diesen empirischen Befund hinaus bestätigt der Band freilich den Trend zur vergleichenden historischen Frauenforschung. In diesem Falle kann der preußische Königsweg verlassen werden, so daß auch Prinzessinnen in Sicht kommen. Die Naturforscherin Prinzessin Therese von Bayern erhielt 1897 als erste Frau die Ehrendoktorwürde der Münchner Universität und wurde Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Daß heute in München darüber nachgedacht wird, eine Stiftung für Wissenschaftlerinnen zu gründen, die den Namen der fürstlichen Dame tragen soll, hört man gern. THERESA WOBBE

Hiltrud Häntzschel, Hadumod Bußmann (Hrsg.): "Bedrohlich gescheit". Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern. C. H. Beck Verlag, München 1997. 356 S., 89 Abb., br., 38,- DM.

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