Funktionäre und Organisationen der NSDAP sammelten in der NS-Zeit massenweise Kunstgegenstände, denen als Symbol für Macht und Größe immense Bedeutung im Nationalsozialismus zukam. Die Methoden und Motive, mit denen sie ihre Sammlungen aufbauten, sind in den vergangenen Jahren vermehrt untersucht worden. Wenig ist hingegen darüber bekannt, was mit diesen Kunstwerken nach 1945 geschehen ist. Die Studie wird dieser Frage mit Blick auf den Freistaat Bayern nachgehen, wo die Alliierten den umfassenden Kunstbesitz von Adolf Hitler, Hermann Göring, Heinrich Hoffmann und anderen Parteifunktionären sicherstellten. Rund 900 Kunstgegenstände aus diesen Sammlungen sind vor allen in den 1950er- und 1960er-Jahren über staatliche Stellen in den Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eingegangen. Doch auf welcher Grundlage sind so viele Kunstwerke aus NS-Besitz an den Freistaat Bayern übereignet worden und wie sind die Verantwortlichen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und der bayerischen Behörden mit diesem Erbe umgegangen? Anhand zahlreicher Quellen erforscht die Studie die lange Nachgeschichte des nationalsozialistischen Sammelwahns, die auch eine Geschichte von großer Profitgier, taktischem Schweigen und einem nur verzögert und sehr langsam wachsenden Verantwortungsgefühl ist.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Jörg Häntzschel ist irritiert angesichts dieser Studie über NS-Raubkunst in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen von Johannes Gramlich. Die schockierende Geschichte des NS-Kunstraubs und seines Nachlebens nach 1945 kann ihm der Autor aufgrund seiner Befangenheit als an den Staatsgemäldesammlungen angestellter Historiker nur unzureichend dokumentieren. Dass Direktoren der Staatsgemäldesammlungen nach dem Krieg Kunst an Nazi-Größen und deren Sippschaft zurückgaben, erörtert der Autor laut Häntzschel nicht mit der nötigen Schärfe, sondern als Verteidiger seines Arbeitgebers. Raubkunst bleibt so im Buch ein historisches, kein weiterhin aktuelles Problem, bedauert der Rezensent. Gramlichs offensichtliche Scheu vor eigenen Urteilen findet er vielsagend. Am unangenehmsten findet Häntzschel allerdings den Umstand, dass die Opfer des Kunstraubs und des Agierens der Museen in Gramlichs Arbeit kaum vorkommen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH