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Hobbes hat seine politische Philosophie mit den Namen zweier biblischer Ungeheuer etikettiert: Der 'Leviathan' bezeichnet - im gleichnamigen Hauptwerk - den Staat, die künstliche Ordnung, deren Gewalt die Menschen daran hindert sich gegenseitig aufzufressen. Versagt dieser Garant der Sicherheit, erwacht ein noch weit schlimmeres Ungeheuer: 'Behemoth', die Anarchie, die Revolte, der Ur- und Naturzustand. Die erst posthum bekanntgewordene Schrift (Behemoth oder Das Lange Parlament )analysiert die Voraussetzungen und die Eskalation des ersten 'klassischen' modernen Bürgerkriegs, der in England…mehr

Produktbeschreibung
Hobbes hat seine politische Philosophie mit den Namen zweier biblischer Ungeheuer etikettiert: Der 'Leviathan' bezeichnet - im gleichnamigen Hauptwerk - den Staat, die künstliche Ordnung, deren Gewalt die Menschen daran hindert sich gegenseitig aufzufressen. Versagt dieser Garant der Sicherheit, erwacht ein noch weit schlimmeres Ungeheuer: 'Behemoth', die Anarchie, die Revolte, der Ur- und Naturzustand. Die erst posthum bekanntgewordene Schrift (Behemoth oder Das Lange Parlament )analysiert die Voraussetzungen und die Eskalation des ersten 'klassischen' modernen Bürgerkriegs, der in England zwischen 1640 und 1648 zwischen Krone und Parlament ausgefochten wurde und der mit der Hinrichtung des Königs endete. Gemäß seiner Gesellschaftstheorie, die hier ihre exemplarische Begründung erfährt, zeichnet Hobbes den englischen Staat als eine empfindliche Maschine, in der um 1640 sukzessive alle wichtigen Funktionen ausfallen. In dem Augenblick, da das Gewaltmonopol in Frage steht - also nicht mehr eindeutig ist, wer wen verhaften lassen kann -, bricht 'Behemoth', der Krieg aller gegen alle, unaufhaltsam ins politische Gefüge ein. Die vorliegende Ausgabe des (Behemoth )ist der erste Separatdruck in deutscher Sprache. Anmerkungen und Essay des Herausgebers dienen dem Verständnis der historischen Zusammenhänge wie auch der ideengeschichtlichen Position des (Behemoth.)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2016

Über allen Gesetzen
Thomas Hobbes' "Behemoth" in einer neuen Ausgabe

Oberflächliche Kritik hält die Epoche der europäischen Aufklärung für traditionsfeindlich, weil geschichtsvergessen. In Wahrheit ist die Geschichte ein wichtiges Thema. Aufklärer wie Voltaire und Kant verfassen geschichtsphilosophische Werke, Leibniz und Hume treten selbst als Geschichtsschreiber auf. Der Frühaufklärer Thomas Hobbes übersetzt noch vor seinen philosophisch-politischen Werken Thukydides' Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Später folgen eine Kirchengeschichte, eine Autobiographie und nicht zuletzt zum beherrschenden Phänomen der Epoche, und dem eigenen Lebensthema, den politisch-religiösen Bürgerkriegen, das Geschichtswerk "Behemoth oder das Lange Parlament".

Die Titelfigur, nach dem biblischen Seeungeheuer, dem Leviathan, jetzt das Landungeheuer Behemoth, betont den engen Zusammenhang mit dem staatstheoretischen Hauptwerk: Auf die philosophische Begründung einer über allen Gesetzen stehenden Souveränität im "Leviathan" folgt deren historische Bekräftigung.

Bei Thukydides hatte Hobbes dessen objektive, von moralisierenden Abschweifungen freie Darstellung der Ereignisse gelobt. In den vier literarisch nicht besonders kunstvollen Dialogen des "Behemoth" ergreift er dezidiert Partei. In Übereinstimmung mit seiner Staatsphilosophie erklärt er den absolutistisch gesinnten König Karl I. zum musterhaften Regenten. Das Volk gilt ihm als "verderbt"; außer den Hauptfeinden, den Presbyterianern und den romtreuen "Papisten", werden anglikanische Kreise angegriffen, die Universitäten als "Hort der Empörung" gebrandmarkt und Handelsstädte wie London zu politischen Feinden erklärt.

So wiederholt Hobbes die politische Botschaft von "De cive/Vom Bürger" und "Leviathan": Um den ständig drohenden Rückfall in den Naturzustand, also den Bürgerkrieg, zu verhindern, braucht es einen mit absoluter Macht ausgestatteten souveränen Monarchen. Dessen Hauptaufgabe stellt Hobbes im "Behemoth" noch pointierter als in früheren Schriften dar: Die politisch tödlichen Meinungsverschiedenheiten, namentlich die unsäglichen theologischen Dispute, sind einmal für immer zu beenden.

Die vorliegene Neuausgabe des "Behemoth" verdanken wir dem Ideenhistoriker Peter Schröder, einem aus Deutschland stammenden Senior Lecturer in Early Modern History am renommierten University College London. In einer gelehrten Einleitung stellt er die Editionsgeschichte vor, skizziert die literarische Form des "Behemoth", den Dialog, und erläutert die Hauptintention, dem "Gefährdungspotential religiöser und politischer Ideologien" entgegenzutreten. Er erklärt den Titel zu einer "Chiffre von Anarchie und Auflösung staatlicher Gewalt" und betont, dass Hobbes seine Interpretation historischer Entwicklungen zum Instrument der Politik macht. Dabei unterschätzt er die Differenz zu Thukydides, bei dem das Interesse an politischer Beeinflussung nicht so direkt daherkommt wie im "Behemoth".

Schröders Neuausgabe liegt die von Julius Lips vor knapp neunzig Jahren vorgelegte gut lesbare, seit einigen Jahren aber vergriffene Übersetzung zugrunde. Ob deren Irrtümer und Ungereimtheiten tatsächlich so zahlreich sind, wie Schröder in der Einleitung schreibt, lässt sich nicht leicht überprüfen, da sie "zumeist stillschweigend korrigiert" sind. Dass "seed" mit "Kern" besser als mit "Aussaat" übersetzt wird, dass man Lips' Ausdrücke wie Graf, Herzog und Unterhaus durch Earl, Duke und House of Commons, ferner Karl durch Charles ablösen soll, lässt sich bezweifeln.

Hilfreich in dieser Ausgabe sind neben der umfangreichen Bibliographie das Namens- und das Ortsregister, während man ein Sachregister vermisst. In den Kopfzeilen erscheinen die Seitenzahlen der kritischen Ausgabe des englischen Textes von 2010. Die Anmerkungen erläutern Personen, Bibelstellen und historische Ereignisse oder verweisen auf andere Hobbes-Schriften. Der Behemoth ist also in einer guten Studienausgabe wieder greifbar.

OTFRIED HÖFFE.

Thomas Hobbes: "Behemoth oder das Lange Parlament". Übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Peter Schröder.

Philosophische Bibliothek des Felix Meiner Verlages, Hamburg 2015. 256 S., br., 22,90 [Euro].

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