Produktdetails
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2022

Isabel Fargo Cole
Schriftstellerin
Seit ich „Bei den Bieresch“ (Droschl, Graz 2007, 280 Seiten, 18 Euro), den Kultroman des Grazer Autors Klaus Hoffer, ins Englische übersetzt habe, fühle ich mich bei den Bieresch zu Hause. Wenn der Wahnsinn um uns herum ausbricht, so auch 2022, blättere ich in den „Schriften“ jenes fiktiven österreichischen Stammes. Der Erzähler Hans reist in deren Dorf am Rand der Puszta, um einem alten Brauch folgend in die Rolle seines verstorbenen Onkels zu schlüpfen. Mit Hans taucht man ein in eine Welt, die uns einen Zerrspiegel vorhält: Dort herrscht ein Zuwenig an materiellen Gütern, dafür ein Zuviel an Ideengut. Zwei Sekten streiten um die Deutungshoheit, die Kabbala verschmilzt mit dem indianischen Potlatch und Kafka und Beckett soufflieren den Stammtischstreit. Kulturschock als Seinszustand, uralter Zank als der Kitt der Gemeinschaft. „Unsere Geschichte ist der Knoten, der sich knüpft, wenn man ihn löst“, sagen die Bieresch. Lösungen bieten sie keine – aber gute Gesellschaft im Labyrinth menschlicher Hirngespinste. 1979/80 erschienen, 2007 bei Droschl wiederaufgelegt, entwirft „Bei den Bieresch“ einen Mikrokosmos, dessen Paradoxien zeitlos sind.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de