Josef Ullrich, geboren 1938 in Aussig an der Elbe, heute Usti nad Labem (Tschechien), kommt aus einer sozialdemokratischen Arbeiterfamilie. Seinen Vater hatten die Tschechen 1945 auf Grund seiner Nazigegnerschaft als deutschen Antifaschisten anerkannt. Dadurch war die Familie nach den Benes-Dekreten von der unmittelbaren Vertreibung ausgenommen. Mit Leopold Pölzl, dem Aussiger Bürgermeister, war er von den Nazis 1938 inhaftiert worden. Sein Vater war zuvor aus politischen Gründen bei den Schicht-Werken fristlos entlassen worden. Die Schicht-Werke sollten ein nationalsozialistischer Musterbetrieb werden. 1944 bildete sich eine Widerstandsgruppe, die die geplante Sprengung der Elbe-Staustufe Schreckenstein durch die Wehrmacht verhinderte. Sein Vater gehörte als Abschnittsleiter dazu. Einiges von den Besprechungen in der kleinen Wohnung bekam Josef Ullrich mit. Täglich wurden die deutschsprachigen Sendungen der BBC gehört, was strengstens verboten war. Der Kriegsverlauf war ständiges Thema bei Familientreffen. Eine späte Würdigung der Widerstandsgruppe erfolgte 2022 in der Ausstellung "Unser Deutschen" im Historischen Museum von Ústí nad Labem. Aussig wurde von der Roten Armee kampflos eingenommen. Sogleich wollten die Schreckensteiner Sozialdemokraten an den demokratischen Wiederaufbau der alten Gemeindeverwaltung zusammen mit den tschechischen Genossen von früher, doch die wollten nicht mehr. Im Sommer 1945 geschah das Massaker an der deutschen Bevölkerung, dem mein Vater nur knapp entkam. 1948 übersiedelte die Familie mit dem letzten Antifa-Transport nach Hessen. Es war Vertreibung und Flucht zugleich, da die Amerikaner damals keine Übersiedler mehr aufnahmen.