»Achtundzwanzig Prozent der männlichen Bevölkerung der USA könnten der Vater sein.« Das sagte Steve Jobs dem Time Magazine über seine Tochter Lisa. Für die Öffentlichkeit war er da schon ein Halbgott. Was bedeutet es, einen Vater zu haben, der lange nichts von einem wissen wollte? Behutsam nähert Lisa Brennan-Job sich dieser für sie brennenden Frage und versucht mit ihren Kindheitserinnerungen Antworten zu finden. Aber, anders als von vielen erhofft, ist es keine gehässige Abrechnung mit dem Apple-Guru geworden, sondern ein kluges und berührendes Buch über die Liebe zwischen Eltern und Kindern - allen Widrigkeiten zum Trotz.
Lisa war das Ergebnis einer schon im Ansatz gescheiterten Liebe. Als die Studentin Chrisann Brennan schwanger wurde, hatte Steve Jobs hatte gerade das College geschmissen und schraubte in der berühmten Garage im Silicon Valley komische Kästen zusammen. Chrisann wollte Künstlerin werden und verließ den "Nerd" Steve. Diese Kränkung sollte er ihr - und auch Lisa - lange nicht verzeihen. Der Apple-Gründer bestritt die Vaterschaft, nannte aber gleichzeitig wohl einen seiner Computer nach ihr. Und das kleine Mädchen erlebte eine Kindheit der Extreme: Da war einerseits ihre Hippie-Mutter, die nicht einmal genug Geld für ein Sofa hatte, und andrerseits eben einer der reichsten und berühmtesten Männer der Welt ... Herzzerreißend und komisch - eine Kindheit, die man so nie erfinden könnte.
»Ein zauberhaftes, berührend intimes Porträt, eine Geschichte aus der Sicht einer Tochter, deren Vater mit seinen eigenen Wurzeln zu kämpfen hatte - und der doch beinahe zu dem Vater wurde, den sie sich gewünscht hätte.« _Susan Cheever
Lisa war das Ergebnis einer schon im Ansatz gescheiterten Liebe. Als die Studentin Chrisann Brennan schwanger wurde, hatte Steve Jobs hatte gerade das College geschmissen und schraubte in der berühmten Garage im Silicon Valley komische Kästen zusammen. Chrisann wollte Künstlerin werden und verließ den "Nerd" Steve. Diese Kränkung sollte er ihr - und auch Lisa - lange nicht verzeihen. Der Apple-Gründer bestritt die Vaterschaft, nannte aber gleichzeitig wohl einen seiner Computer nach ihr. Und das kleine Mädchen erlebte eine Kindheit der Extreme: Da war einerseits ihre Hippie-Mutter, die nicht einmal genug Geld für ein Sofa hatte, und andrerseits eben einer der reichsten und berühmtesten Männer der Welt ... Herzzerreißend und komisch - eine Kindheit, die man so nie erfinden könnte.
»Ein zauberhaftes, berührend intimes Porträt, eine Geschichte aus der Sicht einer Tochter, deren Vater mit seinen eigenen Wurzeln zu kämpfen hatte - und der doch beinahe zu dem Vater wurde, den sie sich gewünscht hätte.« _Susan Cheever
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2018Bekenntnisse am Sterbebett
Steve Jobs’ älteste Tochter hat eine Autobiografie geschrieben, die nicht nur für Apple-Fans lesenswert ist
München – Wer von diesem Buch intime, entblößende oder sonst wie köstliche Details über den Apple-Gründer Steve Jobs erwartet, wird nicht enttäuscht. Die Autorin von „Beifang“ heißt schließlich nicht zufällig Lisa Brennan-Jobs – die 40-Jährige ist Steve Jobs’ erstgeborenes Kind. In ihrer Autobiografie, die an diesem Dienstag erscheint, spielt der Vater zwar eine wichtige Rolle. Doch sind es vor allem die Einblicke in ihre eigene Lebenswelt, die das Buch zu mehr als nur einem Marketingköder für Jobs-Fans machen.
Der Name zieht trotzdem: Als die Zeitschrift Vanity Fair einen Monat vorab einen Ausschnitt veröffentlichte, der Jobs ziemlich schlecht dastehen ließ, lauteten die Schlagzeilen, Brennan-Jobs rechne nun mit ihrem verstorbenen Vater ab. Tatsächlich gab Jobs dort einen miserablen Vater ab: Als das Mädchen 1978 auf die Welt kommt, ist er nicht in der Nähe. Und als der damals 23-Jährige seine Ex-Freundin Chrisann Brennan, die Mutter, ein paar Tage nach der Geburt besucht, behauptet er, die Kleine sei nicht seine Tochter. Unterhalt zahlt er erst, nachdem ein Gericht einen Vaterschaftstest erzwingt. Und während er sich mit Apple zum Multimillionär entwickelte, leben Tochter und Mutter von Sozialhilfe. Er kommt im Porsche vorbei, um mit Brennan-Jobs Rollschuh zu fahren.
„Du bekommst gar nichts“, zitiert sie ihn. „Verstehst du? Nichts“, soll er gesagt haben, als sie ihn nach seinem Porsche fragte. „Seine Stimme tat weh, schnitt mir tief in die Brust“, erinnert sie sich. Und schiebt aus heutiger Perspektive nach: „Meine Existenz ruinierte seine Bilanz.“ Der Vorab-auszug offenbart ganz gezielt etwas heikle Interaktionen zwischen Tochter Lisa und Jobs, zeichnet aber ein unvollständiges Bild. So relativierte die Autorin zwei Wochen später in einem Interview mit der New York Times den Eindruck selbst. „Habe ich es nicht geschafft, die Herzlichkeit und die Freude darzustellen?“, fragt sie.
Die vollständige Lektüre verrät mehr: In „Beifang“ fokussiert Brennan-Jobs nicht einfach die Figur des Vaters, sondern widmet sich dem Verhältnis zu ihm – ein großer Unterschied. Aus der Ich-Perspektive geschrieben, lässt sie die Leser auf 384 Seiten tief in die Seele einer Heranwachsenden blicken, die ständig um die Liebe ihres Vaters kämpfen muss. Bis zu ihrem achten Geburtstag war er eine große Leerstelle, jemand, der höchstens als Anekdote an der Peripherie ihres Lebens auftauchte – gefürchtet, verehrt, idealisiert.
Jobs war, glaubt man der Beschreibung der Tochter, ein sozial völlig hilfloser Mann, mit narzisstischen Zügen, der erst vom Krebs zermartert und ans Todesbett gefesselt dazu in der Lage war, seine Liebe gegenüber der Tochter klar zu artikulieren und sein Bedauern darüber auszusprechen, nicht mehr Zeit mit ihr verbracht zu haben. „Es tut mir so leid“, soll er, an einer Infusion hängend, immer wieder zu ihr gesagt haben. Das Rätsel seines Wesens zu lösen und das Verhältnis zwischen ihnen genau auszuloten, scheint Brennan-Jobs innerstes Ziel zu sein – „Beifang“ ist ein großer Schritt in diese Richtung.
Die Autorin legt eine chronologische Betrachtung des ambivalenten Verhaltens ihres Vaters ihr gegenüber vor, teils aus Kindersicht, teils aus heutiger Perspektive. Das Buch ist voll von lebendigen Dialogen, bei denen man das Gefühl hat, danebenzustehen. Mal erscheint Jobs als kumpelhafter Vater, der seiner Tochter Pasta mit Avocado-Würfeln serviert oder auch mal vor ihr furzt. Mal tritt er als grausamer Tyrann zutage, der Brennan-Jobs’ kleine Cousine anschnauzt, weil sie sich einen Hamburger bestellt hat („Du isst Dreck. Ich möchte keinen Moment meines Lebens mehr mit dir verbringen“). Oder er ist einfach der taktlose Tölpel, der seiner Autorität nicht gewahr ist und der seine Tochter anweist abzunehmen, die wiederum ein Jahr später beinahe magersüchtig wird.
Dazwischen finden sich immer wieder filigrane Wortspielereien, die ein ästhetisches Feingefühl beweisen. Die kalifornische Küste bietet ja auch die richtige Kulisse für feine Beobachtungen von Natur, Gerüchen und Farben. Die Luft riecht dort „nach jungem Holz“ und Grastriebe wachsen „wie Schnurrhaare“. Oder, auch schön: „Am Ende des Tals runzelten sich die Hügel wie zusammengeschobene Haut.“
Die Autorin wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihre Mutter ernährte sie als Alleinerziehende von Gelegenheitsjobs, konnte sich erst spät einen Gebrauchtwagen leisten und war immer auf Geldspritzen von Jobs oder Verwandten angewiesen. Mit 13 zieht Brennan-Jobs, ein unsicherer Teenager, zu Jobs und seiner Frau mit Kind. Dort lernt sie ein Leben mit Gärtner und begehbarem Kleiderschrank kennen. Zerrissen zwischen Reichtum und Armut, zwischen alleinerziehender Mutter mit Depression und einer zweiten Familie, in der sie sich wie ein Zaungast vorkommt – Brennan-Jobs bringt zwei Extreme ihres Daseins zusammen, und zwar mit dem unmittelbarsten Mittel, das einem Schreiber zur Verfügung steht: der eigenen Erinnerung. Manche Episoden, wie die Zuckerglasur eines Petit Fours, der sie zehn Zeilen widmet, schleichen sich unbemerkt ein und unterbrechen den roten Faden. Aber Erinnerungen sind nun mal fragmentarisch, einige lassen sich zu einer Story flechten und andere eben nicht.
„Beifang“ kann sicher dabei helfen, das Mysterium Steve Jobs etwas auszuleuchten. Doch ist das Buch auch eine universelle Erzählung von einem Mädchen, das ohne einen zuverlässigen Vater aufgewachsen ist – der in diesem einen Fall eben ein Milliardär war.
EKATERINA KEL
Gefühlvolle Erinnerung: Lisa Brennan-Jobs erzählt vom Kampf um die Liebe ihres Vaters.
Foto: Lisa Brennan-Jobs/CC BY 3.0
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Steve Jobs’ älteste Tochter hat eine Autobiografie geschrieben, die nicht nur für Apple-Fans lesenswert ist
München – Wer von diesem Buch intime, entblößende oder sonst wie köstliche Details über den Apple-Gründer Steve Jobs erwartet, wird nicht enttäuscht. Die Autorin von „Beifang“ heißt schließlich nicht zufällig Lisa Brennan-Jobs – die 40-Jährige ist Steve Jobs’ erstgeborenes Kind. In ihrer Autobiografie, die an diesem Dienstag erscheint, spielt der Vater zwar eine wichtige Rolle. Doch sind es vor allem die Einblicke in ihre eigene Lebenswelt, die das Buch zu mehr als nur einem Marketingköder für Jobs-Fans machen.
Der Name zieht trotzdem: Als die Zeitschrift Vanity Fair einen Monat vorab einen Ausschnitt veröffentlichte, der Jobs ziemlich schlecht dastehen ließ, lauteten die Schlagzeilen, Brennan-Jobs rechne nun mit ihrem verstorbenen Vater ab. Tatsächlich gab Jobs dort einen miserablen Vater ab: Als das Mädchen 1978 auf die Welt kommt, ist er nicht in der Nähe. Und als der damals 23-Jährige seine Ex-Freundin Chrisann Brennan, die Mutter, ein paar Tage nach der Geburt besucht, behauptet er, die Kleine sei nicht seine Tochter. Unterhalt zahlt er erst, nachdem ein Gericht einen Vaterschaftstest erzwingt. Und während er sich mit Apple zum Multimillionär entwickelte, leben Tochter und Mutter von Sozialhilfe. Er kommt im Porsche vorbei, um mit Brennan-Jobs Rollschuh zu fahren.
„Du bekommst gar nichts“, zitiert sie ihn. „Verstehst du? Nichts“, soll er gesagt haben, als sie ihn nach seinem Porsche fragte. „Seine Stimme tat weh, schnitt mir tief in die Brust“, erinnert sie sich. Und schiebt aus heutiger Perspektive nach: „Meine Existenz ruinierte seine Bilanz.“ Der Vorab-auszug offenbart ganz gezielt etwas heikle Interaktionen zwischen Tochter Lisa und Jobs, zeichnet aber ein unvollständiges Bild. So relativierte die Autorin zwei Wochen später in einem Interview mit der New York Times den Eindruck selbst. „Habe ich es nicht geschafft, die Herzlichkeit und die Freude darzustellen?“, fragt sie.
Die vollständige Lektüre verrät mehr: In „Beifang“ fokussiert Brennan-Jobs nicht einfach die Figur des Vaters, sondern widmet sich dem Verhältnis zu ihm – ein großer Unterschied. Aus der Ich-Perspektive geschrieben, lässt sie die Leser auf 384 Seiten tief in die Seele einer Heranwachsenden blicken, die ständig um die Liebe ihres Vaters kämpfen muss. Bis zu ihrem achten Geburtstag war er eine große Leerstelle, jemand, der höchstens als Anekdote an der Peripherie ihres Lebens auftauchte – gefürchtet, verehrt, idealisiert.
Jobs war, glaubt man der Beschreibung der Tochter, ein sozial völlig hilfloser Mann, mit narzisstischen Zügen, der erst vom Krebs zermartert und ans Todesbett gefesselt dazu in der Lage war, seine Liebe gegenüber der Tochter klar zu artikulieren und sein Bedauern darüber auszusprechen, nicht mehr Zeit mit ihr verbracht zu haben. „Es tut mir so leid“, soll er, an einer Infusion hängend, immer wieder zu ihr gesagt haben. Das Rätsel seines Wesens zu lösen und das Verhältnis zwischen ihnen genau auszuloten, scheint Brennan-Jobs innerstes Ziel zu sein – „Beifang“ ist ein großer Schritt in diese Richtung.
Die Autorin legt eine chronologische Betrachtung des ambivalenten Verhaltens ihres Vaters ihr gegenüber vor, teils aus Kindersicht, teils aus heutiger Perspektive. Das Buch ist voll von lebendigen Dialogen, bei denen man das Gefühl hat, danebenzustehen. Mal erscheint Jobs als kumpelhafter Vater, der seiner Tochter Pasta mit Avocado-Würfeln serviert oder auch mal vor ihr furzt. Mal tritt er als grausamer Tyrann zutage, der Brennan-Jobs’ kleine Cousine anschnauzt, weil sie sich einen Hamburger bestellt hat („Du isst Dreck. Ich möchte keinen Moment meines Lebens mehr mit dir verbringen“). Oder er ist einfach der taktlose Tölpel, der seiner Autorität nicht gewahr ist und der seine Tochter anweist abzunehmen, die wiederum ein Jahr später beinahe magersüchtig wird.
Dazwischen finden sich immer wieder filigrane Wortspielereien, die ein ästhetisches Feingefühl beweisen. Die kalifornische Küste bietet ja auch die richtige Kulisse für feine Beobachtungen von Natur, Gerüchen und Farben. Die Luft riecht dort „nach jungem Holz“ und Grastriebe wachsen „wie Schnurrhaare“. Oder, auch schön: „Am Ende des Tals runzelten sich die Hügel wie zusammengeschobene Haut.“
Die Autorin wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Ihre Mutter ernährte sie als Alleinerziehende von Gelegenheitsjobs, konnte sich erst spät einen Gebrauchtwagen leisten und war immer auf Geldspritzen von Jobs oder Verwandten angewiesen. Mit 13 zieht Brennan-Jobs, ein unsicherer Teenager, zu Jobs und seiner Frau mit Kind. Dort lernt sie ein Leben mit Gärtner und begehbarem Kleiderschrank kennen. Zerrissen zwischen Reichtum und Armut, zwischen alleinerziehender Mutter mit Depression und einer zweiten Familie, in der sie sich wie ein Zaungast vorkommt – Brennan-Jobs bringt zwei Extreme ihres Daseins zusammen, und zwar mit dem unmittelbarsten Mittel, das einem Schreiber zur Verfügung steht: der eigenen Erinnerung. Manche Episoden, wie die Zuckerglasur eines Petit Fours, der sie zehn Zeilen widmet, schleichen sich unbemerkt ein und unterbrechen den roten Faden. Aber Erinnerungen sind nun mal fragmentarisch, einige lassen sich zu einer Story flechten und andere eben nicht.
„Beifang“ kann sicher dabei helfen, das Mysterium Steve Jobs etwas auszuleuchten. Doch ist das Buch auch eine universelle Erzählung von einem Mädchen, das ohne einen zuverlässigen Vater aufgewachsen ist – der in diesem einen Fall eben ein Milliardär war.
EKATERINA KEL
Gefühlvolle Erinnerung: Lisa Brennan-Jobs erzählt vom Kampf um die Liebe ihres Vaters.
Foto: Lisa Brennan-Jobs/CC BY 3.0
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"'Beifang' ist ein lesenswertes Buch für Menschen, (...) für die Steve Jobs kein beliebiger Prominenter, sondern eine Persönlichkeit von großer zeithistorischer Bedeutung ist.", Kulturradio rbb, 29.01.2019