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Sein Fall erschütterte das deutsche Bankwesen bis in die letzte Mark. Seine Häuser zieren die Innenstädte von Frankfurt, Leipzig, München, Berlin und anderswo. Gerade aus der Haft entlassen, erzählt Jürgen Schneider nun endlich, wie es zum "Fall Schneider" kam. Ein Robin Hood des Immobiliengewerbes oder einer, der die Banken mit abgefeimten Tricks übers Ohr zu hauen wusste? Was alle Medien weltweit über Monate und Jahre beschäftigte - hier wird berichtet, wie es wirklich war.

Produktbeschreibung
Sein Fall erschütterte das deutsche Bankwesen bis in die letzte Mark. Seine Häuser zieren die Innenstädte von Frankfurt, Leipzig, München, Berlin und anderswo. Gerade aus der Haft entlassen, erzählt Jürgen Schneider nun endlich, wie es zum "Fall Schneider" kam. Ein Robin Hood des Immobiliengewerbes oder einer, der die Banken mit abgefeimten Tricks übers Ohr zu hauen wusste? Was alle Medien weltweit über Monate und Jahre beschäftigte - hier wird berichtet, wie es wirklich war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2000

Der Baulöwe, der die Banken düpierte
Die aufschlussreichen Bekenntnisse des Jürgen Schneider

Jürgen Schneider: Bekenntnisse eines Baulöwen. Ullstein Verlag, Berlin 1999, 360 Seiten, 39,80 DM.

Das Leben schreibt die besten Geschichten. Dazu gehören die vorliegenden Bekenntnisse des Bauunternehmers Jürgen Schneider, der in den achtziger und frühen neunziger Jahren zu einem der größten privaten Bauinvestoren in Deutschland aufstieg und als einer der größten Bankrotteure der Nachkriegszeit für einige Jahre hinter Gittern endete. Sein Fall wird in die Annalen der Deutschen Bank, des Hauptkreditgebers, ebenso eingehen wie in die Geschichte der Bauwirtschaft. So wie der Hauptmann von Köpenick als Symbolfigur für die Autoritätsgläubigkeit des Wilhelminischen Zeitalters gesehen wird, kann der Baulöwe Schneider als Chiffre der geldgläubigen Gesellschaft in Deutschland am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts dienen. Der Fall Schneider bestätigt ein weiteres Mal die Erfahrung, dass man mit einer Million Schulden in der Hand der Banken ist, aber mit fünfeinhalb Milliarden DM Schulden die Banken in der Hand hat.

Die schneiderschen Bekenntnisse sind natürlich nur seine eigenen Wahrheiten, wie er selbst im Prolog anmerkt. Es sind Wahrheiten, die noch dazu unter Mithilfe des Germanisten und Psychotherapeuten Ulf Mailänder formuliert worden sind, der Schneider, wie es heißt, mit seiner Einfühlsamkeit auf dem Weg der Selbsterkenntnis vorangeholfen hat. Am Ende dieser Selbsterkenntnis steht ein überaus einsichtiger, verständnisvoller, geläuterter Betrüger, der durch die Demütigungen des Vaters herausgefordert, von den angeblich betrügerischen Sitten der Baubranche geprägt und von der Fahrlässigkeit der Banken verführt worden ist. Ein Meisterstück der Gestalttherapie, könnte man sagen, das sich auch im Prozess ausgezahlt hat. Bei der Arbeit am Buch habe es viel zu lachen gegeben, schreibt Koautor Mailänder. Der Pleitier bekennt am Ende des Buches, nun sei er endlich Mensch und könne es sein, und hört dabei Ehefrau Claudia im Hintergrund rufen: "Du wirst Ehemann! Basta!" Vorhang. Applaus.

Gleichwohl ist das Buch, vor allem, wenn man die handelnden Personen kennt, nicht nur unterhaltsam, sondern auch aufschlussreich. Immerhin stammt der "Frankfurter Bub" aus einem angesehenen, soliden Familienunternehmen, das seinerzeit das historische Verwaltungsgebäude von Hoechst gebaut hatte. Schneider hat wie der Vater, Großvater und Urgroßvater an der TH Darmstadt studiert, ist Korpsstudent gewesen und hat promoviert, wenn auch in Graz. Bis zum Ausscheiden aus dem väterlichen Betrieb nach Krach und Enterbung und der Gründung einer eigenen Gesellschaft 1983 liest sich der Lebenslauf kitschig-bürgerlich. Er habe seiner Frau ein "behagliches Nest für die Familie" gebaut, schreibt er unter anderem, das sie mit einer von Herzen kommenden Wohnlichkeit gefüllt habe.

Doch schon Ende der siebziger Jahre taucht in Schneiders Leben der "geniale Stratege" und Steuerberater Dieter Bock auf. Bock sollte später weniger durch seine Verbindung mit Schneider als durch seine Kempinski-Deals und den Ein- und Ausstieg bei der britischen Lonrho-Gruppe Furore machen. Bock verweist Schneider vor allem auf die steuerlichen Vorteile denkmalgeschützter Häuser, die dann zum allseits bewunderten Kennzeichen von Schneiders Baustrategie geworden sind. Schneider folgt von da an dem Lockruf des Geldes am Immobilienmarkt. Dass ihn schon das erste große eigene Bauprojekt, das "Goldene Kreuz" in Baden-Baden, fast Kopf und Kragen gekostet hat und zu einem Vermietungsfiasko geworden ist, gehört zu den Merkwürdigkeiten des Falles, die sich nur mit der schillernden Realität der Bau- und Immobilienbranche erklären lassen. Die Deutsche Bank hat jedenfalls zunächst einen neuen Stern am Bauträgerhimmel aufgehen sehen. Ihn selbst plagte aber schon damals, rund zehn Jahre vor dem Zusammenbruch, der Gedanke, ein Journalist könnte eine Enthüllungsstory über das auf tönernen Füßen stehende Unternehmen schreiben.

Interessant ist Schneiders Sittengemälde der Baubranche. Betrug gehöre einfach dazu, schreibt er. Absprachen seien System. Mit allen Tricks ließen sich zehn bis fünfzehn Prozent des Auftragswerts herausschlagen. In den Arbeitsgemeinschaften mit den Großunternehmen habe er deren reichhaltige Trickkiste zur Aufblähung der Abrechnungen kennen gelernt. Seine Frau nennt den Ball der hessischen Bauindustrie "Kriminaltango". Wen wundern da die noch aufzuklärenden Vorkommnisse bei Holzmann?

Schneiders Erfahrungen mit den Banken, voran der Deutschen Bank, und ihrer Leichtfertigkeit sind aus dem Prozess hinlänglich bekannt, der auf mehr als hundert Seiten des Buches, zum Teil mit wörtlicher Wiedergabe, noch einmal dokumentiert wird. Dennoch liest es sich spannend (Seite 88 ff.), wie die Kreditvergabe bei Banken über die verschiedenen Instanzen bis hin zum Vorstand funktioniert, wie Fehler, Erfolgszwänge, Kontrollmängel, Eitelkeiten und Selbsttäuschung schließlich zu Pleiten führen können. Erstaunlich bleibt, dass es auch im Fall Schneider bekannte Verlaufsmuster gewesen sind, die schließlich zum Debakel geführt haben. Da Schneiders Objekte sich nicht schnell genug rentierten, expandierte er zehn Jahre lang, um mit neuen Geschäften und Krediten seine Liquidität aufrechterhalten zu können. Er habe die Banken nicht wegen persönlicher Vorteile prellen wollen, schreibt Schneider; denn sein Familienbudget sei durch die Einkünfte seiner Frau aus ihrem (geerbten) Unternehmen um mehr als das Doppelte gedeckt gewesen. "In Wirklichkeit war ich Gefangener meines eigenen Systems. Rückschritte waren darin nicht vorgesehen. Ich konnte nicht anders, als den einmal beschrittenen Weg weiter zu verfolgen, und musste mein Reich unentwegt aufblähen, um es vor dem Untergang zu bewahren." Natürlich hätte Schneider anders gekonnt, wenn er sein Geschäft konsolidiert hätte. Er folgte aber, wie andere in der Branche auch, dem Prinzip Hoffnung und wurde darüber kriminell.

Dieses Bekenntnis und andere Sätze zeigen, dass es mit der Läuterung so weit nicht her sein kann. "Wer auf meine Mogeleien hereinfiel, hatte selbst Schuld und musste mein Risiko mittragen." Moral habe ihn nicht interessiert, bekennt er an anderer Stelle; denn er habe in der Baubranche erfahren, dass sich Erfolg und moralische Zimperlichkeit schlecht vertrügen. Im Gerichtsurteil hieß es später, Schneider habe erkannt, dass in der Gesellschaft und besonders bei den Banken Schein vor Sein gehe. Kein Wunder, dass der Bankrotteur am Ende des Buches meint, er wolle nach der Haftverbüßung seine Kenntnisse und Fähigkeiten der Gesellschaft wieder zur Verfügung stellen, zum Beispiel als Kreditsachbearbeiter einer Bank. Wie bescheiden, Herr Schneider! Auf die Frage des Herrgotts, was er aus seinem Leben gemacht habe, will er antworten: im deutschen Stadtbild Fassaden aufpoliert, in der deutschen Bankenwelt Fassaden angekratzt.

Sein Gerichtsurteil, sechs Jahre und neun Monate Haft wegen Kreditbetrugs, Betrugs und Urkundenfälschung, hat Schneider ohne Widerspruch angenommen, auch wenn er innerlich haderte und objektive Gerechtigkeit nur im Himmel gegeben sah. Nach seiner vorzeitigen Haftentlassung im letzten Jahr wollte er das Buch in einem großen Auftritt vermarkten. Der Termin fiel aus, weil er vorübergehend wieder in Untersuchungshaft genommen wurde wegen eines angeblich nicht versteuerten Erbes. Inzwischen ist er gegen eine Bankbürgschaft von zwei Millionen DM wieder auf freiem Fuß. Ob ihm noch einmal ein Denkmal gesetzt wird, was er begrüßen würde, steht dahin. Denkwürdig als gesellschaftliches Phänomen bleibt er allemal.

JÜRGEN JESKE

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