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Der Fänger im Roggen im BalkanIm Mittelpunkt dieses legendären ungarischen Romans steht eine Gruppe junger Freunde, die sich, statt um ihr Studium, mehr um die wahren Dinge des Lebens kümmern: um Frauen und Alkohol und vor allem um Geld. Sie lehnen die erstarrte Welt, in der sie leben, ab und begegnen der gesellschaftskonformen Betriebsamkeit mit Verweigerung. Sie haben die Unmöglichkeit jeder Revolte begriffen und sehen der Zukunft mit Unbehagen entgegen. Auch der Vorstellung von Liebe trauen sie nicht, für sie zählen nur Sex und die damit verbundenen Möglichkeiten Geld zu machen - ihre…mehr

Produktbeschreibung
Der Fänger im Roggen im BalkanIm Mittelpunkt dieses legendären ungarischen Romans steht eine Gruppe junger Freunde, die sich, statt um ihr Studium, mehr um die wahren Dinge des Lebens kümmern: um Frauen und Alkohol und vor allem um Geld. Sie lehnen die erstarrte Welt, in der sie leben, ab und begegnen der gesellschaftskonformen Betriebsamkeit mit Verweigerung. Sie haben die Unmöglichkeit jeder Revolte begriffen und sehen der Zukunft mit Unbehagen entgegen. Auch der Vorstellung von Liebe trauen sie nicht, für sie zählen nur Sex und die damit verbundenen Möglichkeiten Geld zu machen - ihre einzige Konzession an die Verhältnisse.Bekenntnisse eines Zuhälters - erzählt in einem beinahe unbeschwerten, leicht melancholischen Tonfall - stellt unser inzwischen erstarrtes Bild der wilden und politischen Sechziger auf den Kopf. Das schicksalhafte Jahr 1968 - wie sah es hinter dem eisernen Vorhang aus? In seinem wilden, komischen und turbulenten Roman zeigt uns László Végel die Welt von der anderen Seite.
Autorenporträt
László Végel, geboren 1941, lebt als Angehöriger der ungarischen Minderheit im serbischen Novi Sad. Mit Danilo Kis, Aleksandar Tisma oder Ottó Tolnai einer der großen Autoren der Wojwodina. Seinen ersten Roman veröffentlichte Végel 1967: Die Bekenntnisse eines Zuhälters waren, so Péter Esterházy, »ein Meilenstein für die moderne ungarische Literatur«. Seitdem erschienen mehrere Romane und mit Preisen bedachte Essaybände sowie Theaterstücke.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2012

Chronik der Enttäuschung

László Végels Roman ist ein Porträt der Generation von 1968 in Titos Jugoslawien. Anders aber als im Westen dominiert hier nur der Frust.

Jungsein heißt auch immer Verwirrtsein. Die Suche danach, wer man sein will und wo das Leben hingehen soll - das sind entscheidende Fragen, die über Zeit und Raum, von Generation zu Generation die gleichen bleiben. Durch die Malaise der Pubertät muss jeder durch, ob nun im alten Rom oder in der modernen Großstadt. Bloß die Fluchtwege variieren: Der Drink in der Kneipe, die Zigarette am Fluss, das Flanieren im Park - so lauten die verträumten Formeln des Aufschubs heute, um den Einbruch des Erwachsenen-Daseins ins Unendliche zu verschieben.

Wenn man László Végels Roman "Bekenntnisse eines Zuhälters" in die Hand nimmt, überrascht es trotzdem, dass so viele Parallelen existieren zwischen dem Berliner Mittzwanziger von 2012 und dem desorientierten Jugendlichen aus der Tito-Ära, dem adoleszenten Flaneur aus dem kommunistischen Jugoslawien von 1968. Auch hier ist das Vagabundieren die eskapistische Strategie des Unentschlossenen; auch hier ist die alles verschluckende, nicht näher präzisierte Großstadt der verträumte, vernebelte Ort des Rausches, der sich (wie Berlin) schnell zur verrotteten, korrumpierten Enttäuschung pervertiert. Deshalb lässt sich der jugendliche Protagonist namens Blue gar nicht erst auf Idealisierungen ein. Er ist ein abgebrühter Fall: "Das, dachte ich, ist der Ort, an dem ich verrückt werden würde, doch wo war es besser? War es nicht überall auf der Welt so?"

"Bekenntnisse eines Zuhälters" ist die kühle Chronik einer Enttäuschung. Als Überschriften dienen Wochentage, ohne dass sofort erkennbar wäre, wo und in welche Zeit wir hineingeworfen sind. László Végel weiß, was er tut: 1941 in der Wojwodina geboren, kennt er sich als Mitglied der ungarischen Minderheit mit Ungereimtheiten aus. Sein Roman, der in den sechziger Jahren spielt und in dieser Zeit auch geschrieben wurde, pendelt zwischen unpräzisen Orts- und Zeitangaben, um dem Generationenporträt eine universale Note zu verleihen. Der Leser ahnt lediglich, dass er es mit Jugendlichen der Achtundsechziger-Generation zu tun hat, die völlig anderen Bedingungen unterworfen sind als ihre Altersgenossen im kapitalistischen Westen.

Erst nach und nach erfahren wir mehr: über den Studenten und Streuner Blue, der als Handlanger für einen Ingenieur arbeitet, der junge Mädchen verführt und sie nach dem Geschlechtsakt erpresst. Blue ist für das Fotografieren zuständig, er sammelt das Beweismaterial, um die Mädchen unter Druck zu setzen und zu weiteren Diensten zu zwingen. Er tut es, weil er Geld dafür bekommt, ein paar müde Scheine, mit denen er sein rast- und hoffnungsloses Leben finanziert - ohne schlechtes Gewissen: "Du verkaufst deine Seele. Na und? Wer tut das nicht. Zeig mir einen, der seine Seele und seinen Körper nicht zu Markte trägt, sagte ich. Machen wir uns keine Illusionen."

Trostlos muss man diese Existenz nennen. Und gerade deshalb spiegelt dieses Leben ex negativo so viel Wahrheit, Traurigkeit und zeitlose Leere, die mit Momenten falschen Glücks ausgetrieben wird - mit schnellem Sex, Alkohol und Geld. Der Text liest sich wie eine ortsversetzte Version des "Fängers im Roggen", wie eine kulturell anders timbrierte und doch hochaktuelle Sinnsuche von erstaunlich verbitterter Kraft. Wir erleben die Desorientierung eines jungen Menschen, der von seiner Umgebung so frustriert und in seinem Wesen so abgebrüht ist, dass ihn nur noch flüchtig Zerstreuungen am Leben halten. Leere wird hier mit Leere beschrieben.

Doch was tun? Revolution spielen? Wie die Achtundsechziger im Westen auf die Barrikaden gehen und die verrottete Gesellschaft aus den Fugen werfen? Auch diese Perspektive wird madig gemacht: Stillhalten, sich raushalten - das ist die Lösung, die Csisi, die Ex-Freundin von Blue, in einem mahnenden Brief einfordert: "Wir müssen die großen Dinge vergessen, wir sollten einsehen, dass wir nicht in Zeiten leben, wo wir uns großen Luxus leisten können. Man muss sich außerhalb stellen und aufhören, im Mist herumzuwühlen. Wir sollten abwarten, gut möglich, dass eines Tages bessere Zeiten kommen ..."

Der Langzeitstudent Blue ist kein Idealist, er ist ein Jugendlicher, der es sich gut machen möchte, der sich einrichten will. Für ihn sind die Verheißungen des Westens weit entfernte, unergründliche Traumvorstellungen. Als sein Freund Pud die Worte "Egalité, Sexualité, Liberté" an die Toilettenwand kritzelt, weiß Blue nur mit abgeklärten Phrasen zu antworten: "Pud ist wirklich naiv. Er scheint nicht zu wissen, dass diese Worte in der Welt, in der wir leben, keine Bedeutung haben. Und wenn jemand nur ein bisschen Grips hat, zerbricht er sich über wichtigere Dinge den Kopf. Vor allem über Geld. Geld ist elementar. Das ist die Wahrheit."

Man könnte den Eindruck bekommen, dass dieser Roman in seiner Perspektivlosigkeit fatalistisch ist. Doch das ist nicht richtig: Zum Ende hin werden die hedonistischen Zerstreuungen als Schimären enttarnt, die vor Augen führen, dass bloßes Raushalten keine Lösung ist. Ob Alternativen aber gesellschaftlicher Natur sind oder im Privaten gefunden werden müssen, lässt das Buch offen. Trotzdem versteht man nach der Lektüre, warum Peter Esterházy diesen Klassiker der modernen ungarischen Literatur mit der Formel feierte: "Ein schönes Buch, es atmet Freiheit." Diese Freiheit fehlt den Jugendlichen. Wie man sie jedoch findet, das weiß nur der, der schließlich erwachsen wird.

TOMASZ KURIANOWICZ

László Végel: "Bekenntnisse eines Zuhälters". Roman.

Aus dem Ungarischen von Lacy Kornitzer. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2011. 251 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Endlich ist Laszlos Vegels "großartiges" bereits 1968 erschienenes Romandebüt "Bekenntnisse eines Zuhälters" auf Deutsch erschienen, freut sich Rezensent Jörg Plath. Denn neben so viel "Nihilismus, Depression und Weltekel" erscheinen Plath heutige Romane wie "Kuschelliteratur". Der Rezensent begleitet Protagonist Blue und seine Freunde, Studenten in Zeiten des jugoslawischen Sozialismus, durch ihre trostlosen Erlebnisse am Rande der Gesellschaft. Voller Weltverachtung und in Ablehnung jeder Arbeit und jeglicher Nützlichkeit verbringen die Jugendlichen ihre Tage mit Erpressungen und flüchtigem Sex. Die Momente des Glücks sind kurz und als Auswege erscheinen häufig nur Drogen oder Selbstmord. Vegel schildere dies mit einer so "ruppigen Negativität", dass sich der Rezensent trotz aller Tragik dieses Romans bestens amüsiert hat.

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