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Belshazzar ist mit seinen ausführlichen Szenenanweisungen und den vielen kurzen Formen wie Accompagnato-Rezitativen und Ariosi das dramatischste unter Georg Friedrichs Händels Oratorien. De facto handelt es sich sogar um eine geistliche Oper, die aber wegen des Bühnenverbots für biblische Handlungen im damaligen England die Form des Oratoriums, d. h. der nichtszenischen Aufführung, wahren musste. Händel wählte dafür einen der packendsten Stoffe der Welt- und Religionsgeschichte: den Fall Babylons und die Befreiung des jüdischen Volkes.Die neue Carus-Urtextausgabe bringt alle drei aufführbaren…mehr

Produktbeschreibung
Belshazzar ist mit seinen ausführlichen Szenenanweisungen und den vielen kurzen Formen wie Accompagnato-Rezitativen und Ariosi das dramatischste unter Georg Friedrichs Händels Oratorien. De facto handelt es sich sogar um eine geistliche Oper, die aber wegen des Bühnenverbots für biblische Handlungen im damaligen England die Form des Oratoriums, d. h. der nichtszenischen Aufführung, wahren musste. Händel wählte dafür einen der packendsten Stoffe der Welt- und Religionsgeschichte: den Fall Babylons und die Befreiung des jüdischen Volkes.Die neue Carus-Urtextausgabe bringt alle drei aufführbaren Fassungen des Werks: die der Uraufführung von 1745 sowie die Umarbeitungen von 1751 und 1758. Erstmals folgt die Edition konsequent der Dirigierpartitur Händels, die Klarheit über die von Händel tatsächlich aufgeführten Stücke gibt. Als Ergänzung ist in der Ausgabe die bereits vor der Uraufführung gestrichene Arie "Lament not thus" ergänzt, damit sind alle von Händel für Belshazzar komponierten Chöre und Arien zusammen verfügbar, bis zu den späten, kaum bekannten Arien "Wise men" und "Fain would I know".
Autorenporträt
Georg Friedrich Händel (laut Taufregister Georg Friederich Händel, anglisiert: George Frideric Handel; _ 23. Februar jul./ 5. März 1685 greg. in Halle (Saale); 14. April 1759 in London) Georg Friedrich Händel stellte früh seine außergewöhnlich universellen kompositorischen Fähigkeiten unter Beweis. Nachdem er 1712 nach London übergesiedelt war, schuf er dort - 1723 zum Composer of Musick for His Majesty's Chapel Royal ernannt - zahlreiche Meisterwerke für den Königshof sowie seine großen Opere Serie: Über Jahre feierte er mit den von Ausnahme-Interpreten gesungenen Opern oder mit Serenaden, später auch mit Oratorien wie "Saul" oder "Israel in Egypt", triumphale Erfolge. Im Laufe der Jahre wuchs Händels Ruhm weit über seinen Wirkungsort hinaus; einige seiner Chorwerke, vor allem der "Messiah", verfügen über eine bis heute ungebrochene Aufführungstradition und werden von Chören auf der ganzen Welt gesungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2019

Brillanz, aber mit Wärme

Der neue Star: Jakub Józef Orlinski singt den Prinzen Cyrus in Händels "Belshazzar".

Von Werner M. Grimmel, Zürich

Auf einer Riesenkatze reitet der junge polnische Countertenor Jakub Józef Orlinski als persischer Prinz Cyrus nach dem Sieg seiner Truppen über die Babylonier über die Bühne des Opernhauses Zürich. Peitschenschwingend präsentiert er sich dem besiegten Volk ebenso wie dem Publikum, als sei er der Titelheld des hier szenisch aufgeführten Oratoriums "Belshazzar" von Georg Friedrich Händel. Kopf und Schwanz des überdimensionalen Raubtiers bewegen sich ziemlich lebensecht. Nach einer Drehung des fauchenden Monsters sieht man, dass zwei Männer in seinem Innern einen entsprechenden Mechanismus bedienen. Bevor die spektakuläre Erscheinung aus dem Blickfeld fährt, springt Orlinski auf und posiert breitbeinig hoch oben auf dem Nacken der wackeligen Attrappe.

Die Zirkusnummer ist wie die ganze Züricher Produktion auf den neuen Shootingstar der Counter-Szene zugeschnitten. Vor der Premiere bekommen Presseleute das brandaktuelle zweite Album Orlinskis "als Geschenk von ihm und seiner Plattenfirma" in die Hand gedrückt. Es heißt "Facce d'amore" ("Gesichter der Liebe") und enthält virtuose Kastratenarien aus Barockopern von Cavalli, Alessandro Scarlatti, Bononcini, Händel, Hasse & Co. Das Booklet zeigt den 1990 in Warschau geborenen Sänger in zahlreichen Posen, die unverblümt das werbeträchtige Aussehen des lockenköpfigen Jünglings zur Schau stellen. Zum Hype um Orlinski gehört, dass Marketing-Strategen auch dessen Aktivitäten als Model, Breakdancer und singender Youtube-Schwarm in Freizeitkleidung betonen. Seine Stimme hätte so viel Wirbel gar nicht nötig: Sie ist außerordentlich.

Warum man in Zürich unbedingt ein Oratorium Händels auf die Bühne bringen musste, wo es doch so viele hochkarätige barocke Musikdramen gibt, kann Sebastian Baumgartens behäbig-schrille Inszenierung nicht plausibel vermitteln. Händel hat seine konzertante Vertonung der alttestamentarischen Geschichte vom Sturz des babylonischen Gewaltherrschers Belshazzar durch den Perserkönig Cyrus 1745 am Londoner King's Theatre aus der Taufe gehoben. Der englische Text von Charles Jennings basiert auf dem Buch Daniel und weiteren historischen Quellen. Die Gestalt von Belshazzars Mutter Nitocris etwa, die im Oratorium um Mäßigung der dekadenten Titelfigur bemüht ist, wurde aus Herodots Bericht über die Perserkriege entlehnt. Das Libretto gab Händel Gelegenheit, die Stimmen der Babylonier, der von ihnen gefangen gehaltenen Juden und der Perser auf drei Chorgruppen aufzuteilen.

Baumgartens szenische Einrichtung des dreiaktigen Stücks zielt auf ein "episch-dramatisches Theaterspektakel", verfehlt dabei aber die Dramaturgie des barocken Oratoriums und lenkt durch aufdringliche Addition optischer Mittel von Händels diffizil auskomponiertem Hörkino ab. Nach der mit Pause knapp dreistündigen Vorstellung ist man froh, dass der Regisseur sich nicht an einer zunächst vorgesehenen Umsetzung von Johann Sebastian Bachs "Matthäus-Passion" versucht hat. Barbara Steiners Bühne zeigt vor Beginn im Hintergrund ein riesiges Kitschpanorama, das an Plakate zu alten Sandalenfilmen erinnert. Über verkohlte antike Mauern lugt im Dunkel eine schwarze Palme. Später wird Rembrandts bekanntes Menetekel-Gemälde zitiert. Neben arabischem "Salam aleik"-Schriftzug blinken penetrant die drei Buchstaben S-E-X. Christina Schmitts Kostüme setzen auf einen knallbunten Mix aus exotischem Orientplunder, Militäruniformen und modernen Modetrends.

Die vom Propheten Daniel angeführten Juden tragen Quäkerhüte, Knickerbockerhosen mit herabhängenden Kordeln und Bauernhemden mit Konterfeis neuzeitlicher jüdischer Berühmtheiten wie Marx, Benjamin, Anne Frank, Adorno, Bernstein, Seghers, Zetkin oder Kafka. Ihre grünen Kultgeräte und ihre schunkelnden Gebetsgesten lassen sie wie Anhänger einer etwas verschrobenen Graswurzelbewegung erscheinen. Die Perser bevorzugen enge schwarze Leder- und Latexkluft. Hannah Dörrs Video-Design lebt von üppigen Breitwandfilm- und Comic-Elementen sowie altmodischen, dilettantisch verwackelten Videoaufnahmen mit blinkender Batterie-Anzeige und nervigem Flimmern. Bilder von Panzerkolonnen im Wüstensand verweisen auf den Irak-Krieg, kurz aufblitzende Bordellszenen suggerieren babylon-berlinerische Verruchtheit. Am Ende brechen apokalyptische Naturkatastrophen über die Leinwand herein. Zu alldem gibt es viel Qualm und Bodennebel.

Die ganze Bilderflut dieses modernen Sodom und Gomorrha beschert Händels Musik keinen Mehrwert. Baumgartens Personenführung kommt mit den Arienstrukturen nicht zurecht und wirkt im Timing hilflos. Orlinski tönte bei der Premiere anfangs etwas kehlig, unkontrolliert in Timbre, konnte das gewohnte Volumen seiner Stimme nicht ausfahren, entschädigte aber mit wunderbar warmen Farben im tiefen Bereich. Koloraturen meisterte er brillant, gelegentlich unter Zuhilfenahme leichter Aspirationslaute. Mauro Peter, als Belshazzar eine Mischung aus Saddam und Gaddafi, stahl ihm zumindest vokal die Show. Grandios singen auch Evan Hughes als Überläufer Gobrias und Layla Claire als resolute Nitocris, die ihr Muttersöhnchen coram publico zusammenstaucht. Tuva Semmingsen dringt hingegen als Daniel mit ihrem verhaltenen Alt nicht durch. Janko Kastelic hat die Chöre differenziert einstudiert. Laurence Cummings bringt Händels reiche Partitur mit dem fabelhaften Orchestra "La Scintilla" prächtig zur Geltung.

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