Ben, der destruktive Junge aus "Das fünfte Kind", ist inzwischen erwachsen geworden. Noch immer aggressiv und seinen Urtrieben ausgeliefert, macht ihn sein Außenseitertum zum Spielball in einer "zivilisierten" Welt ...
Ben, das fünfte Kind der Lovatts, war ein aggressiver, destruktiver Junge. Seine Mutter versuchte, seine tyrannische Wut zu bändigen, doch am Ende stand die Zerstörung der Familie, und Ben zog mit einer Gruppe gewalttätiger Jugendlicher in die Welt hinaus. Nun ist Ben erwachsen geworden. Allein und unfähig sein Leben zu bewältigen, leidet er unter ungestillten Bedürfnissen und namenlosen Frustrationen. Er fühlt sich orientierungslos und hasst die Menschen, obwohl er Nähe sucht. Kurz findet er seinen Frieden, als Ellen Biggs ihn bei sich aufnimmt. Doch die über achtzigjährige alte Dame stirbt. Bald wird Bens Außenseitertum, seine kindliche Gier, die ihn angreifbar und verletzlich macht, von Geschäftemachern schamlos ausgenutzt: Er wird als Drogenkurier missbraucht, dient als `Material` für einen Dokumentarfilmer und wird von Wissenschaftlern als Archetyp eines unzivilisierten Ur-Menschen untersucht ... Wie in `Das fünfte Kind` erzählt Doris Lessing in `Ben in der Welt` eine Parabel über das brisante Verhältnis von Normalität und Fremdheit - und auf das Schicksal von Liebe und Glück in einer unglücklichen, lieblosen Gesellschaft.
Ben, das fünfte Kind der Lovatts, war ein aggressiver, destruktiver Junge. Seine Mutter versuchte, seine tyrannische Wut zu bändigen, doch am Ende stand die Zerstörung der Familie, und Ben zog mit einer Gruppe gewalttätiger Jugendlicher in die Welt hinaus. Nun ist Ben erwachsen geworden. Allein und unfähig sein Leben zu bewältigen, leidet er unter ungestillten Bedürfnissen und namenlosen Frustrationen. Er fühlt sich orientierungslos und hasst die Menschen, obwohl er Nähe sucht. Kurz findet er seinen Frieden, als Ellen Biggs ihn bei sich aufnimmt. Doch die über achtzigjährige alte Dame stirbt. Bald wird Bens Außenseitertum, seine kindliche Gier, die ihn angreifbar und verletzlich macht, von Geschäftemachern schamlos ausgenutzt: Er wird als Drogenkurier missbraucht, dient als `Material` für einen Dokumentarfilmer und wird von Wissenschaftlern als Archetyp eines unzivilisierten Ur-Menschen untersucht ... Wie in `Das fünfte Kind` erzählt Doris Lessing in `Ben in der Welt` eine Parabel über das brisante Verhältnis von Normalität und Fremdheit - und auf das Schicksal von Liebe und Glück in einer unglücklichen, lieblosen Gesellschaft.
Ein Schelm, wer das Normale flieht: Doris Lessings Roman
Jetzt ist Ben erwachsen. Seine Vorgeschichte wird in Doris Lessings Roman "Das fünfte Kind" erzählt, aber man kann die neuen Phasen seines Lebens als geschlossenes Werk auch ohne solche Vorkenntnisse gut verstehen. Ben ist ein Außenseiter. Etwas ist in seiner biologischen Entwicklung anders gelaufen, er ist sofort als "nicht normal" erkennbar. Seine Andersartigkeit wird nicht klinisch benannt; um sie faßbar zu machen, wird sie dem Leser mit Metaphern aus dem Tierreich und dem Urmenschentum nähergebracht. Sein Gliederbau, seine Körperkräfte, seine pelzartige Behaarung sowie seine Beschränktheit und sein Unverständnis für das moderne Leben deuten in beide Richtungen.
Jedoch seine Empfindungen, sein Verlangen nach Geborgenheit, vor allem seine Ängste sind denen der meisten Lebewesen nicht unähnlich, und so kommen Beziehungen zu anderen Menschen zustande, vornehmlich zu solchen, die selbst an den Rändern der Gesellschaft leben müssen. Am besten läßt ihn Doris Lessing mit Frauen auskommen, die mit Sympathie auf das Kreatürliche in ihm reagieren.
Es wird aber keine Schwarzweißmalerei betrieben. Freilich wird er ausgenützt, hin- und hergestoßen, aber das Erstaunliche ist, daß er immer wieder Freundschaft und Beschützer findet. Es läßt sich nicht leugnen, daß es selbst einem mitfühlenden Leser schwerfällt, sich mit einigen seiner Eigenheiten abzufinden, etwa mit seiner Gewohnheit, Vögel zu fangen und ihr Fleisch roh zu verschlingen. Aber im Laufe des Romans freundet man sich doch mit ihm an und nimmt Anteil an der unverschuldeten Tragödie seines Lebens. Je übler ihm gespielt wird, um so deutlicher wird die Gemeinsamkeit aller Kreaturen.
Episodisch aufgebaut ist die Geschichte wie in einem Schelmenroman. Ben dient einer Reihe von egoistischen Herren, kommt von einem Milieu, einem Land in ein anderes, von England nach Frankreich, von Brasilien in die argentinischen Anden. Das Zusammenhanglose ist offenbar der Lebensmodus aller marginalisierten Existenzen. Mit Recht ist der Titel zweigliedrig, denn in der Konfrontation der sogenannten normalen Welt mit dem Abwegigen gerät ihre eigene Abwegigkeit in Sicht. Auf diese Weise fällt viel Licht auf eine Reihe von Nebengestalten. Die Autorin scheut sich nicht, sie ohne Kunstkniffe einzuführen - "Dies war ihre Geschichte" - und sie mit ebenso simplen Worten wieder zu entlassen: "Und so hat wenigstens ihre Geschichte ein Happy-End. Die Dinge gingen gut aus für sie." Eine solche Unbekümmertheit um erzählerische Feinheiten ist nicht das einzige Merkmal einer souveränen Schriftstellerin, die bereit ist, eine düstere Problematik mit handfesten Mitteln aufzulockern, mit Elementen des Kriminal- und sozialen Elendsromans. Im letzten Drittel steigert sie das Tempo zu atemberaubender Spannung, und im Kontrast zu einer wildgewordenen Wissenschaft, Abbild einer Gesellschaft, der nichts mehr heilig ist, nimmt der arme Unmensch in seiner Trauer geradezu edle Züge an.
EGON SCHWARZ.
Doris Lessing: "Ben in der Welt". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Lutz Kliche. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2000. 251 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Doris Lessing
Doris Lessing wurde 1919 im heutigen Iran geboren, wuchs auf einer Farm in Südrhodesien auf und emigrierte 1945 nach London, wo sie sich als Schriftstellerin etablieren konnte. Nach Welterfolgen wie Das fünfte Kind oder Unter der Haut gelang ihr auch mit ihrem jüngsten, nun als Taschenbuch erschienenen Buch Ben in der Welt ein spannender und gleichzeitig nachdenklich stimmender Roman.
Ben
Darin nimmt sie die in Das fünfte Kind begonnene Geschichte um Ben, dem fünften Kind der Familie Lovatt auf. Der Leser dieses früheren Buchs wird sich noch an die Aggressivität und Zerstörungssucht des kindlichen Ben erinnern. Es endete mit der Zerstörung der Familie durch Bens Bösartigkeit und seinem Aufbruch im Kreise gewalttätiger Jugendlicher in eine ihm fremde Welt.
Im vorliegenden Roman begegnen wir Ben im Alter von 18 Jahren wieder. Aus dem aggressiven und destruktiven Kind ist ein ängstlicher, scheuer und unsicherer junger Mann geworden, der sich nach Geborgenheit sehnt. Sie wird ihm jedoch verwehrt, und er empfindet immer stärker seine Fremdheit in der Welt. Seine Sehnsucht nach Gesellschaft wechselt sich ab mit Ekel vor den Menschen, die er in dem Maße zu hassen beginnt, in dem sie ihn zurückstoßen. Nur kurz bieten ihm zwei Menschen Schutz. Auch sie sind Außenseiter: eine alte Frau in London und eine Prostituierte in Rio, der Stadt, die Ben zum Verhängnis werden wird. Aber auch den beiden gelingt es nicht, ihm auf Dauer eine Heimat zu geben.
Den Höhepunkt erreicht der Roman in seinem letzten Drittel. Besonders hier kehren sich die Rollen um. War Ben im ersten Roman der Täter, gerät er hier in eine Opferrolle: Sein Außenseitertum bleibt nicht verborgen, und er wird als eine Art Kaspar Hauser zu Forschungszwecken missbraucht. Lessing schildert hier eindringlich die menschenverachtende Skrupellosigkeit der modernen Wissenschaft, die einzig dem vermeintlichen Fortschritt verpflichtet ist.
Das fünfte Kind
Ben in der Welt kann auch lesen, wer den ersten Roman um Ben Lovatt - Das fünfte Kind - nicht gelesen hat. Seine Kindheit ist in ihm aufgehoben, man muss sie also nicht in den Einzelheiten kennen. Dennoch, dieser Roman macht Lust auf mehr, und viele werden zur Schilderung Bens Kindheit greifen, um das Lesevergnügen, das er bereitet, zu verlängern. Sie sollten es tun, denn Das fünfte Kind ist vielleicht sogar das bessere Buch. (Andreas Rötzer)
Doris Lessing wurde 1919 im heutigen Iran geboren, wuchs auf einer Farm in Südrhodesien auf und emigrierte 1945 nach London, wo sie sich als Schriftstellerin etablieren konnte. Nach Welterfolgen wie Das fünfte Kind oder Unter der Haut gelang ihr auch mit ihrem jüngsten, nun als Taschenbuch erschienenen Buch Ben in der Welt ein spannender und gleichzeitig nachdenklich stimmender Roman.
Ben
Darin nimmt sie die in Das fünfte Kind begonnene Geschichte um Ben, dem fünften Kind der Familie Lovatt auf. Der Leser dieses früheren Buchs wird sich noch an die Aggressivität und Zerstörungssucht des kindlichen Ben erinnern. Es endete mit der Zerstörung der Familie durch Bens Bösartigkeit und seinem Aufbruch im Kreise gewalttätiger Jugendlicher in eine ihm fremde Welt.
Im vorliegenden Roman begegnen wir Ben im Alter von 18 Jahren wieder. Aus dem aggressiven und destruktiven Kind ist ein ängstlicher, scheuer und unsicherer junger Mann geworden, der sich nach Geborgenheit sehnt. Sie wird ihm jedoch verwehrt, und er empfindet immer stärker seine Fremdheit in der Welt. Seine Sehnsucht nach Gesellschaft wechselt sich ab mit Ekel vor den Menschen, die er in dem Maße zu hassen beginnt, in dem sie ihn zurückstoßen. Nur kurz bieten ihm zwei Menschen Schutz. Auch sie sind Außenseiter: eine alte Frau in London und eine Prostituierte in Rio, der Stadt, die Ben zum Verhängnis werden wird. Aber auch den beiden gelingt es nicht, ihm auf Dauer eine Heimat zu geben.
Den Höhepunkt erreicht der Roman in seinem letzten Drittel. Besonders hier kehren sich die Rollen um. War Ben im ersten Roman der Täter, gerät er hier in eine Opferrolle: Sein Außenseitertum bleibt nicht verborgen, und er wird als eine Art Kaspar Hauser zu Forschungszwecken missbraucht. Lessing schildert hier eindringlich die menschenverachtende Skrupellosigkeit der modernen Wissenschaft, die einzig dem vermeintlichen Fortschritt verpflichtet ist.
Das fünfte Kind
Ben in der Welt kann auch lesen, wer den ersten Roman um Ben Lovatt - Das fünfte Kind - nicht gelesen hat. Seine Kindheit ist in ihm aufgehoben, man muss sie also nicht in den Einzelheiten kennen. Dennoch, dieser Roman macht Lust auf mehr, und viele werden zur Schilderung Bens Kindheit greifen, um das Lesevergnügen, das er bereitet, zu verlängern. Sie sollten es tun, denn Das fünfte Kind ist vielleicht sogar das bessere Buch. (Andreas Rötzer)