Eine Fülle unbekannter und nur selten oder noch nie veröffentlichte Fotos und Zeichnungen sind hier abgedruckt. Kurze Texte geben Einblicke in bisher wenig beleuchtete Lebensabschnitte. Handschriftliche Bemerkungen Benns aus den Bänden seiner Bibliothek sind aufgenommen, Kalendereintragungen und Zeugnisse über das Schicksal von Benns Familie.
»Herkunft, Lebenslauf - Unsinn!« Dieser Satz aus dem berühmten Text »Doppelleben« musste oft dazu herhalten, Benns angebliches Desinteresse an seiner Biografie zu belegen. Doch sein Werk enthält viele hochinteressante Selbstzeugnisse, verdeckt und unverdeckt. Und das Interesse an Benns Leben, das zeigen mehrere Neuerscheinungen zu Benn aus der letzten Zeit, ist so groß wie nie zuvor.
Die nun vorliegende Bildbiografie sammelt, was in Jahren intensiver Recherche in Archiven, Dateien und Privatnachlässen an Bildzeugnissen und Briefen zu Benns Leben gefunden wurde. Ausgewertet wurde die umfangreiche Korrespondenz an Benn, seineTageskalender sowie die Nachlässe zahlreicher Freunde und Bekannten. Selbst Kenner werden überrascht sein über die Einblicke in bisher wenig beleuchtete Lebensabschnitte.
Abgedruckt ist vor allem eine Fülle unbekannter und nur selten oder noch nie veröffentlichter Benn-Fotos und -Zeichnungen. Handschriftliche Bemerkungen Benns aus den Bänden seiner Bibliothek sind aufgenommen, Kalendereintragungen, Zeitungsausschnitte und Zeugnisse über das Schicksal von Benns Familie. Erinnerungen von Freunden werden herangezogen und ein bisher unveröffentlichtes, an George Grosz gerichtetes Gedicht abgebildet.
»Herkunft, Lebenslauf - Unsinn!« Dieser Satz aus dem berühmten Text »Doppelleben« musste oft dazu herhalten, Benns angebliches Desinteresse an seiner Biografie zu belegen. Doch sein Werk enthält viele hochinteressante Selbstzeugnisse, verdeckt und unverdeckt. Und das Interesse an Benns Leben, das zeigen mehrere Neuerscheinungen zu Benn aus der letzten Zeit, ist so groß wie nie zuvor.
Die nun vorliegende Bildbiografie sammelt, was in Jahren intensiver Recherche in Archiven, Dateien und Privatnachlässen an Bildzeugnissen und Briefen zu Benns Leben gefunden wurde. Ausgewertet wurde die umfangreiche Korrespondenz an Benn, seineTageskalender sowie die Nachlässe zahlreicher Freunde und Bekannten. Selbst Kenner werden überrascht sein über die Einblicke in bisher wenig beleuchtete Lebensabschnitte.
Abgedruckt ist vor allem eine Fülle unbekannter und nur selten oder noch nie veröffentlichter Benn-Fotos und -Zeichnungen. Handschriftliche Bemerkungen Benns aus den Bänden seiner Bibliothek sind aufgenommen, Kalendereintragungen, Zeitungsausschnitte und Zeugnisse über das Schicksal von Benns Familie. Erinnerungen von Freunden werden herangezogen und ein bisher unveröffentlichtes, an George Grosz gerichtetes Gedicht abgebildet.
Ein Bildband zeigt bekannte und unbekannte Fotos und Dokumente aus dem Leben Gottfried Benns
An einem Frühsommersonntag im Jahr 1930 machen Gottfried Benn, seine Lebensgefährtin Elinor Büller, der Komponist Paul Hindemith und dessen Ehefrau Gertrud einen Ausflug in den Berliner Grunewald. Sie liegen, auf ausgebreiteten Kleidern und grünem Gras, an einem Hang über der Havel, rauchend, plaudernd, die Gattin oder den Hund - er heißt Alfi - kraulend, während die Zeit verstreicht.
Im Schatten ist es noch kühl, die Herren sind in Weste und Jacke gekommen, die Damen im Kleid mit langem Arm und Pullover, doch in der Sonne fallen die Hüllen, Hindemith krempelt sein Hemd hoch, Elinor hängt den Pullover um die Schultern; nur Benn bleibt hartnäckig in seiner Weste stecken, unter der sich die dunkle Krawatte wie eine Ochsenzunge bäumt, ein dicker, gemütlicher Kleinbürger mit Geheimratsecken und einem Blick, in dem etwas Lauerndes, Reptilienhaftes liegt, der Blick eines Haut- und Frauenarztes, der Gedichte schreibt. Schließlich, auf dem letzten der acht Fotos, ist er eingeschlafen, die Stirn auf dem Waldboden, die Krawatte noch immer um den zugeknöpften Hals. Er wirkt fast wie eine Filmfigur, wie der feiste und fröhliche Taxifahrer aus Robert Siodmaks und Billy Wilders "Menschen am Sonntag", der im Sommer zuvor hier draußen gedreht worden ist, womöglich an der gleichen Stelle im Wald.
Wovon mag er träumen? Vielleicht von dem Oratorium, an dem er zusammen mit Hindemith arbeitet, oder von Tilly Wedekind, seiner Geliebten, die er neben Elinor Büller an der langen Leine hält, oder von Gedichten, die er geschrieben hat und schreiben wird, Gedichten wie "Melancholie", das wie ein Nachhall jenes Sonntags klingt: "Wenn man von Faltern liest, von Schilf und Immen, / Dass sich darauf ein schöner Sommer wiegt, / Dann fragt man sich, ob diese Glücke stimmen . . .".
Dass man das sehen darf! Dass man Benn so über die Schulter und ins Gesicht schauen darf, wie es sonst nur Kinder, Freunde, Ehefrauen und enge Verwandte dürfen, dass das Familienalbum, das Album der Zeit sich auftut vor dem neugierig blätternden Bewohner der Nachwelt - das ist das Verdienst von Holger Hof, der all diese Bilder, Briefe, Zettel, Zeugnisse, Skizzen und Postkarten gesichtet und in einem Band versammelt hat.
Es gibt Benn-Memorabilia in diesem Buch, die man schon lange kennt, aber auch vieles, das man, wie die Fotoserie mit den Hindemiths, noch nie gesehen hat; und manchmal ist es auch einfach der Zusammenklang der Dokumente, der erschütternd wirkt, etwa die Doppelseite, auf der rechts ein Foto vom Flughafen Tempelhof zu sehen ist, mit Ilse und Gottfried Benn und Benns Tochter Nele, die gerade aus Kopenhagen angekommen ist, und links ein Blatt aus Benns Taschenkalender vom 20. Juli 1944, dem Tag, an dem seine beiden Enkelkinder geboren werden. "Nele! Tine Vilhelm" steht da, in roter Schrift. Und darüber: "Attentat!" Und daneben: "neblig. Schlecht geschlafen".
So war, der Dichter des verlorenen Ichs, Herr und zugleich Sklave seiner Zeit, hilfloser Untertan Hitlers, mit dessen völkischem Terrortheater er ein Jahr lang geliebäugelt hatte, und Vollender der abendländischen Poesie, Brieffreund von André Gide und Klaus Mann und Teil der uniformierten Massen, mit denen er in Hannover als Regimentsarzt bei Tisch sitzt, während seine Seele Gedichte schreibt.
Da ist die Speisekarte, deren Vorderseite Schmorbraten mit Rotweintunke und grünen Bohnen für Einsfünfzig und Schweinskotelette für Einsdreißig anbietet und auf deren Rückseite Benn die poetische Ernte des Mittagsmahls notiert: "Tag, der den Sommer endet, / Herz, dem das Zeichen fiel: / Die Flammen sind versendet, / die Fluten und das Spiel!" So war er, Soldat, Frauenarzt, Kleinbürger und Jahrhundertdichter, das war sein Widerspruch, und dieses Buch breitet ihn aus: ihm zum Andenken, uns zum Trost.
ANDREAS KILB
"Benn. Sein Leben in Bildern und Texten". Zusammengestellt von Holger Hof. Klett-Cotta, Stuttgart 2007, 280 Seiten, 59 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auf einer ganzen Seite, schön aufgemacht mit fünf Fotografien aus dem besprochenen Band, rezensiert Florian Illies dieses Werk, das er ganz außerordentlich lobt. Seine ganze Hochachtung gilt der Kennerschaft von Holger Hof, der mit faksimilisierten Notizbuchseiten, erstveröffentlichten Fotografien und Zitaten von Benn diesen selbst sich darstellen lässt und selten etwas hinzufügt habe. Die bekannten Motive der Bennschen Biografie, die Kneipengänge, die Melancholie des Dichters, seine drei Ehen, Kriegserfahrung, Ruhmsucht und Liebschaften werden für Illies hier in feinsinniger Auswahl präsent. Besonders freut sich der Rezensent über Zeugnisse, die auch mal ein neues Licht auf den von ihm offensichtlich hochverehrten Dichter werfen - z.B. Fotos vom schlafenden und lächelnden Benn. Irritiert hat ihn das Foto von der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Benn 1953; Benn lächelt dort "stolz wie ein Feuerwehrmann", meint Illies. Insgesamt hat diese Bildbiografie den Rezensenten vollständig beglückt und seinen Respekt vor dem Verehrten noch gesteigert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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