Der Florentiner Künstler Benvenuto Cellini (1500 - 1571) zählte zu den bedeutendsten Goldschmieden, Medailleurs und Bildhauern seiner Zeit. Er arbeitete u. a. für die Päpste in Rom, die Medici in Florenz und den französischen König. Neben seinen Tätigkeiten als Künstler und Handwerker verfasste er mehrere kunsttheoretische Traktate und eine Autobiographie.
Der Band würdigt die verschiedenen Aspekte seines Schaffens. Zunächst wird die kulturelle Situation in Florenz sowie die Beziehung zwischen Kunst und Politik in der Zeit Cosimo I. skizziert, dann folgen Beiträge über die Begriffe idea und disegno, über Cellini als Zeichner, Goldschmied und Bildhauer, die Paragone-Debatte (der sog. "Rangstreit der Künste") und die Frage der Mehransichtigkeit der Skulptur, die Rezeption der Antike in der Zeit Cellinis und die Probleme der Autobiographie.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Der Band würdigt die verschiedenen Aspekte seines Schaffens. Zunächst wird die kulturelle Situation in Florenz sowie die Beziehung zwischen Kunst und Politik in der Zeit Cosimo I. skizziert, dann folgen Beiträge über die Begriffe idea und disegno, über Cellini als Zeichner, Goldschmied und Bildhauer, die Paragone-Debatte (der sog. "Rangstreit der Künste") und die Frage der Mehransichtigkeit der Skulptur, die Rezeption der Antike in der Zeit Cellinis und die Probleme der Autobiographie.
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Süddeutsche ZeitungDer Goldschmied mit der Axt
Perverse Phantasien der Kunst: Neues vom Renaissancegenie Benvenuto Cellini
In der Geschichte der Kunst gibt es Künstler, die bekannter sind als ihr Werk. Benvenuto Cellini (1500-1571), Florentiner Goldschmied und Bildhauer, gehörte zu denen, die schon zu Lebzeiten an ihrem eigenen Mythos weben. Cellini sekundierte sein plastisches Werk mit einer Autobiographie, „La Vita”, die erschöpfende Darstellung eines skandalösen Mannes, eines Egomanen, der die Mächtigen seiner Zeit mit seiner Kunst betörte, eines Exzentrikers, der sich, weil er die eigene Kunst als einzigartig ansah, das Recht nahm, ohne Gesetze zu leben und sich dreier Morde rühmte. Cellinis 500. Geburtstag gab Anlass zu einer Tagung der Cellini-Gesellschaft in Frankfurt, deren Ergebnisse nun in einem Sammelband vorliegen. Mit Frankfurt ist Cellini seit Goethe verbunden, der die „Vita” ins Deutsche übertrug.
Die Rezeptionsgeschichte der Autobiographie ist das Thema von Klaus Herding, um mit dem letzten Beitrag des in sieben Themengebiete gegliederten Buches zu beginnen. Für Goethe ist der leidenschaftliche und gewaltsame Geist Cellinis Identifikationsfigur und Gegenbild zugleich. Das Normen sprengende Künstlergenie präfiguriert die Sturm-und-Drang-Zeit des Dichters, der die (Un)möglichkeit, wie Cellini zu leben, in sich verspürte. Die Sympathie für seinen Protagonisten treibt Goethe dazu, ihn sich selbst anzuverwandeln, indem er ihm „im größten Widerspruch mit der leidenschaftlichen Natur sittliches und religioses Streben” unterstellte. Trotz „Willkür und Frechheit des Geschmacks” sah er (wie sich selbst) Cellini als „Repräsentant sämtlicher Menschheit”.
Traditionsbezug und Alteritätsbewusstsein, so Herding, spiegele sich in Goethes Übersetzung, was sich im Aneignen und Wegschieben des Helden äußere. Distanznahme geschieht über Historizitätsmarkierungen, dem bewusst altertümlichen Sprachduktus, aber auch über das Erkennen von Schwächen, die Goethe zu erklären sucht. Die Ich-Schwäche des sich ständig selbst beweihräuchernden Künstlers rechtfertigt er mit dem mühsamen Aufstieg vom inferioren Goldschmiedehandwerk zur „Höhe der Skulptur”, die Unbeherrschtheit und Libertinage sei Folge seiner Exzentrik, die mit den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht kompatibel war. Etwas später, in der Romantik, wurden all diese Schwächen dem Künstler als höchste Tugenden ausgelegt. In seinen kursorischen Überlegungen zur Cellini-Rezeption in den Bildern des 19. Jahrhundert zeigt Herding eine Lücke der kunsthistorischen Forschung auf.
Die Auslegung der Vita, die in der Vergangenheit den Blick auf Cellinis exzeptionellen Werke zu verstellen drohte, ist zwar nur eines unter vielen Themen des Bandes, bildet aber dessen Basso ostinato. Michael Cole, Verfasser der jüngsten, vielbeachteten Cellini-Monographie, widmet sich dem Entwurf eines Familienwappens, einer scheinbaren Marginalie des Œuvres, die sich als Emblem cellinesker Kunst entpuppen wird. Es geht um die Axt in der Pranke des Löwen, die in einem zweiten Entwurf zur Lilie wird. Die Axt als Attribut ihres Trägers sollte, so Cellini, ihn an die Rache seines ermordeten Bruders erinnern; sie erhob ihn aber auch in den Stand der Ritter. Der Goldschmied wird zum Krieger, die Streitaxt in der Hand in einer zweiten Bedeutung zum Attribut seiner Kunst, was gut zu Cellinis Selbstverständnis passte.
Sublimationen eines Mörders
Wie aber kam es zur Entwaffnung des Löwens? Cole sieht dies im Kontext einer Interpretation des Perseus, den Cosimo I. auf die Piazza dela Signoria als Monument des Friedens stellen ließ. Der mit den Waffen von Merkur und Minerva ausgestattete Held handelte klug und bedacht. Diese Waffen, die dem Perseus noch größere Kräfte verliehen, sind beides, Symbole für den von Cosimo I. für Florenz gewonnen Frieden und Werkzeuge der poiesis. Der Medusenkopf in seiner Hand ließ seine Betrachter bekanntlich zu Statuen werden. Die Statuengruppe wurde aus dem gleichen Bronzematerial gegossen wie die Kanonen, die in Friedenzeiten nicht mehr gebraucht wurden: Kunst tritt an die Stelle des Krieges.
Bei Cellini, so Cole, erhält diese Allegorie eine ihm gemäße Wendung, denn für ihn gründet sich Kunst, nicht nur die eigene, auf Gewalt. So wie in Ovids Metamorphosen Apolls Lyrik aus der Tötung des Hyazinth hervorgeht, so entstammen die eigenen Werke einer geistigen und körperlichen Gewalttat. Wie Kunst und Leben in der Künstlerperson Cellinis den „Status der Metapher unterlaufen”, führt auch Horst Bredekamp am Beispiel der drei Morde aus, die er als Analogie und Sublimation des künstlerischen Schaffensprozesses deutet.
Victor Stoichita spannt Cellinis Kunst in den Kontext einer Bildgeschichte und -theorie der Skulptur, die er am Beispiel des Helena-Raubs untersucht. Ausgang ist eine Passage von Bellori, der behauptet, Helena sei unmöglich so schön gewesen, dass man sich ihretwegen zehn Jahre bekriegen konnte. Statt der wirklichen Frau sei vielmehr eine Statue nach Troja gesegelt. Es handelt sich um eine erste ästhetische Auslegung der alten Legenden über Helenas Double.
Im folgenden gibt Stoichita eine interessante Begriffs- und Rezeptionsgeschichte des griechischen eidolon, das er durch die antike Literaturgeschichte des Helena-Raubs verfolgt. Die Bedeutung von eidolon als einem körperlosen Bild (Traum, Erscheinung oder Phantom) bei Homer ersetzt Platon durch das von einem Menschen gefertigte Abbild, das der Philosoph wegen dem Moment der Täuschung bekanntlich abwertet. Es beginnt nun die Geschichte der weiblichen Trugbilder, das, wie die knidische Aphrodite des Praxitiles, die Männer täuschte. Diese verfolgt Stoichita von einer mittelalterlichen Bildgeschichte bis hin zu Cellini, der es liebte, wenn seine Kunstwerke in den Augen der Betrachter lebendig wurden. Die Entstehungsgeschichte der Nymphe von Fontainebleau, die Cellini in seiner Vita beschreibt, zeigt nun, welch perverser sexueller Phantasie die Erschaffung eines ‚lebendigen‘ Kunstwerks entspringen kann.
Mit diesen Gedanken wird ein uraltes und zugleich hochaktuelles Kapitel der Bildgeschichte aufgeschlagen: die Poetik des Kunstwerks als einem quasi-lebendigen Organismus.
CHRISTIANE KRUSE
ANNA SCHREURS, ALESSANDRO NOVA (Hrsg.): Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2003. 413 Seiten, 64 Euro.
Grünes Leuchten: Cellinis Bronze des Perseus (1554) auf der Piazza della Signoria in Florenz.
Foto: AP / F. Giovannozzi
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Perverse Phantasien der Kunst: Neues vom Renaissancegenie Benvenuto Cellini
In der Geschichte der Kunst gibt es Künstler, die bekannter sind als ihr Werk. Benvenuto Cellini (1500-1571), Florentiner Goldschmied und Bildhauer, gehörte zu denen, die schon zu Lebzeiten an ihrem eigenen Mythos weben. Cellini sekundierte sein plastisches Werk mit einer Autobiographie, „La Vita”, die erschöpfende Darstellung eines skandalösen Mannes, eines Egomanen, der die Mächtigen seiner Zeit mit seiner Kunst betörte, eines Exzentrikers, der sich, weil er die eigene Kunst als einzigartig ansah, das Recht nahm, ohne Gesetze zu leben und sich dreier Morde rühmte. Cellinis 500. Geburtstag gab Anlass zu einer Tagung der Cellini-Gesellschaft in Frankfurt, deren Ergebnisse nun in einem Sammelband vorliegen. Mit Frankfurt ist Cellini seit Goethe verbunden, der die „Vita” ins Deutsche übertrug.
Die Rezeptionsgeschichte der Autobiographie ist das Thema von Klaus Herding, um mit dem letzten Beitrag des in sieben Themengebiete gegliederten Buches zu beginnen. Für Goethe ist der leidenschaftliche und gewaltsame Geist Cellinis Identifikationsfigur und Gegenbild zugleich. Das Normen sprengende Künstlergenie präfiguriert die Sturm-und-Drang-Zeit des Dichters, der die (Un)möglichkeit, wie Cellini zu leben, in sich verspürte. Die Sympathie für seinen Protagonisten treibt Goethe dazu, ihn sich selbst anzuverwandeln, indem er ihm „im größten Widerspruch mit der leidenschaftlichen Natur sittliches und religioses Streben” unterstellte. Trotz „Willkür und Frechheit des Geschmacks” sah er (wie sich selbst) Cellini als „Repräsentant sämtlicher Menschheit”.
Traditionsbezug und Alteritätsbewusstsein, so Herding, spiegele sich in Goethes Übersetzung, was sich im Aneignen und Wegschieben des Helden äußere. Distanznahme geschieht über Historizitätsmarkierungen, dem bewusst altertümlichen Sprachduktus, aber auch über das Erkennen von Schwächen, die Goethe zu erklären sucht. Die Ich-Schwäche des sich ständig selbst beweihräuchernden Künstlers rechtfertigt er mit dem mühsamen Aufstieg vom inferioren Goldschmiedehandwerk zur „Höhe der Skulptur”, die Unbeherrschtheit und Libertinage sei Folge seiner Exzentrik, die mit den gesellschaftlichen Verhältnissen nicht kompatibel war. Etwas später, in der Romantik, wurden all diese Schwächen dem Künstler als höchste Tugenden ausgelegt. In seinen kursorischen Überlegungen zur Cellini-Rezeption in den Bildern des 19. Jahrhundert zeigt Herding eine Lücke der kunsthistorischen Forschung auf.
Die Auslegung der Vita, die in der Vergangenheit den Blick auf Cellinis exzeptionellen Werke zu verstellen drohte, ist zwar nur eines unter vielen Themen des Bandes, bildet aber dessen Basso ostinato. Michael Cole, Verfasser der jüngsten, vielbeachteten Cellini-Monographie, widmet sich dem Entwurf eines Familienwappens, einer scheinbaren Marginalie des Œuvres, die sich als Emblem cellinesker Kunst entpuppen wird. Es geht um die Axt in der Pranke des Löwen, die in einem zweiten Entwurf zur Lilie wird. Die Axt als Attribut ihres Trägers sollte, so Cellini, ihn an die Rache seines ermordeten Bruders erinnern; sie erhob ihn aber auch in den Stand der Ritter. Der Goldschmied wird zum Krieger, die Streitaxt in der Hand in einer zweiten Bedeutung zum Attribut seiner Kunst, was gut zu Cellinis Selbstverständnis passte.
Sublimationen eines Mörders
Wie aber kam es zur Entwaffnung des Löwens? Cole sieht dies im Kontext einer Interpretation des Perseus, den Cosimo I. auf die Piazza dela Signoria als Monument des Friedens stellen ließ. Der mit den Waffen von Merkur und Minerva ausgestattete Held handelte klug und bedacht. Diese Waffen, die dem Perseus noch größere Kräfte verliehen, sind beides, Symbole für den von Cosimo I. für Florenz gewonnen Frieden und Werkzeuge der poiesis. Der Medusenkopf in seiner Hand ließ seine Betrachter bekanntlich zu Statuen werden. Die Statuengruppe wurde aus dem gleichen Bronzematerial gegossen wie die Kanonen, die in Friedenzeiten nicht mehr gebraucht wurden: Kunst tritt an die Stelle des Krieges.
Bei Cellini, so Cole, erhält diese Allegorie eine ihm gemäße Wendung, denn für ihn gründet sich Kunst, nicht nur die eigene, auf Gewalt. So wie in Ovids Metamorphosen Apolls Lyrik aus der Tötung des Hyazinth hervorgeht, so entstammen die eigenen Werke einer geistigen und körperlichen Gewalttat. Wie Kunst und Leben in der Künstlerperson Cellinis den „Status der Metapher unterlaufen”, führt auch Horst Bredekamp am Beispiel der drei Morde aus, die er als Analogie und Sublimation des künstlerischen Schaffensprozesses deutet.
Victor Stoichita spannt Cellinis Kunst in den Kontext einer Bildgeschichte und -theorie der Skulptur, die er am Beispiel des Helena-Raubs untersucht. Ausgang ist eine Passage von Bellori, der behauptet, Helena sei unmöglich so schön gewesen, dass man sich ihretwegen zehn Jahre bekriegen konnte. Statt der wirklichen Frau sei vielmehr eine Statue nach Troja gesegelt. Es handelt sich um eine erste ästhetische Auslegung der alten Legenden über Helenas Double.
Im folgenden gibt Stoichita eine interessante Begriffs- und Rezeptionsgeschichte des griechischen eidolon, das er durch die antike Literaturgeschichte des Helena-Raubs verfolgt. Die Bedeutung von eidolon als einem körperlosen Bild (Traum, Erscheinung oder Phantom) bei Homer ersetzt Platon durch das von einem Menschen gefertigte Abbild, das der Philosoph wegen dem Moment der Täuschung bekanntlich abwertet. Es beginnt nun die Geschichte der weiblichen Trugbilder, das, wie die knidische Aphrodite des Praxitiles, die Männer täuschte. Diese verfolgt Stoichita von einer mittelalterlichen Bildgeschichte bis hin zu Cellini, der es liebte, wenn seine Kunstwerke in den Augen der Betrachter lebendig wurden. Die Entstehungsgeschichte der Nymphe von Fontainebleau, die Cellini in seiner Vita beschreibt, zeigt nun, welch perverser sexueller Phantasie die Erschaffung eines ‚lebendigen‘ Kunstwerks entspringen kann.
Mit diesen Gedanken wird ein uraltes und zugleich hochaktuelles Kapitel der Bildgeschichte aufgeschlagen: die Poetik des Kunstwerks als einem quasi-lebendigen Organismus.
CHRISTIANE KRUSE
ANNA SCHREURS, ALESSANDRO NOVA (Hrsg.): Benvenuto Cellini. Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2003. 413 Seiten, 64 Euro.
Grünes Leuchten: Cellinis Bronze des Perseus (1554) auf der Piazza della Signoria in Florenz.
Foto: AP / F. Giovannozzi
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Frankfurter Allgemeine ZeitungWundersame Strategien der Betrachterlenkung
So läßt man sich Benvenuto Cellini gefallen: Eine Exegese des schillernden Renaissancekünstlers
Benvenuto Cellini war eine der schillerndsten und interessantesten Künstlerpersönlichkeiten der italienischen Renaissance. Entsprechend zeichnet sich der Umgang mit dem Phänomen Cellini durch eine merkwürdige "Doppelläufigkeit" aus: Entweder interessieren sich Kunsthistoriker für seine Werke, verfallen dabei aber häufig dem Irrtum, alle Angaben, die der Künstler in seiner Autobiographie zum Thema macht, für bare Münze zu halten. Verzweifelte Versuche, dort erwähnte, manchmal aber eben nur in der Selbstkonstruktion des autobiographischen Ich Cellini existierende Kunstwerke doch noch in irgendeiner Sammlung zu identifizieren, sind hierbei an der Tagesordnung. Oder aber Literaturwissenschaftler gehen allen Feinheiten autobiographischer Stilisierung in diesem Ego-Dokument nach, interessieren sich aber zumeist nicht für Cellini als bildenden Künstler. Ein Tagungsband, hervorgegangen aus dem Frankfurter Kongreß zu Cellinis fünfhundertstem Geburtstag im Jahr 2000, versucht jetzt, diese Zweigleisigkeit zu überwinden. Er verknüpft in vorbildlicher Weise die beiden bislang getrennten "Cellinis" zu einem vielschichtigen Untersuchungsgegenstand. Die Ausgangsfrage lautet hierbei: Überdeckt der selbstgeschaffene Mythos der Autobiographie die gerechte Würdigung des bildenden Künstlers?
Ein roter Faden, der sich durch fast alle Beiträge zieht, ist die Einbettung Cellinis in den kunsttheoretischen Kontext des Florentiner Cinquecento. Zwar war Cellini selbst alles andere als ein Theoretiker. Er spielt sein künstlerisches Machertum an mehreren Stellen der "Vita" betont gegen die dahergeredeten Spitzfindigkeiten angeblich wohlmeinender Berater aus - Cellini war "kein Mann des ikonographischen Tiefsinns" (Alexander Perrig). Und selbst sein berühmtes Theorem der acht (später dann "hundert oder mehr") Hauptansichten einer Skulptur mag man ihm in dieser buchhalterischen Formulierung nicht so recht als ernstgemeinten Theorieentwurf abnehmen. Dennoch setzt er sich ganz offenkundig in seinen Werken mit Diskussionen um Mehransichtigkeit von Skulptur und dem Wettstreit der Künste auseinander.
Alessandro Nova wendet sich in seinem Beitrag über "Paragone-Debatte und gemalte Theorie in der Zeit Cellinis" allerdings zu Recht gegen einen inflationären Gebrauch des Paragone-Begriffs, der allzuoft nur vordergründig aufgerufen wird und den Interpreten eines Kunstwerks eher von der präzisen Rekonstruktion des spezifischen Konkurrenzverhältnisses dispensiert. Manieristische Kunst illustriert selten platt kunsttheoretische Begriffe: Nova zeigt überzeugend, wie Perin del Vaga in seinen Fresken der Sala Paolina und Rosso Fiorentino in der Galerie von Fontainebleau mit Mitteln der Ironisierung und Persiflierung bereits die nächste Stufe kunsttheoretischer Raffinesse erklommen haben.
Raffael Rosenberg macht die Mehransichtigkeit von Skulpturen am Beispiel von Michelangelo zum Thema - dem größten, dennoch aber zu überbietenden Vorbild Cellinis. Er führt die gelungene Interpretation des "Bacchus" von Kerstin Schwedes aus: Die "Strategie der Betrachterlenkung" zielt hier darauf ab, dem Betrachter die poetische Idee des Weingottes am eigenen Leibe erfahrbar zu machen. Will er nämlich den Bacchus, dem Michelangelo keine privilegierte Schauseite gegeben hat, in seiner ganzen jugendlichen Schönheit erfassen, so muß er zwischen den unterschiedlichen möglichen Betrachterperspektiven wie trunken hin- und hertorkeln. Rosenbergs starke These, daß die Herausbildung bestimmter bevorzugter Betrachterstandpunkte vor Skulpturen besonders durch die Medien Druckgraphik und später Fotografie befördert worden sei, bleibt leider weitgehend unbelegtes Postulat.
Cellinis "Perseus" auf der Piazza della Signoria in Florenz lenkt nicht nur den Blick des Betrachters, wie John Shearman in seinem schönen Buch "Only connect" gezeigt hatte, er führt geradezu Regie unter all den Skulpturen, die in diesem monumentalen Freiluftmuseum versammelt sind. Die Frage nach "Art or Politics in the Piazza?" beantwortet Shearman hier nun mit der Aufdeckung einer kontinuierlichen Entwicklung von politischen zu ästhetischen Kriterien der Wertschätzung der Kunstwerke auf der Piazza. Kunst selbst wird zu einem Machtmittel, über das der Herrscher verfügt, und sie wird dies als Kunst, nicht als Trägerin offenkundiger politischer Botschaften. Cellinis "Perseus" überwindet "the power of context" der ihn umgebenden großen Kunstvorbilder leicht, indem er durch eine List, die nur dem Nachgeborenen verfügbar ist, die Macht unter ihnen ergreift: Das bronzene Medusenhaupt, das er trophäenartig vorzeigt, wird zur nachträglichen Motivation für die "Versteinerung" von Michelangelos "David" und von Baccio Bandinellis "Herkules und Cacus". Diese können sich der Petrifizierung nicht entziehen, weil sie lange vor dem "Perseus" aufgestellt wurden und nicht ahnen konnten, daß ihre damals ins Leere gerichteten Blicke sich eines Tages an Cellinis Meisterwerk versteinert brechen würden.
Eine kunsttheoretische Diskussion mit genuin künstlerischen Mitteln kann auch Daniela Bohde in ihrem Beitrag zum "Schatten des disegno" aufspüren. Sie interpretiert überzeugend Tizians späte "Schindung des Marsyas" als Bild-Antwort auf die Frage nach dem Vorrang von "disegno" (wie ihn die Florentiner Akademiker vertraten) oder "colorito" (dem in Venedig vorherrschenden Paradigma). In einer präzisen Bildanalyse, die sich auch durch Paradoxien nicht abschrecken läßt, sieht sie Tizians Darstellung Apolls als polemische Referenz auf den Apoll und dessen Rolle in Cellinis Entwurf für das Siegel der Florentiner Akademie: Tizian malt den Schinder des Marsyas als Künstler, der seinen Gegenstand nicht koloristisch belebt, sondern im "disegno" stillstellt und ausgerechnet dadurch tötet, daß er seine festgelegte "Formvorstellung an Marsyas heranträgt".
Eine der interessantesten Unterabteilungen des Bandes trägt die Überschrift "Benvenuto Cellini zwischen Biographie und Autobiographie". Paolo Rossi fragt dort, wie es einer Künstlerpersönlichkeit, die sich als autonom stilisiert, gelingt, sich in das Patronagesystem der Renaissance zu integrieren. Auf dem Fundament sozialhistorischen Faktenwissens und im Vergleich der zwei Redaktionsstufen von Cellinis "Trattati" entwickelt er die Hypothese, Cellini habe sich nach seiner Rückkehr aus Frankreich 1545 zunehmend als "letterato" und Intellektueller stilisiert, der über verwertbares Geheimwissen verfügt, das er dem Herrscher zur Verfügung stellt und das damit zu Herrschaftswissen wird. Ganz scheint diese Strategie allerdings nicht aufgegangen zu sein, wenn man Cellinis Lebensgang nach dem Perseusguß verfolgt: Stritt er bis dato mit Päpsten und Königen um Freibriefe, so jetzt nur noch mit dem betrügerischen Gauner Sbietta um Kleingeld. Und auch sein Abgang nach Pisa, mit dem die "Vita" lakonisch abbricht, läßt die Erfolgskurve, allen Stilisierungsbemühungen zum Trotz, eher nach unten verlaufen.
Victor Stoichita verfolgt durch Texte und Bilder das bereits in der antiken Literatur geläufige Motiv, daß sich der Trojanische Krieg nicht an der schönen Helena selbst, sondern an ihrer Doppelgängerin, einer auf wunderbare Weise lebensecht wirkenden Statue, entzündet habe. Seine Motivsuche nach der Statue als Doppelgängerin führt ihn mit vielen Zwischenschritten von Euripides über Bellori, Maerten van Heemskerck und Cellini selbst bis zu Shakespeares "Winter's Tale". Im Vorbeigehen wirft er bei dieser virtuosen Motivgeschichte zugleich zwei große Fragestellungen auf, die jede eines DFG-Antrags würdig wären: zum einen eine zu schreibende "Begriffsgeschichte der älteren Bildpraxis", zum andern eine "historische Anthropologie der Scheinbilder". Auch Gerhard Wolf entzündet in seinem Beitrag über ",Cellini' zwischen Narziß und Medusa" ein intellektuelles Feuerwerk, das die Motive von Spiegel, Bild und Blick im Vexierspiel von Verlebendigung und Erstarrung aufscheinen läßt.
Cellinis Autobiographie erschien erst 1728, so daß dieser Solitär durchgehaltener Stilisierung bezeichnenderweise erst im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert, dem Jahrhundert der Autobiographik par excellence, Furore gemacht hat. Dies geschah vor allem durch Goethes Übertragung ins Deutsche von 1796/97, die als Gesamttext 1803 erschien, und aus der man fast mehr über Goethes Künstlerselbstbild als über Cellini erfährt. Dem beginnenden neunzehnten Jahrhundert kam die Selbstverherrlichung autonomen Künstlertums gerade recht, wie Klaus Herding im "Finale" des Bandes zur Rezeptionsgeschichte Cellinis als Reflexionsgeschichte des modernen Künstlers zeigt. Seine Bemerkungen zu Goethe sind allerdings wesentlich treffender als seine Überlegungen zu Hector Berlioz - der nun wirklich alles andere als ein "melancholischer Grübler" war und in seiner Oper "Benvenuto Cellini" eher andere Ziele verfolgte, als der Begriffstrias "traurig, lyrisch, siegreich" zum Durchbruch zu verhelfen. Dennoch bleibt Herdings Beitrag ein ermutigender Versuch eines Brückenschlags zwischen zwei kunstwissenschaftlichen Fächern, die im Forschungsbetrieb nur allzuoft dialoglos nebeneinanderher existieren.
CHRISTINE TAUBER
Alessandro Nova, Anna Schreurs (Hrsg.): "Benvenuto Cellini". Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2003. 416 S., Abb. auf Tafeln, geb., 64,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So läßt man sich Benvenuto Cellini gefallen: Eine Exegese des schillernden Renaissancekünstlers
Benvenuto Cellini war eine der schillerndsten und interessantesten Künstlerpersönlichkeiten der italienischen Renaissance. Entsprechend zeichnet sich der Umgang mit dem Phänomen Cellini durch eine merkwürdige "Doppelläufigkeit" aus: Entweder interessieren sich Kunsthistoriker für seine Werke, verfallen dabei aber häufig dem Irrtum, alle Angaben, die der Künstler in seiner Autobiographie zum Thema macht, für bare Münze zu halten. Verzweifelte Versuche, dort erwähnte, manchmal aber eben nur in der Selbstkonstruktion des autobiographischen Ich Cellini existierende Kunstwerke doch noch in irgendeiner Sammlung zu identifizieren, sind hierbei an der Tagesordnung. Oder aber Literaturwissenschaftler gehen allen Feinheiten autobiographischer Stilisierung in diesem Ego-Dokument nach, interessieren sich aber zumeist nicht für Cellini als bildenden Künstler. Ein Tagungsband, hervorgegangen aus dem Frankfurter Kongreß zu Cellinis fünfhundertstem Geburtstag im Jahr 2000, versucht jetzt, diese Zweigleisigkeit zu überwinden. Er verknüpft in vorbildlicher Weise die beiden bislang getrennten "Cellinis" zu einem vielschichtigen Untersuchungsgegenstand. Die Ausgangsfrage lautet hierbei: Überdeckt der selbstgeschaffene Mythos der Autobiographie die gerechte Würdigung des bildenden Künstlers?
Ein roter Faden, der sich durch fast alle Beiträge zieht, ist die Einbettung Cellinis in den kunsttheoretischen Kontext des Florentiner Cinquecento. Zwar war Cellini selbst alles andere als ein Theoretiker. Er spielt sein künstlerisches Machertum an mehreren Stellen der "Vita" betont gegen die dahergeredeten Spitzfindigkeiten angeblich wohlmeinender Berater aus - Cellini war "kein Mann des ikonographischen Tiefsinns" (Alexander Perrig). Und selbst sein berühmtes Theorem der acht (später dann "hundert oder mehr") Hauptansichten einer Skulptur mag man ihm in dieser buchhalterischen Formulierung nicht so recht als ernstgemeinten Theorieentwurf abnehmen. Dennoch setzt er sich ganz offenkundig in seinen Werken mit Diskussionen um Mehransichtigkeit von Skulptur und dem Wettstreit der Künste auseinander.
Alessandro Nova wendet sich in seinem Beitrag über "Paragone-Debatte und gemalte Theorie in der Zeit Cellinis" allerdings zu Recht gegen einen inflationären Gebrauch des Paragone-Begriffs, der allzuoft nur vordergründig aufgerufen wird und den Interpreten eines Kunstwerks eher von der präzisen Rekonstruktion des spezifischen Konkurrenzverhältnisses dispensiert. Manieristische Kunst illustriert selten platt kunsttheoretische Begriffe: Nova zeigt überzeugend, wie Perin del Vaga in seinen Fresken der Sala Paolina und Rosso Fiorentino in der Galerie von Fontainebleau mit Mitteln der Ironisierung und Persiflierung bereits die nächste Stufe kunsttheoretischer Raffinesse erklommen haben.
Raffael Rosenberg macht die Mehransichtigkeit von Skulpturen am Beispiel von Michelangelo zum Thema - dem größten, dennoch aber zu überbietenden Vorbild Cellinis. Er führt die gelungene Interpretation des "Bacchus" von Kerstin Schwedes aus: Die "Strategie der Betrachterlenkung" zielt hier darauf ab, dem Betrachter die poetische Idee des Weingottes am eigenen Leibe erfahrbar zu machen. Will er nämlich den Bacchus, dem Michelangelo keine privilegierte Schauseite gegeben hat, in seiner ganzen jugendlichen Schönheit erfassen, so muß er zwischen den unterschiedlichen möglichen Betrachterperspektiven wie trunken hin- und hertorkeln. Rosenbergs starke These, daß die Herausbildung bestimmter bevorzugter Betrachterstandpunkte vor Skulpturen besonders durch die Medien Druckgraphik und später Fotografie befördert worden sei, bleibt leider weitgehend unbelegtes Postulat.
Cellinis "Perseus" auf der Piazza della Signoria in Florenz lenkt nicht nur den Blick des Betrachters, wie John Shearman in seinem schönen Buch "Only connect" gezeigt hatte, er führt geradezu Regie unter all den Skulpturen, die in diesem monumentalen Freiluftmuseum versammelt sind. Die Frage nach "Art or Politics in the Piazza?" beantwortet Shearman hier nun mit der Aufdeckung einer kontinuierlichen Entwicklung von politischen zu ästhetischen Kriterien der Wertschätzung der Kunstwerke auf der Piazza. Kunst selbst wird zu einem Machtmittel, über das der Herrscher verfügt, und sie wird dies als Kunst, nicht als Trägerin offenkundiger politischer Botschaften. Cellinis "Perseus" überwindet "the power of context" der ihn umgebenden großen Kunstvorbilder leicht, indem er durch eine List, die nur dem Nachgeborenen verfügbar ist, die Macht unter ihnen ergreift: Das bronzene Medusenhaupt, das er trophäenartig vorzeigt, wird zur nachträglichen Motivation für die "Versteinerung" von Michelangelos "David" und von Baccio Bandinellis "Herkules und Cacus". Diese können sich der Petrifizierung nicht entziehen, weil sie lange vor dem "Perseus" aufgestellt wurden und nicht ahnen konnten, daß ihre damals ins Leere gerichteten Blicke sich eines Tages an Cellinis Meisterwerk versteinert brechen würden.
Eine kunsttheoretische Diskussion mit genuin künstlerischen Mitteln kann auch Daniela Bohde in ihrem Beitrag zum "Schatten des disegno" aufspüren. Sie interpretiert überzeugend Tizians späte "Schindung des Marsyas" als Bild-Antwort auf die Frage nach dem Vorrang von "disegno" (wie ihn die Florentiner Akademiker vertraten) oder "colorito" (dem in Venedig vorherrschenden Paradigma). In einer präzisen Bildanalyse, die sich auch durch Paradoxien nicht abschrecken läßt, sieht sie Tizians Darstellung Apolls als polemische Referenz auf den Apoll und dessen Rolle in Cellinis Entwurf für das Siegel der Florentiner Akademie: Tizian malt den Schinder des Marsyas als Künstler, der seinen Gegenstand nicht koloristisch belebt, sondern im "disegno" stillstellt und ausgerechnet dadurch tötet, daß er seine festgelegte "Formvorstellung an Marsyas heranträgt".
Eine der interessantesten Unterabteilungen des Bandes trägt die Überschrift "Benvenuto Cellini zwischen Biographie und Autobiographie". Paolo Rossi fragt dort, wie es einer Künstlerpersönlichkeit, die sich als autonom stilisiert, gelingt, sich in das Patronagesystem der Renaissance zu integrieren. Auf dem Fundament sozialhistorischen Faktenwissens und im Vergleich der zwei Redaktionsstufen von Cellinis "Trattati" entwickelt er die Hypothese, Cellini habe sich nach seiner Rückkehr aus Frankreich 1545 zunehmend als "letterato" und Intellektueller stilisiert, der über verwertbares Geheimwissen verfügt, das er dem Herrscher zur Verfügung stellt und das damit zu Herrschaftswissen wird. Ganz scheint diese Strategie allerdings nicht aufgegangen zu sein, wenn man Cellinis Lebensgang nach dem Perseusguß verfolgt: Stritt er bis dato mit Päpsten und Königen um Freibriefe, so jetzt nur noch mit dem betrügerischen Gauner Sbietta um Kleingeld. Und auch sein Abgang nach Pisa, mit dem die "Vita" lakonisch abbricht, läßt die Erfolgskurve, allen Stilisierungsbemühungen zum Trotz, eher nach unten verlaufen.
Victor Stoichita verfolgt durch Texte und Bilder das bereits in der antiken Literatur geläufige Motiv, daß sich der Trojanische Krieg nicht an der schönen Helena selbst, sondern an ihrer Doppelgängerin, einer auf wunderbare Weise lebensecht wirkenden Statue, entzündet habe. Seine Motivsuche nach der Statue als Doppelgängerin führt ihn mit vielen Zwischenschritten von Euripides über Bellori, Maerten van Heemskerck und Cellini selbst bis zu Shakespeares "Winter's Tale". Im Vorbeigehen wirft er bei dieser virtuosen Motivgeschichte zugleich zwei große Fragestellungen auf, die jede eines DFG-Antrags würdig wären: zum einen eine zu schreibende "Begriffsgeschichte der älteren Bildpraxis", zum andern eine "historische Anthropologie der Scheinbilder". Auch Gerhard Wolf entzündet in seinem Beitrag über ",Cellini' zwischen Narziß und Medusa" ein intellektuelles Feuerwerk, das die Motive von Spiegel, Bild und Blick im Vexierspiel von Verlebendigung und Erstarrung aufscheinen läßt.
Cellinis Autobiographie erschien erst 1728, so daß dieser Solitär durchgehaltener Stilisierung bezeichnenderweise erst im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert, dem Jahrhundert der Autobiographik par excellence, Furore gemacht hat. Dies geschah vor allem durch Goethes Übertragung ins Deutsche von 1796/97, die als Gesamttext 1803 erschien, und aus der man fast mehr über Goethes Künstlerselbstbild als über Cellini erfährt. Dem beginnenden neunzehnten Jahrhundert kam die Selbstverherrlichung autonomen Künstlertums gerade recht, wie Klaus Herding im "Finale" des Bandes zur Rezeptionsgeschichte Cellinis als Reflexionsgeschichte des modernen Künstlers zeigt. Seine Bemerkungen zu Goethe sind allerdings wesentlich treffender als seine Überlegungen zu Hector Berlioz - der nun wirklich alles andere als ein "melancholischer Grübler" war und in seiner Oper "Benvenuto Cellini" eher andere Ziele verfolgte, als der Begriffstrias "traurig, lyrisch, siegreich" zum Durchbruch zu verhelfen. Dennoch bleibt Herdings Beitrag ein ermutigender Versuch eines Brückenschlags zwischen zwei kunstwissenschaftlichen Fächern, die im Forschungsbetrieb nur allzuoft dialoglos nebeneinanderher existieren.
CHRISTINE TAUBER
Alessandro Nova, Anna Schreurs (Hrsg.): "Benvenuto Cellini". Kunst und Kunsttheorie im 16. Jahrhundert. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2003. 416 S., Abb. auf Tafeln, geb., 64,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieser von Alessandro Nova und Anna Schreurs herausgegebene Band zu einer Tagung aus Anlass von Benvenuto Cellinis fünfhundertstem Geburtstag verknüpfe, lobt Christine Tauber, "in vorbildlicher Weise" die beiden bislang getrennten Umgangsweisen mit dem Phänomen Cellini, einer der, wie die Rezensentin hervorhebt, "schillerndsten und interessantesten Künstlerpersönlichkeiten" der italienischen Renaissance. Bislang haben, erklärt die Rezensentin, nämlich entweder Kunsthistoriker sich den Werken Cellinis zugewandt, und verfuhren dabei recht naiv mit der autobiografischen Selbstkonstruktion des Künstlers, oder aber Literaturwissenschaftler haben sich allein mit den Feinheiten dieser künstlerischen Selbststilisierung beschäftigt. Dieser Band nun verknüpft zur Freude der Rezensentin beide Stränge.
© Perlentaucher Medien GmbH
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