Als mittelalterliche Siedlung, prächtige Hofmark und Münchens klassischer Industriestandort kann Berg am Laim auf eine besonders lange und ereignisreiche Geschichte zurückblicken. Die Autoren präsentieren mit viel Kenntnis und Gespür alles Wissenswerte rund um Berg am Laim: Anschaulich werden die ersten Siedlungsspuren, der wittelsbachische Herrschersitz oder das Barockjuwel St. Michael vorgestellt. Industrialisierung und Verstädterung bis zur Eingemeindung nach München im Jahre 1913 zeigen, wie eine Gemeinde auf dem Weg zum Stadtteil Münchens ihr Gesicht verändert. Von tragischen Schicksalen ist in Zusammenhang mit der "Heimanlage für Juden" und dem 2. Weltkrieg die Rede. Einblicke in das Schul- und Vereins -leben, in Feste und Feiern, runden das Bild ab.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.12.2006Berg am Laim: Beeindruckender Bilderreichtum
Zwei Werke unter einem Buchdeckel
Autoren schlagen den Bogen von den Siedlungsanfängen zum modernen Stadtteil
Von Renate Winkler-Schlang
Die Truderinger Straße als Allee mit zwei einsamen Radlern: Kaum zu glauben, dass dieser Schnappschuss erst 1960 entstanden sein soll. Frösteln lässt einen dagegen das düstere Schwarz-Weiß-Foto vom Überschwemmungsgebiet des Hachinger Baches im Winter 1916, auf dem die Kirche St. Michael nur schemenhaft im Nebel zu vermuten ist. Wehmut wecken die alten Handwerkerhäuschen, die fast alle großen Neubauten weichen mussten. Auf dem Foto der Schulklasse von 1951 mag mancher sich selbst noch erkennen. Hakenkreuze auf anderen Aufnahmen machen die zeitliche Zuordnung leicht. Aber auch das 1999 geschossene Bild von der Einweihung der U 2 Ost ist bereits ein Dokument.
Erst schauen, dann lesen: Das nun im Volk-Verlag erschienene Buch „Berg am Laim – Von den Siedlungsanfängen zum modernen Stadtteil Münchens” von Christl Knauer-Nothaft und Erich Kasberger besticht sofort durch sein reiches Bildmaterial. Auf 448 Seiten hat das Werk mehr als 450 Abbildungen: Landkarten, Kupferstiche, Dokumente, verblichene Postkarten und Schätze aus privaten Alben. In seinem letzten Kapitel „Ein Blick durch die Kamera – Berg am Laim im Spiegel der Fotografie” macht Kasberger dies selbst zum Thema, weist etwa darauf hin, dass privat leider selten an Arbeitsplätzen fotografiert wurde.
Zu verdanken ist der Bilderreichtum des Buches vor allem dem Kulturreferenten des Bezirksausschusses, Helmut Kolmeder. 20 Stadtteilkalender hat Kolmeder bereits gemeinsam mit Kasberger herausgegeben – heuer macht er eigens Pause zu Gunsten des Buches, damit die Berg am Laimer kurz vor Weihnachten nicht die Qual der Wahl haben. Immer wieder geht er selbst mit der Kamera durch den Stadtteil – damit wichtige Eindrücke und Ereignisse nicht verloren sind. Auf Börsen und Auktionen hat Kolmeder historische Postkarten aufgestöbert. Nach jedem Kalender war er als gewissenhafter Bewahrer noch ein bisschen bekannter. Ganze Alben vertrauten alte Berg am Laimer ihm und damit dem Archiv des Bürgerkreises an.
Überhaupt der Bürgerkreis: Schon das erste Berg am Laim-Buch des selben Autorenteams,1987 geschrieben, und seit vier Jahren vergriffen, war entstanden, weil der Bürgerkreis den beiden Historikern Mut machte. Diesmal kam zur steten Nachfrage vor allem der Vorsitzenden Hannelore Steffen auch ein Recherchekostenzuschuss des Bürgerkreises von insgesamt 3000 Euro. 9000 Euro Druckkostenzuschuss gewährte der Bezirksausschuss, damit das Buch viele Heimatkundestunden bereichern wird.
Eigentlich finden sich hier zwei Werke unter einem Buchdeckel: Christel Knauer-Nothaft ist Spezialistin für den weiten Bogen von der Jungsteinzeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier geht es um Adelsherren, Kirchen und Klöster, aber auch um Bauern und Tagelöhner. Seit dem ersten Buch taten sich für die Forscherin viele neue Quellen auf, die sie hier würdigt. Fündig wird etwa, war wissen will, wo die Josephsburg lag, die einem U-Bahnhof den Namen gab.
Auch Kasberger hat gründlich und völlig neu recherchiert. Er arbeitet die Ereignisse nicht chronologisch auf, sondern fasst sie zusammen in Kapitel wie etwa über „Raum und Raumwahrnehmung”, „Feste, Feiern und Vereine” oder „Urbanisierung, Industrialisierung, lokale und globale Welten”. Das ausführliche Register hilft festzustellen, dass wirklich nichts ausgelassen wurde.
Man schreibt das Jahr 1956: Die Türme von St. Michael samt Baugerüst bilden den Hintergrund für drei coole „Halbstarke”: Eine Aufnahme aus dem privaten Album von Dieter Straube. Foto: oh
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Zwei Werke unter einem Buchdeckel
Autoren schlagen den Bogen von den Siedlungsanfängen zum modernen Stadtteil
Von Renate Winkler-Schlang
Die Truderinger Straße als Allee mit zwei einsamen Radlern: Kaum zu glauben, dass dieser Schnappschuss erst 1960 entstanden sein soll. Frösteln lässt einen dagegen das düstere Schwarz-Weiß-Foto vom Überschwemmungsgebiet des Hachinger Baches im Winter 1916, auf dem die Kirche St. Michael nur schemenhaft im Nebel zu vermuten ist. Wehmut wecken die alten Handwerkerhäuschen, die fast alle großen Neubauten weichen mussten. Auf dem Foto der Schulklasse von 1951 mag mancher sich selbst noch erkennen. Hakenkreuze auf anderen Aufnahmen machen die zeitliche Zuordnung leicht. Aber auch das 1999 geschossene Bild von der Einweihung der U 2 Ost ist bereits ein Dokument.
Erst schauen, dann lesen: Das nun im Volk-Verlag erschienene Buch „Berg am Laim – Von den Siedlungsanfängen zum modernen Stadtteil Münchens” von Christl Knauer-Nothaft und Erich Kasberger besticht sofort durch sein reiches Bildmaterial. Auf 448 Seiten hat das Werk mehr als 450 Abbildungen: Landkarten, Kupferstiche, Dokumente, verblichene Postkarten und Schätze aus privaten Alben. In seinem letzten Kapitel „Ein Blick durch die Kamera – Berg am Laim im Spiegel der Fotografie” macht Kasberger dies selbst zum Thema, weist etwa darauf hin, dass privat leider selten an Arbeitsplätzen fotografiert wurde.
Zu verdanken ist der Bilderreichtum des Buches vor allem dem Kulturreferenten des Bezirksausschusses, Helmut Kolmeder. 20 Stadtteilkalender hat Kolmeder bereits gemeinsam mit Kasberger herausgegeben – heuer macht er eigens Pause zu Gunsten des Buches, damit die Berg am Laimer kurz vor Weihnachten nicht die Qual der Wahl haben. Immer wieder geht er selbst mit der Kamera durch den Stadtteil – damit wichtige Eindrücke und Ereignisse nicht verloren sind. Auf Börsen und Auktionen hat Kolmeder historische Postkarten aufgestöbert. Nach jedem Kalender war er als gewissenhafter Bewahrer noch ein bisschen bekannter. Ganze Alben vertrauten alte Berg am Laimer ihm und damit dem Archiv des Bürgerkreises an.
Überhaupt der Bürgerkreis: Schon das erste Berg am Laim-Buch des selben Autorenteams,1987 geschrieben, und seit vier Jahren vergriffen, war entstanden, weil der Bürgerkreis den beiden Historikern Mut machte. Diesmal kam zur steten Nachfrage vor allem der Vorsitzenden Hannelore Steffen auch ein Recherchekostenzuschuss des Bürgerkreises von insgesamt 3000 Euro. 9000 Euro Druckkostenzuschuss gewährte der Bezirksausschuss, damit das Buch viele Heimatkundestunden bereichern wird.
Eigentlich finden sich hier zwei Werke unter einem Buchdeckel: Christel Knauer-Nothaft ist Spezialistin für den weiten Bogen von der Jungsteinzeit bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Hier geht es um Adelsherren, Kirchen und Klöster, aber auch um Bauern und Tagelöhner. Seit dem ersten Buch taten sich für die Forscherin viele neue Quellen auf, die sie hier würdigt. Fündig wird etwa, war wissen will, wo die Josephsburg lag, die einem U-Bahnhof den Namen gab.
Auch Kasberger hat gründlich und völlig neu recherchiert. Er arbeitet die Ereignisse nicht chronologisch auf, sondern fasst sie zusammen in Kapitel wie etwa über „Raum und Raumwahrnehmung”, „Feste, Feiern und Vereine” oder „Urbanisierung, Industrialisierung, lokale und globale Welten”. Das ausführliche Register hilft festzustellen, dass wirklich nichts ausgelassen wurde.
Man schreibt das Jahr 1956: Die Türme von St. Michael samt Baugerüst bilden den Hintergrund für drei coole „Halbstarke”: Eine Aufnahme aus dem privaten Album von Dieter Straube. Foto: oh
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