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Marcel ist dreizehn. In Auschwitz hat er schwer verletzt eine Erschießungsaktion überlebt und wurde zum Liebling eines deutschen Offiziers. Jahre nach der Befreiung terrorisiert er im Waisenheim von Andresy bei Paris die anderen Kinder. "In Auschwitz war ich frei. Da konnte ich die Hunde auf die Juden hetzen", brüllt Marcel. Jude ist er selber, so wie die anderen im Heim. Sie alle sind Überlebende, allein zurückgeblieben mit Alptraumbildern im Kopf, teils wehrlos, teils selbst brutal geworden.
Diese schwierigen Fälle zu betreuen ist zu Beginn der fünfziger Jahre die Arbeit von Joseph Berg.
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Produktbeschreibung
Marcel ist dreizehn. In Auschwitz hat er schwer verletzt eine Erschießungsaktion überlebt und wurde zum Liebling eines deutschen Offiziers. Jahre nach der Befreiung terrorisiert er im Waisenheim von Andresy bei Paris die anderen Kinder. "In Auschwitz war ich frei. Da konnte ich die Hunde auf die Juden hetzen", brüllt Marcel. Jude ist er selber, so wie die anderen im Heim. Sie alle sind Überlebende, allein zurückgeblieben mit Alptraumbildern im Kopf, teils wehrlos, teils selbst brutal geworden.

Diese schwierigen Fälle zu betreuen ist zu Beginn der fünfziger Jahre die Arbeit von Joseph Berg. Er begleitet das Leben der Kinder, ihre Suche nach Normalität, begeistert sie für Jazz und die Marx-Brothers, Rollschuhfahren und die Tour de France und versucht, ihnen ein Stück normales Leben zurückzugeben. Dabei schreibt er Briefe an seinen verlorenen Freund Henri Beck, Briefe, von denen er weiß, daß sie niemals gelesen werden, denn auch Henri wurde im Zuge der großen Juden-Razzia in Parisverhaftet und deportiert.
Autorenporträt
Robert Bober, geb. 1931 in Berlin, arbeitete zunächst als Schneider, Töpfer und Erzieher, bevor er sich als Regisseur und Dokumentarfilmer großes Ansehen erwarb. 1933 Emigration mit seinen Eltern nach Paris, wo er seitdem lebt. Er war Assistent bei Truffaut und hat zahlreiche Dokumentarfilme gedreht. 'Was gibt's Neues vom Krieg', sein erster Roman, wurde 1993 mit dem begehrten Rundfunkpreis 'Prix Livre Inter' ausgezeichnet.
Rezensionen
"Ein schmales Buch, das uns mehr über die Erinnerung an die Shoah lehrt als alle Museen und Mahnmale zusammen." Klara Obermüller in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'

"Robert Bober gehört zu den wichtigsten, weil überzeugendsten Vertretern einer Erinnerungsliteratur, die wissend von der anhaltend großen Trauer spricht, die die Schreie der Opfer und ihrer Kinder nicht verdrängt und die bei aller Melancholie dennoch die Hoffnung auf ein zwar 'schwieriges, aber erfülltes Leben' für die Traumatisierten nicht preisgibt." Ute Stempel in der 'Süddeutschen Zeitung'

"All diese Kinder tragen schwer an der Last ihrer Erinnerung. Sie hat sie verstört, ausgelaugt, krank und alt gemacht. Diese Erinnerung lebt fortwährend in ihnen, für Sekunden vergessen, blitzt sie plötzlich auf und zerstört eine Ahnung von Glück, die gerade keimte. In diesen Momenten bleibt einem das Herz stehen." Adam Olschewski im 'Tages-Anzeiger', Zürich

"Wieder erweist sich: weniger ist mehr. Nicht das Ausmalen des Grauens erzeugt Erschütterung. Eher dessen Andeutung, Aussparung. Nur wenn die Fantasie des Lesers Leerstellen füllen darf, wird sie wirklich in Bewegung gesetzt [...] Bobers Romane beeindrucken durch eine kunstvolle Beiläufigkeit, in der Gedenken schnörkellos vonstatten geht - und uns gerade darum anspricht." Tilman Krause in der 'Welt'

"Ein empfindliches Buch, empfindlich wie die beschädigten Seelen der Kinder, die es beschreibt. Man liest es nicht ohne Scheu und mit großer Bewegung." Martin Ebel im 'Rheinischen Merkur'

"Bücher, aus denen wir klüger hervorgehen, als wir waren, sind die wahrhaftig erzählten. Dies ist eines davon." Jochen Jung in der 'Zeit'
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2000

Verwirrte Schuhe
Robert Bober sammelt unvergessliche Erinnerungen

Während die Wiener Philharmoniker sich darauf vorbereiten, 55 Jahre nach der Befreiung im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen Beethovens "Neunte" zu spielen, und in Berlin das umstrittene Holocaust-Mahnmal noch immer nicht gebaut ist, erscheint in Frankreich ein schmales Buch, das uns mehr über die Erinnerung an die Shoah lehrt als alle Museen und Mahnmale zusammen. Es handelt von Kindern, die die Vernichtung überlebt haben und auf ihre Weise versuchen, mit der Last der Erinnerung fertig zu werden. Manche ihrer Geschichten sind so unglaublich, dass man sie einem anderen als Robert Bober kaum abnehmen würde.

Doch Robert Bober, 1931 in Berlin geboren und heute in Paris lebend, ist selbst einer, der davongekommen ist. Am Ende des Krieges war er vierzehn Jahre alt. Er weiß, wovon er redet und wie wichtig diese Geschichten sind, die Kinder wie Erwachsene über Krieg und Verfolgung hinweggerettet haben. Denn sie sind oftmals das Einzige, was die Überlebenden ihr Eigen nennen: das Einzige, was ihnen sagt, dass sie überhaupt existieren.

Schon in seinem ersten Buch, "Was gibt's Neues vom Krieg?", hatte er im Mikrokosmos einer Pariser Damenschneiderei Menschen versammelt, die sich an ihre Geschichten klammerten wie an ein Stück Treibholz auf offener See. Mit seinem neuen Roman nun, "Berg und Beck", entführt er uns wieder in eine solche geschlossene Welt. Diesmal sind es jene französischen Kinderheime, die nach dem Krieg jüdische Kinder aufnahmen, um sie auf ein Leben nach dem Überleben vorzubereiten. Joseph Berg, einer ihrer jugendlichen Betreuer, erzählt uns ihre Geschichten. Auch er ist ein Überlebender. Seine Familie ist, anders als die seines Schulfreundes Henri Beck, den deutschen Judenrazzien in Paris entkommen. Er erzählt, "um die Zeit wieder zu finden, als Henri Beck noch da war". Und er schreibt Briefe, Briefe an den toten Freund: "Beck hat nur noch einen Namen. Beck ist jetzt nur noch der, dem ich schreibe." Briefe sind Erinnerungen in schriftlicher Form. Sie halten die Toten lebendig.

Das wissen auch die Kinder, von denen uns Joseph Berg erzählt. Jedes bewahrt Gegenstände auf, die an Verlorenes erinnern: ein leeres Blatt Papier, das der ältere Bruder einmal geschickt hatte, eine Puppe, die eine Art Mutterersatz darstellt. Jedes tut auf seine Weise Dinge, die Unbewältigtes verarbeiten helfen: Laura malt Punkte auf ein Blatt Papier, die niemand zu deuten weiß, bis sich herausstellt, dass sie für Orte wie Bergen-Belsen, Ravensbrück oder Sobibor stehen. Nathan schichtet im Schaufenster seines Onkels Schuhe aufeinander, wie er es auf Bildern aus Auschwitz gesehen hat.

Es sind schwierige Kinder, die da im Waisenhaus von Ambésy zusammengefunden haben. Obwohl sie ausgelassen sein können wie andere Kinder, tragen sie ein Wissen mit sich herum, das umso schwerer wiegt, als sie es nicht in Worte fassen können. Sie haben nur Tränen, um sich auszudrücken, und jene befremdlichen, bisweilen destruktiven Verhaltensweisen, deren Bedeutung sich den Erwachsenen nur durch Zufall enthüllt. Man müsste viel von ihnen wissen, um sie zu verstehen; aber sie können nicht sagen, was sie wissen.

Robert Bober setzt ihnen mit seinem Buch ein kleines Denkmal. Wir erfahren nicht, was aus diesen Kindern geworden ist. Es gibt sie nur, weil einer über sie schreibt, leicht, fast beiläufig und mit jener Zärtlichkeit, wie wir sie schon aus Bobers erstem Buch kennen. Bober braucht keine Monumente aus Stein, keine Museen voller schrecklicher Bilder, um zu sagen, was Menschen angetan wurde. Ihm reichen die Worte, ihm genügen Geschichten, um die Erinnerung wach zu halten. In den Geschichten spiegelt sich ein Entsetzen, das unauslöschlich bleibt.

KLARA OBERMÜLLER

Robert Bober: "Berg und Beck". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Tobias Scheffel. Antje Kunstmann Verlag, München 2000. 182 S., geb., 32,- DM.

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"Bücher, aus denen wir klüger hervorgehen, als wir waren, sind die wahrhaftig erzählten. Dies ist eines davon." (Jochen Jung in der 'Zeit')