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Immer mehr Menschen erzählen davon, daß sie eine Erfahrung in der Nähe des Todes gemacht haben. Zum erstenmal kommen hier Betroffene aus dem deutschsprachigen Raum ausführlich zu Wort. Hubert Knoblauch hat mit ihnen gesprochen und in der europaweit ersten Untersuchung zu Todesnähe-Erfahrungen überraschende Ergebnisse zutage gefördert. Ein Buch, das diese Erfahrungen ernst nimmt, aber auch aufräumt mit herkömmlichen Mythen, die die Wirklichkeit verstellen.

Produktbeschreibung
Immer mehr Menschen erzählen davon, daß sie eine Erfahrung in der Nähe des Todes gemacht haben. Zum erstenmal kommen hier Betroffene aus dem deutschsprachigen Raum ausführlich zu Wort. Hubert Knoblauch hat mit ihnen gesprochen und in der europaweit ersten Untersuchung zu Todesnähe-Erfahrungen überraschende Ergebnisse zutage gefördert. Ein Buch, das diese Erfahrungen ernst nimmt, aber auch aufräumt mit herkömmlichen Mythen, die die Wirklichkeit verstellen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Erstmals, so der Rezensent Michael Allmaier, hat hier ein Soziologe ein Buch über die Nahtod-Erfahrung vorgelegt und Betrübliches herausgefunden: Die Nahtod-Erfahrung, wird keineswegs von allen, die sie durchlebt haben, als positiv oder "herrlich" geschildert. Seltsamerweise gibt es da regionale Unterschiede. Patienten aus der ehemaligen DDR fanden sie unangenehmer als Patienten aus dem Westen. Auch nach der religiösen Herkunft seien diese Erfahrungen äußerst unterschiedlich und erlaubten also keinen Rückschluss auf das, was uns dereinst tatsächlich blüht: "Die Inderin reitet auf einer Kuh in den Himmel, der Amerikaner fährt Taxi."

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.1999

Vielleicht ist er entzückt
Das Mysterium der Nahtod-Erfahrung / Von Michael Allmaier

Der Tod verdankt seine Macht nicht zuletzt einem Zirkelschluss. Denn ob jemand tot ist, bestimmt man am Ende nicht nach Herzschlag oder Hirnfunktion, sondern danach, ob er es bleibt. Der Sterbeforscher braucht nicht zu hoffen, dass einmal, vielleicht durch einen medizinischen Fortschritt, eine nennenswerte Zahl wieder belebter Menschen für seine Studien zur Verfügung steht. Die seien gar nicht wirklich tot gewesen, würde man ihm bloß entgegnen und die Definition ändern. Nur die Zweifelsfälle und die Ausnahmen, die zur Verallgemeinerung kaum taugen, lässt man ihm.

Den Laien freilich interessiert wenig, wie irgendein Fremder beinah gestorben wäre. Er möchte wissen, was ihn dereinst erwartet. Populär wurde die Thanatologie erst, als sich einige ihrer Vertreter an solche Voraussagen wagten. Elisabeth Kübler-Ross und andere erregten zu Beginn der siebziger Jahre Aufsehen mit der Beobachtung, dass Menschen, die dem Tod nahe oder sogar schon gestorben waren, von sehr ähnlichen Erfahrungen berichteten: Der Schmerz machte einem Gefühl von Glück und Frieden Platz. Sie sahen ihren Körper von außen, gingen durch einen Tunnel, an dessen Ende ihnen ein Licht erschien; oft begegnete ihnen dort eine gestorbene Vertrauensperson. Doch sie kehrten um und in ihren Körper zurück. Wenn so viele Menschen dasselbe erleben, schlossen die Forscher, muss daran etwas Wirkliches sein. Skeptischere Kollegen aus der Hirnforschung haben seitdem diesen voreiligen Schluss kritisiert und viele solcher Erscheinungen auf körperliche Ursachen zurückgeführt. Aber von einer Erklärung der eigentümlich intensiven Wahrnehmungen in der Nähe des Todes sind auch sie weit entfernt.

Mit Hubert Knoblauch hat sich nun auch ein Soziologe an der Diskussion beteiligt. Seine "Berichte aus dem Jenseits" sind quasi die Volksausgabe eines Forschungsberichts für die Universität Konstanz. Der tendenziöse Titel führt in die Irre. Knoblauch interessiert das Diesseitige der Nahtod-Erfahrung. Er untersucht, welche Menschen was erleben. Als Material dient ihm eine Befragung von zweitausend Betroffenen aus den deutschsprachigen Ländern, ergänzt um einige Tiefeninterviews. Eine schmale Basis für einen Soziologen; für einen Nahtodforscher jedoch ist sie ausnehmend breit. Doch den Verfasser treibt nicht der Ehrgeiz, zwischen höherer Wahrheit und Halluzination zu entscheiden. Er belässt es bei einer These: dass keine Nahtod-Erfahrung wie die andere ist, dass jeder sein eigenes Jenseits erlebt. Das klingt harmlos und ist doch eine Absage an beide Parteien. Denn wenn das zutrifft, kann man aus den Berichten der Betroffenen nichts über Hirnfunktionen ableiten und erst recht nichts über ein Leben nach dem Tod.

Schilderungen von Nahtod-Erlebnissen verwundern oft durch den epidemischen Gebrauch der Wörter "herrlich" und "wunderbar", was man bislang darauf zurückführen mochte, das die meisten davon aus dem Amerikanischen übersetzt worden sind. Doch auch in Knoblauchs Fällen herrscht dieser schwärmerische Ton vor. Sehr viele sprechen von Musik und Farben in unbeschreiblicher Pracht. Ob es daher rührt, dass die, die bloß Angst oder Schmerz empfinden, das nicht für berichtenswert halten?

Ein anderes Grundelement ist das Gefühl geistiger Klarheit. Tatsächlich erinnern sich viele Betroffene noch Jahrzehnte später an kleinste Details. Dabei agieren sie in ihren Erlebnissen keineswegs wie klar denkende Menschen. Die vermeintlichen Hinterbliebenen werden vergessen oder nur noch als Störenfriede wahrgenommen. Auch die Möglichkeit, vor der Rückkehr zu den Lebenden nützliche Informationen zu sammeln, bleibt durchweg ungenutzt. Wenn das die Ewigkeit ist, muss man sie wohl als verzückter Idiot zubringen.

Auch die Umkehr als eine dritte relativ feste Größe verheißt Zweifelhaftes. Denn die meisten kehren offenbar nicht aus eigenem Willen um. Sie werden abgewiesen, was ihren Beinahe-Tod als Fehlplanung und das Jenseits als einen schlecht organisierten Vergnügungspark erscheinen lässt. Man kann verstehen, warum die Kirchen von Offenbarungen dieser Art nichts wissen wollen. Auch die Betroffenen werden dadurch nur zum Teil in religiösen Gefühlen bestärkt. Die Angst vor dem Tod nimmt eher noch zu.

Der Autor schreitet gemessen durch das Panoptikum. Seine Studien belegen, dass die Veranlagung zu Nahtod-Erlebnissen bei Menschen jeder Herkunft vorhanden ist. Der Inhalt jedoch hängt stark von der kulturellen Prägung ab. Die Inderin reitet auf einer Kuh in den Himmel, der Amerikaner fährt Taxi. Dass auf dem Weg von Norddeutschland in den Süden die Zahl christlicher Motive in den Nahtod-Erfahrungen zunimmt, überrascht nicht. Aufschlussreicher ist der Vergleich zwischen Ost und West, der zeigt, dass Ostdeutsche ihren scheinbaren Tod sehr viel schmerzlicher erleben. Sechzig Prozent der Befragten erinnern sich an ein "schreckliches Gefühl"; "wunderbar" war es nur für gut ein Drittel. Im Westen verhält es sich umgekehrt. Der Verfasser bietet dafür drei Interpretationen an: den Atheismus, die fehlende Kenntnis der freudigen Berichte aus Amerika und vielleicht auch die autoritäre Ordnung der DDR, die Bestrafungsfantasien fördert.

Hier, wo es spannend wird, bricht, wie oft in diesem Buch, die Untersuchung ab. Das zeugt von Redlichkeit: Zweitausend Befragte sind nicht viel, bedenkt man, dass vom Autounfall bis zum Delirium tremens die verschiedensten Auslöser zusammenkommen und kein Kritierium für Glaubwürdigkeit zu benennen ist. Auch der beiläufig erwähnte Umstand, dass die Mehrzahl der Befragten zur Esoterik neigt, gibt dem Leser zu denken. Das Buch "Berichte aus dem Jenseits" verschenkt viel von seiner Originalität. Aber es macht ein schwieriges Thema für jedermann verständlich.

Hubert Knoblauch: "Berichte aus dem Jenseits". Mythos und Realität der Nahtod-Erfahrung. Herder Verlag, Freiburg 1999. 221 S., geb., 36,80 DM.

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