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Serafima Andrejewna war erst vier Jahre alt, als 1932 der Holodomor in ihrem Dorf begann. Sie berichtet von Elend, Tod, sogar von Kannibalismus infolge dieser von Stalin provozierten Hungersnot. Anatoli erzählt von einem jüngeren Drama der ukrainischen Geschichte, von Tschernobyl.Anderthalb Jahre ist Igort zwischen 2008 und 2009 durch die Ukraine, Russland und Sibirien gereist, um die Erinnerungen der Menschen festzuhalten. In seinen Aufzeichnungen verbindet der italienische Autor virtuos Comicminiaturen, Illustrationen und kurze Textpassagen zu einem jederzeit authentischen und oftmals erschütternden Porträt der Ukraine und ihrer Menschen.…mehr

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Produktbeschreibung
Serafima Andrejewna war erst vier Jahre alt, als 1932 der Holodomor in ihrem Dorf begann. Sie berichtet von Elend, Tod, sogar von Kannibalismus infolge dieser von Stalin provozierten Hungersnot. Anatoli erzählt von einem jüngeren Drama der ukrainischen Geschichte, von Tschernobyl.Anderthalb Jahre ist Igort zwischen 2008 und 2009 durch die Ukraine, Russland und Sibirien gereist, um die Erinnerungen der Menschen festzuhalten. In seinen Aufzeichnungen verbindet der italienische Autor virtuos Comicminiaturen, Illustrationen und kurze Textpassagen zu einem jederzeit authentischen und oftmals erschütternden Porträt der Ukraine und ihrer Menschen.
Autorenporträt
Igort, gebroen 1958 in Cagliari, Italien, avancierte Anfang der 1980er Jahre zu einem der wichtigsten Vertreter der Künstlergruppe Valvoline und arbeitetein der Folge als einer der ersten europäischen Comicautoren für japanische Verlage. Sein Buch "5 ist die perfekte Zahl" (dt. bei avant) wurde 2003 auf der Frankfurter Buchmesse als "Comic des Jahres" ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Diese Comicreportage von Igort erinnert Rezensent Ralph Trommer daran, dass stalinistischer Terror auch in der Ukraine herrschte. Die Nachwirkungen spürt man heute noch, wie er aus den Porträts der Menschen erfährt, mit denen Igort gesprochen hat. Dennoch sind die Verklärer der Sowjetzeit in der Minderheit, lernt er. Zu präsent ist noch der Holomodor, den Igort ebenfalls beschreibt. Ein erschütternder Bericht, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2023

Das Drama in den Gesichtern

Der italienische Zeichner Igort zeigt mit "Tagebuch einer Invasion", dass Comic-Journalismus ebenso aktuell wie eindrucksvoll sein kann.

Wenn es ein Problem gibt für das Genre "Comic-Journalismus", dann ist es die Zeit. Im Journalismus steckt der Tag (französisch "jour") mit drin, und man erwartet Aktualität. Doch Zeichnen dauert. Das schlagendste Beispiel dafür ist Joe Sacco, der diese Form überhaupt erst populär gemacht hat. An seinen ebenso umfangreichen wie aufwendig gezeichneten Büchern sitzt der amerikanische Journalist jahrelang nach den eigentlichen Recherchereisen, und selbst bei nur wenigen Seiten langen Zeitschriftenbeiträgen sind es zumindest Monate. Durch die Intensität seiner Berichterstattung kann Sacco diesen zeitlichen Abstand wieder kompensieren, doch seine Themenwahl muss entsprechende Rücksichten nehmen: Ist das jeweilige Phänomen auch dann noch interessant fürs Publikum, wenn das eigentliche Ereignis schon so lange zurückliegt? Mit anderen Worten: Comic-Journalisten brauchen so etwas wie eine Doppelwertzeit. Ihre Sujets sollten möglichst noch an Brisanz gewinnen. Aber dann können sie schon wieder nicht diese Bedeutungssteigerung in ihre Berichterstattung mitaufnehmen.

Ein Zeichner, der noch etwas länger aktiv ist als der heute zweiundsechzigjährige Sacco, ist sein um zwei Jahre älterer italienischer Kollege Igor Tuveri alias Igort. In den Achtzigerjahren gehörte er zur Comic-Avantgardegruppe "Valvoline", die sich an experimentellen Erzählformen versuchte, und seit mehr als zwanzig Jahrzehnten gehört dazu für Igort der Comic-Journalismus. Dabei hat er erkannt, dass Schnelligkeit ein wichtiger Faktor ist, und sein neuestes Werk, "Berichte aus der Ukraine", entstand deshalb in atemraubenden Tempo. Es geht um den Krieg, und der ist jetzt etwas mehr als ein Jahr alt, aber Igort hat 160 Seiten dazu gezeichnet: das "Tagebuch einer Invasion", wie er es nennt. Der letzte berücksichtigte Tag ist der 1. Juni 2022, der achtundneunzigste seit Ausbruch des offenen Krieges, und fertig war der Zeichner mit seiner Arbeit bereits am 10. September. Im Oktober erschien es dann schon auf Italienisch als Buch. Und nun hat es die mit Igorts Werk erfahrene Myriam Alfano übersetzt - rasch und sorgfältig.

Wie hat Igort dieses Tempo gehen können? Gut, er ist ein Veteran, und als einer von sehr wenigen europäischen Comiczeichnern hat er in der Knochenmühle der japanischen Mangaproduktion gearbeitet (und das erfolgreich). Das war in den Neunzigern, und im folgenden Jahrzehnt trieb es den weltneugierigen Igort in die Ukraine, wo er zwei Jahre lang lebte und dabei seine spätere Frau Galya Semeniuk kennenlernte. Diese Verbundenheit mit dem Land speziell und den postkommunistischen Zuständen im ehedem sowjetischen Einflussbereich hatte sich schon in zwei früheren Comicbänden niedergeschlagen, die jeweils auch schon als "Berichte" tituliert waren: 2011 "Erinnerungen an die Zeit der UdSSR" und 2013 "Der vergessene Krieg im Kaukasus", in dem vor allem der 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja gedacht wurde. Nun ist mit "Tagebuch einer Invasion" eine Trilogie vollendet - wie es Igort auch schon mit seinen drei fulminanten Bänden über Japan und dessen Bildbegeisterung geschafft hat. In diesen beiden Kulturkreisen kennt Igort sich bestens aus, also konnte er beim neuen Buch auf sein bereits vorhandenes Wissen aufbauen.

Zudem nutzte er die Kontakte seiner Frau in deren alte Heimat, denn noch einmal in die Ukraine gereist ist Igort für den neuen Band nicht. Stattdessen dokumentiert er im "Tagebuch einer Invasion" die Nachrichten von Bekannten aus der Ukraine oder Flüchtlingen, die um Hilfe baten. Er übernimmt die radikal subjektive Position seiner Quellen und fügt ihnen noch seine eigene Sicht hinzu, die nicht weniger russlandskeptisch ist als die der ukrainischen Gewährsleute. Verbürgen kann sich Igort nicht für den Wahrheitsgehalt, aber leider passen die Schrecken, die er aus den ersten hundert Tagen des Krieges zusammenträgt, genau zu dem, was über andere Kanäle zu uns gelangt ist. Die schwerste Aufgabe wird gewesen sein, aus der Fülle von Leidberichten diejenigen auszuwählen, die er nun in Bilder gesetzt hat.

Und in Texte, denn Igort ist mittlerweile über die reine Comicform hinaus und nähert sich einer Form des gezeichneten Journalismus an, wie ihn auch die russische Künstlerin Victoria Lomasko (F.A.Z. vom 15. April) betreibt. Zwar gibt es noch klassische Comicseiten im neuen Buch, die aus mehreren Bildern bestehen, aber der Normalfall sind Einzelillustrationen, die nicht mehr in Sequenzen arrangiert sind. Auch das spart natürlich Zeit. Und es ist konsequent, solche Schlaglichter zu werfen auf die ja überwiegend mündlich oder schriftlich übermittelten Geschehnisse, die sich einer Beschreibung oder Bezeichnung verweigern, weil die Vorstellungskraft dazu kaum ausreicht. So erstellt Igort Texte, die viele Originalzitate aus seinen Quellen enthalten, aber dennoch von ihm verdichtet sind. Resultat ist tatsächlich so etwas wie ein Tagebuch: des wachsenden Entsetzens, aber auch der davon provozierten Widerstandskraft - bei den Ukrainern und bei ihrem Unterstützer Igort.

Neues wird man aus seinem Buch nicht erfahren, aber Genaueres, weil es hier meist die "kleinen Leute" sind, die zu Wort und Bild kommen. Unter den zahlreichen Publikationen zum Krieg in der Ukraine ragt "Tagebuch einer Invasion" heraus, weil es buchstäblich anschaulich ist und doch nicht explizit im Ausstellen von Grausamkeiten. In den Gesichtern von Igorts Figuren spielt sich der Schrecken ab, und das macht seine Darstellung glaubwürdiger als das, was ein Auge sonst kaum fassen mag. Es ist ein humanistischer Umgang mit einem unmenschlichen Ereignis. Und es ist ein nächster Schritt im Comic-Journalismus. Nicht nur ein schneller, auch ein großer. ANDREAS PLATTHAUS

Igort: "Berichte aus der Ukraine 2". Tagebuch einer Invasion.

Aus dem Italienischen von Myriam Alfano. Reprodukt, Berlin 2023. 168 S., br., 26,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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