Beinahe zwei Jahre hat der italienische Zeichner Igort zwischen 2008 und 2009 die Ukraine, Russland und Sibirien bereist, um die Erinnerungen der Menschen in Wort und Bild zu dokumentieren, denen er auf seinem Weg begegnet ist. Dabei versucht Igort eine Antwort darauf zu finden, wie und was die Sowjetunion wirklich gewesen ist. Ähnlich seinen "Berichten aus der Ukraine" (ebenfalls bei Reprodukt) verhandelt Igort im zweiten Teil seines Diptychons die Vergangenheit und die Gegenwart Russlands. Auf seiner Reise sprach er mit den Menschen auf der Straße: über den Krieg in Tschetschenien, das Blutbad nach der Geiselnahme von Beslan - aber auch über die stalinistischen Gulags, jene Lager, in denen Millionen Menschen, die nicht mit dem Sowjetregime konform gingen, ihr Leben verloren.Im Zentrum des Buchs steht aber die 2006 ermordete russisch-amerikanische Menschenrechtlerin Anna Politkowskaja. Erschüttert von der Bluttat begibt Igort selbst sich auf die Spuren der unerschrockenen Journalistin, die in ihren Zeitungsartikeln und Büchern u.a. offen den Machtmissbrauch der Regierung Putin und die Verletzung der Menschenrechte im Tschetschenienkrieg angeprangert hatte. Igorts Aufzeichnungen verbinden virtuos Comicminiaturen, Illustrationen und kurze Textpassagen zu einem jederzeit authentischen und oftmals erschütternden Porträt Russlands und seiner Menschen.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Diese Comicreportage von Igort erinnert Rezensent Ralph Trommer daran, dass die Folgen des stalinistischen Terrors in Russland noch längst nicht überwunden sind. Die "Kontinuität brutaler russischer Machtpolitik" führt ihm Igort mit "einfühlenden Bildern" eindringlich vor Augen. Insbesondere die Schilderungen aus dem zweiten Tschetschenienkrieg lassen ihn das erkennen. Erschreckend deutlich wird ihm auch, dass die Russen ihre brutale imperiale Geschichte nie aufgearbeitet haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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