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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2016

Ohne Erinnerung sind wir nichts
Ein Buch über die Erlebnisse jüdischer Schüler erscheint in einer Neuauflage

Schüler der Holbeinschule haben es damals wissen wollen. Sie schrieben an überlebende Frankfurter Juden in aller Welt Briefe, in denen sie sich unter anderem nach deren Erinnerungen an ihre Schulzeit erkundigten. Daraus ist 1994 das Buch "Berichte gegen Vergessen und Verdrängen" entstanden, in dem 100 jüdische Schüler über die NS-Zeit in Frankfurt erzählten.

Es waren keine schönen Erlebnisse, sondern Horrorgeschichten wie die von Elsy Hirtz de Bleiweiss aus der Holzhausenschule: "Nach dem 30. Januar 1933 änderte sich der Ton in der Schule sofort. Mein Deutschlehrer schlug mir jeden Morgen mit einem Lineal auf die Hände und erklärte der Klasse, dass er das mit einer Jüdin machen muss, damit sie lernt, saubere Hände zu haben, da alle Juden von Natur aus schmutzig seien."

Der Lehrer Benjamin Ortmeyer, der heute Professor an der Goethe-Universität ist und die Forschungsstelle NS-Pädagogik leitet, hat damals den Band herausgegeben und ist auch für die jetzt gedruckte Neuauflage verantwortlich, die gestern auf dem Campus Westend vorgestellt wurde. 1994 hat Oberbürgermeister Andreas von Schoeler ein Vorwort geschrieben und der AG Antisemitismus an der Holbeinschule gedankt: Sie habe etwas dazu beigetragen, dass so etwas Schreckliches nie wieder geschehen könne. Auch die Neuausgabe wird von einem Vorwort eines Oberbürgermeisters geschmückt: Peter Feldmann ist gestern persönlich ins Casino der Universität gekommen, wohin die Forschungsstelle und der AStA der Universität geladen hatten. Er unterstütze die vielfältigen Bemühungen zur Aufklärung über die NS-Zeit, die nicht aufhörten und nicht aufhören dürften, sagte Feldmann und ergänzte: "Erinnern tut richtig weh."

Erinnern befreit aber auch. Wer wüsste das besser als Trude Simonsohn, die mit ihren 94 Jahren noch immer als Zeitzeugin von Theresienstadt und Auschwitz berichtet. Auch sie hat als Schülerin des deutschen Gymnasiums in Olmütz in der Tschechoslowakei Böses erlebt. Eine Mitschülerin hielt im Englischunterricht einen Hetz-Vortrag gegen die Juden. Die lebenskluge Frau Simonsohn hatte für die Zuhörer einen guten Rat: "Was man nicht aufarbeitet, muss man wiederholen." Heute, am Tag der Befreiung von Auschwitz, beherzigen ihn die Studenten: Der AStA hat zahlreiche Veranstaltungen zur Erinnerung an Auschwitz organisiert. "Ohne Erinnerung und ohne Namen", so sagte denn auch Rabbiner Andy Steiman gestern, "sind wir nichts."

rieb.

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