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Diese Edition der "Berichte zur politischen Lage", die Helmut Kohl als Bundeskanzler und Parteivorsitzender allmonatlich im Spitzengremium seiner Partei abgab, setzt 1989 ein, als sich die Nachkriegsordnung aufzulösen begann; sie reicht bis zur Bundestagswahl 1998, als die "Ära Kohl" endete. Die Auflösung des Ost-West-Gegensatzes, der Zerfall der Sowjetunion und die Überwindung der deutschen wie europäischen Teilung veränderten die Lage Deutschlands grundlegend. Tiefgreifende Anpassungen und Neujustierungen der deutschen Politik wurden erforderlich. Die hier edierten Lageberichte spiegeln die…mehr

Produktbeschreibung
Diese Edition der "Berichte zur politischen Lage", die Helmut Kohl als Bundeskanzler und Parteivorsitzender allmonatlich im Spitzengremium seiner Partei abgab, setzt 1989 ein, als sich die Nachkriegsordnung aufzulösen begann; sie reicht bis zur Bundestagswahl 1998, als die "Ära Kohl" endete. Die Auflösung des Ost-West-Gegensatzes, der Zerfall der Sowjetunion und die Überwindung der deutschen wie europäischen Teilung veränderten die Lage Deutschlands grundlegend. Tiefgreifende Anpassungen und Neujustierungen der deutschen Politik wurden erforderlich. Die hier edierten Lageberichte spiegeln die großen Diskussionen dieser "Zeitenwende" wider; sie dokumentieren die Probleme der Politikgestaltung in den Prozessen der deutschen Einheit, der Europäischen Union und der Globalisierung; sie enthalten aufschlussreiche Informationen über die Rolle und die Orientierung der "Hauptregierungspartei" CDU im Verhältnis zu den anderen politischen Kräften.Diese 133 Lageberichte Helmut Kohls stellen eine der wichtigsten Quellen zur Frühgeschichte des wiedervereinten Deutschland dar. Die innen- und außenpolitische Agenda der zweiten Hälfte der Ära Kohl findet sich darin in ihrer ganzen Dichte und Vielfalt behandelt. Darüber hinaus vermitteln sie einen authentischen Zugang zum Führungshandeln und politischen Denken des Kanzlers der Einheit, der wie kein anderer deutscher Politiker diese epochale Umbruchzeit mitbestimmt hat. Seine Regierungszeit wie auch er selbst als Hauptakteur können anhand seiner "Berichte zur politischen Lage" objektiver gesehen und gewertet werden; sie bieten zudem einen gewissen Ersatz für den fehlenden letzten Band seiner "Erinnerungen". Im Lagebericht am 28. September 1998 zog Helmut Kohl für die sechzehn Jahre seiner Kanzlerzeit eine insgesamt positive Bilanz: "Ich denke..., wir können von diesen Jahren behaupten..., wir haben viel geschafft."
Autorenporträt
Dr. Helmut Kohl, geboren 1930 in Ludwigshafen am Rhein, ist seit 1947 Mitglied der CDU. 1959 wurde er Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz und war. von 1969 bis 1976 Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz. Von 1973 bis zum 7. November 1998 war er Bundesvorsitzender der CDU. Er war Mitglied des Deutschen Bundestages von 1976 bis 2002, von Dezember 1976 bis Oktober 1982 Oppositionsführer als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vom 1. Oktober 1982 bis 27. Oktober 1998 war Helmut Kohl Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2012

Der Dompteur spricht . . .
Und das Tonband läuft mit: Helmut Kohls Lageberichte im CDU-Bundesvorstand

In letzter Zeit ist viel über den Kanzler der Einheit und des Euro geschrieben und gesprochen worden, zumal die CDU den dreißigsten Jahrestag seines Regierungsantritts gebührend feierte. Auf einer internen Fraktionssitzung und auf einer öffentlichen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Deutschen Historischen Museum in Berlin wirkte der gebrechliche Kohl wie ausgestellt. Wer jedoch den kraftstrotzenden früheren Helmut Kohl erleben und erfassen will, den Dompteur der Partei, Motivator von Spitzenfunktionären, Abrechner mit politischen Gegnern und Mutmacher seiner Anhängerschaft, dem ist ein von Günter Buchstab und Hans-Otto Kleinmann herausgegebener Wälzer sehr zu empfehlen.

Die "Berichte zur Lage", die der Regierungschef und Parteivorsitzende zwischen dem 9. Oktober 1989 und dem 22. Oktober 1998 im Bundesvorstand der CDU erstattete, überliefert als Tonbandmitschnitte und bisher im Archiv der Adenauer-Stiftung verborgen, liegen gedruckt und kompetent kommentiert vor - eine erstklassige Quelle zum zweiten Teil der "Ära Kohl", ein vielfältiges Geschichtsbuch über das Ende der Bonner Republik und den Anfang der Berliner Republik aus dem Blickwinkel des deutschen Hauptakteurs. 113 Reden legen Zeugnis davon ab, wie der Parteiführer das dreißigköpfige Führungsgremium (darunter der Generalsekretär, die fünf stellvertretenden Vorsitzenden und der Schatzmeister) einzubinden verstand. Hin und wieder mussten Meinungsdifferenzen der Parteielite entschärft oder ausgeräumt werden. Kohl hatte die schwierige Balance zwischen Regierungs-, Koalitions- und Parteiinteressen zu wahren, was häufige Missfallensbekundungen über kritische Stimmen aus der CDU an der FDP verdeutlichen. Vertrauliches enthüllten die Reden, die Kohl frei hielt, "gestützt auf Materialsammlungen und anhand eigener Notizen, von denen nur wenige erhalten sind", allerdings nicht.

In den parteiinternen Vorträgen sei "der O-Ton Kohls ungeschminkt und unmittelbar wahrnehmbar, authentischer und körperhafter" als in offiziellen Ansprachen, Presseerklärungen, Interviews, Artikeln und den "Erinnerungen". Diese liegen für die Jahre von 1930 bis 1994 vor (veröffentlicht 2004, 2005 und 2007). Ob und wann ein vierter Band über die 13. Wahlperiode samt Kohls Abgang, seinen vorübergehenden medialen und parteipolitischen Absturz infolge der Spendenaffäre sowie seine Heimholung in den Schoß der Merkel-CDU anlässlich des 75. Geburtstages erscheint, dürfte wohl von seiner zweiten Frau Maike Kohl-Richter abhängen. Jedenfalls existiert für die Phase von 1994 bis 1998 mit dieser Edition eine Art Vorab- oder Ersatzmemoiren. Buchstab und Kleinmann, die jahrzehntelang leitende Funktionen bei den "Wissenschaftlichen Diensten/Archiv für Christlich-Demokratische Politik" der Adenauer-Stiftung innehatten, danken dem "Autor" Kohl, der sogar Hindernisse "für die Publikation beseitigen half".

Elfhundert Seiten Kohl sind etwas für zeithistorische Feinschmecker und Unions-Enthusiasten mit Durchhaltevermögen. Die Themenvielfalt ist enorm, das Sachregister bei der Lektüre hilfreich. Statt einer Aufzählung von Personen und Problemen beschränkt sich der Rezensent auf ein paar Kostproben. Am 27. August 1990 stimmte Kohl den Bundesvorstand darauf ein, dass sich die alte Bundesrepublik auf den 3. Oktober als "Übernahme der Verantwortung für Gesamtdeutschland vorbereiten" müsse: "Dabei möchte ich nur beiläufig sagen, so schlecht wäre der 3. auch im Jahresablauf nicht als Nationalfeiertag der Deutschen. Normalerweise haben wir Anfang Oktober eine gute Jahreszeit, in den Weingegenden ist Weinlese, in anderen Gegenden ist Erntedank, es ist auch sonst nach der Ferienzeit, es wäre ein Feiertag, der nicht nur von Grab zu Grab geht, wo alles mit betroffenem Gesicht dasteht und denkt, wenn es nur vorüber ist. Ich meine, man muss sich über die Heuchelei ja wirklich keine Illusionen machen. Wir brauchen einen neuen Nationalfeiertag, und vieles spricht für diesen Tag."

Schon Mitte September betonte der Kanzler: "Europäische Gesinnung heißt nicht, dass wir eine Destabilisierung der D-Mark vornehmen." Einige Jahre später, im Januar 1997, forderte er mehr europäisches Engagement der CDU, gerade bei der Währungsunion: Es wäre ein Verrat am "Geist des Anfangs unserer Republik", wenn "wir jetzt vor diesem oder jenem Einwand des Zeitgeistes zurückweichen würden". Im September 1997 meinte er, es gebe Gerede, vor allem auch in Brüssel: "Ich sei so europafanatisch, dass die Frage der stabilen Währung für mich zweitrangig sei. Das ist Unsinn."

Im Januar 1998 blickte der Parteichef zurück auf den Herbst 1989, erinnerte an die damalige "tiefe Skepsis und zum Teil Bitterkeit über die deutsche Vereinigung" bei den Staats- und Regierungschefs in Europa und daran, dass "ohne das Eingebundensein Deutschlands in die europäische Gemeinschaft und in die Nato" und ohne die Unterstützung der Vereinigten Staaten die Einheit nicht möglich gewesen wäre. Mit Blick auf die Bundestagswahl bat er die Parteielite, sich nicht von den Zweiflern an den EU-Entscheidungen beeindrucken zu lassen: "Die Karawane Europa muss in Deutschland weiterziehen." Im Februar 1998 gestand er ein, von ihm heiße es mittlerweile in Brüssel, er sei "so europaverrückt", dass er alles mitmache: "Das ist ein großer Irrtum."

Am 27. September 1998 erfolgte die schwarz-gelbe Wahlniederlage, am 28. September erklärte Kohl, dass Rot-Grün eben "kein Schreckgespenst" mehr sei, dass die CDU von der Wirtschaft finanziell "weniger Unterstützung als in vielen vergangenen Wahlen gehabt" habe, dass Teile der evangelischen Kirchen seine Regierung "um jeden Preis" weghaben wollten, dass der katholische Bischof von Fulda geäußert habe, der Wähler könne sich "nur zwischen Pest und Cholera" entscheiden. Am 6. Oktober schob er nach: Am Wahlsonntag habe im Dom zu Speyer ein Jesuitenpater "sozialistischen Scheiß" gepredigt. Für das CDU-Konzept von Familienpolitik habe die Partei "kaum mehr Truppen". Die Partei müsse "die ganzen Facetten der Veränderung der Republik zur Kenntnis nehmen", dazu gehöre auch die Rechts- und Innenpolitik. Und am 22. Oktober wehrte er sich gegen den Vorwurf, "Vorsitzender einer sozialdemokratisierten Partei" gewesen zu sein. Unter denen, die dies behaupteten, wären Leute, "die bisher für die CDU außer allgemeinem Gequake und dummem Geschwätz keine Beiträge geleistet haben". Eigene Fehler blendete er bei seinem larmoyanten Resümee von 16 Regierungsjahren aus.

RAINER BLASIUS

Helmut Kohl: Berichte zur Lage 1989-1998. Der Kanzler und Parteivorsitzende im Bundesvorstand der CDU Deutschlands. Droste Verlag, Düsseldorf 2012. 1150 S., 69,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kohl, wie er leibt und redet - in diesen Genuss kommt Rainer Blasius mit einem echten Wälzer aus den Archiven der Adenauer-Stiftung, der Transkription von 113 Reden, die Helmut Kohl, als "Berichte zur Lage" zwischen Oktober 1989 und Oktober 1998 im Bundesvorstand seiner Partei hielt. Kohl erscheint dem Rezensenten hier authentisch, körperhaft und vor allem ungeschminkt selbstsicher als großer Motivator und Dompteur der CDU. Vertrauliches ist nicht dabei, erklärt der Rezensent einschränkend, dafür eine enorme Themenvielfalt, vorneweg natürlich die Wiedervereinigung und die EU. Für Feinschmecker und Enthusiasten ist Kohl im O-Ton ein Muss, meint Blasius.

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