Ein Junggeselle auf der Suche nach der Verheißung
Der Literaturwissenschaftler Matthias Roth ist Junggeselle und führt in einer Universitätsstadt in der Provinz ein beschauliches Leben. Er beschäftigt sich mit Joseph Conrads Theorie, daß nicht Liebe, sondern Leere das Eigentliche im Leben ausmache, und bleibt doch immer auf der Suche. Im Umgang mit Frauen wie Gisela, der Frau seines Freundes, die zum Objekt seiner heimlichen Leidenschaften wird, Marianne, der realistischen Studentin und Frau Bartels, seiner Vermieterin, versucht Roth, Wurzeln im Alltag zu finden.
Eine Person, die man nicht leicht vergißt, weder als Zeitgenossen noch als Kunstfigur.
Leonore Schwartz im Tagesspiegel
Der Literaturwissenschaftler Matthias Roth ist Junggeselle und führt in einer Universitätsstadt in der Provinz ein beschauliches Leben. Er beschäftigt sich mit Joseph Conrads Theorie, daß nicht Liebe, sondern Leere das Eigentliche im Leben ausmache, und bleibt doch immer auf der Suche. Im Umgang mit Frauen wie Gisela, der Frau seines Freundes, die zum Objekt seiner heimlichen Leidenschaften wird, Marianne, der realistischen Studentin und Frau Bartels, seiner Vermieterin, versucht Roth, Wurzeln im Alltag zu finden.
Eine Person, die man nicht leicht vergißt, weder als Zeitgenossen noch als Kunstfigur.
Leonore Schwartz im Tagesspiegel
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2007Die hohe Schule der Ambivalenz
Brigitte Kronauer: „Berittener Bogenschütze”
Brigitte Kronauer ist eine Liebhaberin des Zweideutigen. Sie verfährt mit der Wirklichkeit wie eine erkenntnishungrige Forscherin und zerlegt sie in eine Fülle von Beobachtungen, Wahrnehmungen, Ereignissen und Gefühlen, die immer mehr als zwei Seiten haben. Alles ist von Ambivalenz durchdrungen, und genau darin liegt der Reichtum der Welt verborgen. Die 1940 geborene Schriftstellerin veröffentlichte fast zwanzig Jahre lang in Untergrundzeitschriften und kleinen Verlagen der Alternativszene wie Nachtcafé, Bert Schlender und Dreibein und bildete abseits des literarischen Betriebes ganz eigene Erzählformen heraus, auf denen ihr schillerndes Universum gründet. Als die ehemalige Deutschlehrerin mit „Frau Mühlenbeck im Gehäus” 1980 dann an die Öffentlichkeit trat, war sie in ihrer Schreibweise nicht mehr zu beirren. Nicht der deutsche Nachkriegsrealismus, sondern die französische Literatur mit ihrem nouveau roman und den radikalen Versuchen, traditionelle Darstellungsmuster zu überwinden, haben sie ästhetisch geprägt.
Nach „Rita Münster” (1983) schafft Brigitte Kronauer 1986 mit ihrem dritten Roman „Berittener Bogenschütze” den großen Durchbruch. Ein Liebesgeknäuel der besonderen Art steht im Mittelpunkt, dargeboten aus der Perspektive eines Beschreibungsmanikers. Wieder begibt sich die Autorin auf die Suche nach inneren Wirklichkeiten, die in einem Reibungsverhältnis zur äußeren Realität stehen. Das hat durchaus ironische Seiten. Zum Beispiel wenn der Held Matthias Roth, ein allmählich ins schmierige Junggesellentum gleitender Privatdozent, der noch möbliert wohnt, sich in Betrachtungen über seine verschwommen wirkende Wirtin verströmt und sich ihren Klatschgeschichten und deftigen Mittagessen mit einer Mischung aus Ekel und Sadismus unterwirft. Oder wenn er sich seiner Freundin Marianne verzückt hingibt, um sie im nächsten Moment in Einzelteile aufzuspalten und sie gedanklich aus seiner spartanischen Dachkammer zu entfernen. Schließlich braucht Matthias Roth seine Ruhe, denn er ist mit ernsten Dingen befasst: mit Joseph Conrad, einem Säulenheiligen von Brigitte Kronauer, mit dem er die Schwäche für das Ritual der Leidenschaften teilt.
Immer wieder ist in diesem Roman von der Liebe die Rede. Auf Schritt und Tritt fühlt sich der Wort-Exeget von ihr eingesponnen, doch dann dreht sie ihm doch wieder eine lange Nase. Mitten in der ligurischen Bergwelt kommt Matthias Roth plötzlich zu sich selbst und erkennt im Spiel von Licht und Schatten, dass er ein Bogenschütze ist und nur nach den Pfeilen zu greifen braucht, um ein „Handlanger der Dinge” zu werden. Alles ist Stillstand und Bewegung zugleich. „Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart ereigneten sich zur selben Zeit, er erträumte etwas und erinnerte sich daran und nahm es doch in diesem Moment wahr, und alle drei Zeitmöglichkeiten lösten sich nicht ineinander auf, sondern sprangen zitternd als Lichtfunken hin und her.” Von einer Handlung im herkömmlichen Sinne kann nicht die Rede sein – dafür erspürt man die Wirklichkeit in ihrer ganzen Spannbreite und gerät in einen Bilderstrudel der betörendsten Sorte. Brigitte Kronauers Roman ist ein Gewölbe aus Sprache und Welt, ein Spiel mit ihrem immerwährenden phantastischen Potential. MAIKE ALBATH
Brigitte Kronauer Foto: Bauer/SV-Bilderdienst
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Brigitte Kronauer: „Berittener Bogenschütze”
Brigitte Kronauer ist eine Liebhaberin des Zweideutigen. Sie verfährt mit der Wirklichkeit wie eine erkenntnishungrige Forscherin und zerlegt sie in eine Fülle von Beobachtungen, Wahrnehmungen, Ereignissen und Gefühlen, die immer mehr als zwei Seiten haben. Alles ist von Ambivalenz durchdrungen, und genau darin liegt der Reichtum der Welt verborgen. Die 1940 geborene Schriftstellerin veröffentlichte fast zwanzig Jahre lang in Untergrundzeitschriften und kleinen Verlagen der Alternativszene wie Nachtcafé, Bert Schlender und Dreibein und bildete abseits des literarischen Betriebes ganz eigene Erzählformen heraus, auf denen ihr schillerndes Universum gründet. Als die ehemalige Deutschlehrerin mit „Frau Mühlenbeck im Gehäus” 1980 dann an die Öffentlichkeit trat, war sie in ihrer Schreibweise nicht mehr zu beirren. Nicht der deutsche Nachkriegsrealismus, sondern die französische Literatur mit ihrem nouveau roman und den radikalen Versuchen, traditionelle Darstellungsmuster zu überwinden, haben sie ästhetisch geprägt.
Nach „Rita Münster” (1983) schafft Brigitte Kronauer 1986 mit ihrem dritten Roman „Berittener Bogenschütze” den großen Durchbruch. Ein Liebesgeknäuel der besonderen Art steht im Mittelpunkt, dargeboten aus der Perspektive eines Beschreibungsmanikers. Wieder begibt sich die Autorin auf die Suche nach inneren Wirklichkeiten, die in einem Reibungsverhältnis zur äußeren Realität stehen. Das hat durchaus ironische Seiten. Zum Beispiel wenn der Held Matthias Roth, ein allmählich ins schmierige Junggesellentum gleitender Privatdozent, der noch möbliert wohnt, sich in Betrachtungen über seine verschwommen wirkende Wirtin verströmt und sich ihren Klatschgeschichten und deftigen Mittagessen mit einer Mischung aus Ekel und Sadismus unterwirft. Oder wenn er sich seiner Freundin Marianne verzückt hingibt, um sie im nächsten Moment in Einzelteile aufzuspalten und sie gedanklich aus seiner spartanischen Dachkammer zu entfernen. Schließlich braucht Matthias Roth seine Ruhe, denn er ist mit ernsten Dingen befasst: mit Joseph Conrad, einem Säulenheiligen von Brigitte Kronauer, mit dem er die Schwäche für das Ritual der Leidenschaften teilt.
Immer wieder ist in diesem Roman von der Liebe die Rede. Auf Schritt und Tritt fühlt sich der Wort-Exeget von ihr eingesponnen, doch dann dreht sie ihm doch wieder eine lange Nase. Mitten in der ligurischen Bergwelt kommt Matthias Roth plötzlich zu sich selbst und erkennt im Spiel von Licht und Schatten, dass er ein Bogenschütze ist und nur nach den Pfeilen zu greifen braucht, um ein „Handlanger der Dinge” zu werden. Alles ist Stillstand und Bewegung zugleich. „Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart ereigneten sich zur selben Zeit, er erträumte etwas und erinnerte sich daran und nahm es doch in diesem Moment wahr, und alle drei Zeitmöglichkeiten lösten sich nicht ineinander auf, sondern sprangen zitternd als Lichtfunken hin und her.” Von einer Handlung im herkömmlichen Sinne kann nicht die Rede sein – dafür erspürt man die Wirklichkeit in ihrer ganzen Spannbreite und gerät in einen Bilderstrudel der betörendsten Sorte. Brigitte Kronauers Roman ist ein Gewölbe aus Sprache und Welt, ein Spiel mit ihrem immerwährenden phantastischen Potential. MAIKE ALBATH
Brigitte Kronauer Foto: Bauer/SV-Bilderdienst
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