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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.06.1995

1929
Alfred Döblin "Berlin Alexander Platz"

Manche großen Bücher brauchen keinen Stil: Dies ist das stilloseste Buch, das wir haben. Döblin, der davor schon in fünf Romanen ebenso viele Versuche in großem Stil angefangen und meistens verloren hatte, mischt jetzt in dieser Großstadtballade bedenkenlos alles, was er schon kann und sonst noch kennt: Werbesprüche, Volkslieder, Bibelgut, Naturkitsch, Bänkelsang und Fallada und Berlinerisch und alles, was er Dos Passos und Joyce abgelernt hat. Oft ist das Gemisch hinreißend, ebenso oft die schlimmste Sentimentalität: und es ist nun die Größe dieses Buchs, daß es auch darüber keine Bedenken kennt. Das Lausige grenzt an das Erschütternde, der Schmutz ans Reine, das seinerseits wieder kaum von der Dummheit unterschieden ist - und man weiß niemals, was daran Kunst ist und was einfach ein Reflex, man will es auch nicht wissen, Hauptsache, da ist mehr gelungen, als Döblin wollen konnte, denkt man, denkt man mit Döblin. Biberkopf ist der törichte Held, und weil er töricht ist, wird aus der modernen Großstadt eine bloß schwerer überschaubare kleine Stadt, denn diesem Helden rückt alles auf den Leib, und er sieht nur, was er fühlt, ein antiquierter Mann, der jeden Mythos ruiniert. Wer viel harte postmoderne Großstadtfilme sieht, dem wird dieses Buch völlig gemütlich vorkommen, und das ist es auch, richtig gemütlich, ganz schlimm. Es ist einem fast heimelig zumute in diesem Berlin. Man sehnt sich fast nach richtiggehender Moderne, dann ist das Buch aus, und man muß sich sagen: das war sie. Noch jahrelang geht einem das nach, und wenn man dann wieder einen dieser Filme sieht, schaltet man ab. (Alfred Döblin: "Berlin Alexanderplatz". Roman. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1993. 432 Seiten, br., 14,90 DM.) R.V.

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