Berlin um 1810 - Revolutionärin Königin der Städte!
Die Zeitgenossen von Kant, Goethe und Hegel formten vor 200 Jahren aus Berlin eine der geistigen Weltmetropolen. Sie stellten eine für Deutschland ungeahnte kulturelle und literarische Öffentlichkeit her. Aus ihr ging die ästhetische Moderne Europas hervor. Diese Form der Öffentlichkeit bereitete entscheidend die Demokratisierung Deutschlands vor.
Ob heute die aktuelle Rede einer "Berliner Republik" zutreffend ist, wird zur Nebensächlichkeit angesichts der Bedeutung, die Berlin vor etwa 200 Jahren errang: eine Weltmetropole des Geistes und der Kultur. Dieses "andere", hochkultivierte Berlin und die Geniezeit der deutschen Geistesgeschichte zwischen Spätaufklärung, Klassik und Romantik läßt der amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaftler Theodore Ziolkowski vor dem geistigen Auge seiner Leser entstehen.
"Berlin und Preußen hatte bei Jena und Auerstedt 1806 deprimierende Niederlagen, ihren "Peloponnesischen Krieg" erlitten. Doch die Gründung der Universität und die literarische Öffentlichkeit, die sich in Zeitungen, Zeitschriften und Salons entfaltete, ließ Berlin zum geistigen Zentrum werden. In Europa festigte sich das Apercu von den Deutschen als einem Volk der Dichter und Denker, die ihre Revolutionen im Kopf machten, zu einem Mythos - schicksalhaft verknüpft mit Berlin, dem "Spree-Athen"." (Der Autor)
Die Zeitgenossen von Kant, Goethe und Hegel formten vor 200 Jahren aus Berlin eine der geistigen Weltmetropolen. Sie stellten eine für Deutschland ungeahnte kulturelle und literarische Öffentlichkeit her. Aus ihr ging die ästhetische Moderne Europas hervor. Diese Form der Öffentlichkeit bereitete entscheidend die Demokratisierung Deutschlands vor.
Ob heute die aktuelle Rede einer "Berliner Republik" zutreffend ist, wird zur Nebensächlichkeit angesichts der Bedeutung, die Berlin vor etwa 200 Jahren errang: eine Weltmetropole des Geistes und der Kultur. Dieses "andere", hochkultivierte Berlin und die Geniezeit der deutschen Geistesgeschichte zwischen Spätaufklärung, Klassik und Romantik läßt der amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaftler Theodore Ziolkowski vor dem geistigen Auge seiner Leser entstehen.
"Berlin und Preußen hatte bei Jena und Auerstedt 1806 deprimierende Niederlagen, ihren "Peloponnesischen Krieg" erlitten. Doch die Gründung der Universität und die literarische Öffentlichkeit, die sich in Zeitungen, Zeitschriften und Salons entfaltete, ließ Berlin zum geistigen Zentrum werden. In Europa festigte sich das Apercu von den Deutschen als einem Volk der Dichter und Denker, die ihre Revolutionen im Kopf machten, zu einem Mythos - schicksalhaft verknüpft mit Berlin, dem "Spree-Athen"." (Der Autor)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2002Achtung, Kleist biegt um die Ecke!
Theodore Ziolkowski beobachtet Berliner Szenegänger von 1810 / Von Mark Siemons
Auch 1810 steppte in Berlin, kulturell gesehen, offenbar schon der Bär. Anfang des Jahres schreibt Achim von Arnim an Wilhelm Grimm, die Stadt wimmele nur so von Poeten. Kein Tag vergeht, da nicht irgendwo irgendeine aufregende Gesellschaft stattfindet. Montags geht man in den Montagsclub, dienstags zur Zelterschen Liedertafel, mittwochs besucht man die Mittwochsgesellschaft, donnerstags sieht man sich beim Verleger Reimer zur "Lesenden Gesellschaft", freitags treffen sich die Mitglieder der "Graeca". Und dann gibt es noch die berühmt-berüchtigte "Deutsche Tischgesellschaft", die immer für ein offenes, nicht selten offen antisemitisches Wort gut ist. Überall laufen einem die interessantesten Leute über den Weg, ob Schleiermacher, Savigny oder Brentano, und manchmal kommt sogar Kleist um die Ecke. Eine Universität mit avantgardistischem Anspruch wird gegründet, an der das intellektuelle Milieu den lebhaftesten Anteil nimmt. Eine Kunstausstellung in der Königlichen Akademie der Künste entfacht erregte Diskussionen. Berlin ist ein einziger Rausch des Mitparlierens und Dabeiseins.
So munter geht es in der "Kulturmetropole" zu, die der amerikanische Germanist Theodore Ziolkowski entwirft. Seine These ist, daß ausgerechnet im historischen Vakuum zwischen der preußischen Niederlage von Jena 1897 und den Befreiungskriegen von 1813 und 1814 Berlin einen beispiellosen kulturellen Aufbruch erlebt habe, der, nach außen noch weitgehend unsichtbar, die spätere Wiedergewinnung nationalen Selbstbewußtseins entscheidend vorbereitete. Wo die Geschichtsschreiber bisher vor allem Stagnation und Leere wahrnahmen, entdeckt Ziolkowski eine unerhörte Intensivierung und Beschleunigung des öffentlichen Lebens. Unausgesprochen bedient sich dieses Bild der gleichen Attribute, die dem Berlin einer anderen Zeitenwende angehängt wurden, der wiedervereinigten Stadt der neunziger Jahre: auch hier bekanntlich Aufbruch allerorten, von den Techno-Clubs über die politische Gesellschaft der Neuen Mitte bis zum Medienboom. Ironischerweise erscheint Ziolkowskis Werk nun zu einem Augenblick, da diese Euphorie in Katzenjammer umgeschlagen ist, und unfreiwillig trägt das Buch mit seinen ungeklärten Kategorien dazu bei, diese Ernüchterung zu verstehen.
Denn was der Autor an Texten und Anekdoten herbeiträgt, erzeugt eher einen Eindruck von Betriebsamkeit als von Bedeutung. Ziolkowski siedelt den Aufbruch seiner Kulturmetropole zwischen Sommer 1810 und Frühjahr 1811 an, zwischen dem mit größter öffentlicher Anteilnahme begangenen Leichenzug für Königin Luise und dem Ende der von Kleist redigierten "Berliner Abendblätter". Ebenso begrenzt wie die Zeitspanne ist der Personenkreis, den Ziolkowski ins Auge faßt. Es ist das literarische Milieu um Achim von Arnim, Clemens Brentano, Adam Müller und Heinrich von Kleist auf der einen Seite und auf der anderen das akademische Milieu um die neu gegründete Universität herum, das vor allem durch Humboldt, Schleiermacher, Savigny, Wolf und Niebuhr repräsentiert wird.
Das Buch spekuliert auf die Größe dieser Namen, aber was es zu berichten hat, dokumentiert vor allem eine große Fallhöhe. Die öffentliche Aufregung nach dem Tod der beliebten Königin Luise zum Beispiel, die es als Beginn einer kollektiven "geistigen Erholung" nach der Depression von Jena präsentiert, erinnert den Leser allenfalls an Prinzessin Diana. Adam Müller am 12. August: "Sie war die Königin der Herzen, alles Bestreben hatte ein Ziel, alle Neigung eine Richtung; an den Staat ließ sich nicht mehr denken ohne wohlthätige Betätigung des Herzens, denn er war nicht blos ehrwürdig, er war liebenswürdig geworden durch Sie." Arnim ließ sich in einer Luise zugedachten Kantate zu der Formulierung hinreißen: "Ihr liebreich Bild, woran der Blick gewöhnet, / Ist herrlicher als aller Künste Pracht." Eine Szene wurde nachgestellt, in der man die sterbenskranke Königin zu den Klängen eines Engelchors Abschied von den Kindern nehmen ließ. Brentano dichtete: "Ist Sie nicht der Zeit geblieben, / Hat Sie uns doch Kraft gegeben, / Daß wir Sie auf ewig lieben." Bei Ziolkowski erscheinen all diese treulich zitierten Peinlichkeiten unter dem anspruchsvollen Titel "Ästhetisierung des Todes". Was er damit meint, erläutert er im einzelnen nicht.
Das sogenannte kulturelle Leben treibt auch sonst die welksten Blüten. Brentano macht sich auf so billige Weise über die ungewohnten Perspektiven bei Caspar David Friedrich lustig, daß Kleist seinen Beitrag für die "Berliner Abendblätter" brutal umschreiben muß. Der Intendant des Theaters am Gendarmenmarkt, August Wilhelm Iffland, verschmäht systematisch die wichtigsten Autoren seiner Zeit und bringt statt dessen vor allem Kotzebue, Zschokke und Hensler zur Aufführung. Ziolkowski fügt all solche Mitteilungen aus einem Treibhaus der Mittelmäßigkeit und Bigotterie kommentarlos nebeneinander; sie dienen ihm offenbar alle als Beleg der außergewöhnlichen Vitalität Berlins. Treuherzig rapportiert er, wie sehr der Intendant Iffland und sein "regsames Theaterleben" von vielen Seiten gelobt wurden. Dadurch stellt er sich auf eine Stufe mit den Kommentaren der Zeit, und dabei entgeht ihm natürlich alles wirklich Neue, was damals begann. Die brav paraphrasierten Kleist und Schleiermacher etwa, um nur diese beiden zu nennen, treten bei Ziolkowski nicht als die grundstürzenden Umdeuter der Wirklichkeit in Erscheinung, die sie waren, sondern bloß als Gesellschaftsakteure des brummenden Berlin. Aufschlußreich wäre gewesen, nach dem Einfluß zu fragen, den die Stadt und die in ihr stattfindenden Begegnungen möglicherweise auf ihr Denken hatten. Doch statt dessen lernen wir sie bloß als Partygänger kennen - eine Rolle, bei der sie nicht immer eine gute Figur machen.
Aus einer solchen Perspektive gerät alles klein und mickrig. Übrig bleibt das Geräusch des Betriebs und des allgemeinen Flügelschlagens: eine Chimäre, die so rasch verging, wie sie gekommen war. Ziolkowski macht die Ausschläge der Szene zum Gradmesser der Kultur und erliegt damit der gleichen Verwechslung wie viele Berlin-Beobachter von heute. Und er liefert auch keinen Beleg dafür, inwiefern das Gesellschaftstreiben dieser neun Monate den Boden für spätere politische Aufbrüche bereitet hat. Sein Buch taugt vor allem als Phänomenologie einer Desillusionierung.
Theodore Ziolkowski: "Berlin". Aufstieg einer Kulturmetropole um 1810. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002. 323 S., geb., 22,- [Euro].
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Theodore Ziolkowski beobachtet Berliner Szenegänger von 1810 / Von Mark Siemons
Auch 1810 steppte in Berlin, kulturell gesehen, offenbar schon der Bär. Anfang des Jahres schreibt Achim von Arnim an Wilhelm Grimm, die Stadt wimmele nur so von Poeten. Kein Tag vergeht, da nicht irgendwo irgendeine aufregende Gesellschaft stattfindet. Montags geht man in den Montagsclub, dienstags zur Zelterschen Liedertafel, mittwochs besucht man die Mittwochsgesellschaft, donnerstags sieht man sich beim Verleger Reimer zur "Lesenden Gesellschaft", freitags treffen sich die Mitglieder der "Graeca". Und dann gibt es noch die berühmt-berüchtigte "Deutsche Tischgesellschaft", die immer für ein offenes, nicht selten offen antisemitisches Wort gut ist. Überall laufen einem die interessantesten Leute über den Weg, ob Schleiermacher, Savigny oder Brentano, und manchmal kommt sogar Kleist um die Ecke. Eine Universität mit avantgardistischem Anspruch wird gegründet, an der das intellektuelle Milieu den lebhaftesten Anteil nimmt. Eine Kunstausstellung in der Königlichen Akademie der Künste entfacht erregte Diskussionen. Berlin ist ein einziger Rausch des Mitparlierens und Dabeiseins.
So munter geht es in der "Kulturmetropole" zu, die der amerikanische Germanist Theodore Ziolkowski entwirft. Seine These ist, daß ausgerechnet im historischen Vakuum zwischen der preußischen Niederlage von Jena 1897 und den Befreiungskriegen von 1813 und 1814 Berlin einen beispiellosen kulturellen Aufbruch erlebt habe, der, nach außen noch weitgehend unsichtbar, die spätere Wiedergewinnung nationalen Selbstbewußtseins entscheidend vorbereitete. Wo die Geschichtsschreiber bisher vor allem Stagnation und Leere wahrnahmen, entdeckt Ziolkowski eine unerhörte Intensivierung und Beschleunigung des öffentlichen Lebens. Unausgesprochen bedient sich dieses Bild der gleichen Attribute, die dem Berlin einer anderen Zeitenwende angehängt wurden, der wiedervereinigten Stadt der neunziger Jahre: auch hier bekanntlich Aufbruch allerorten, von den Techno-Clubs über die politische Gesellschaft der Neuen Mitte bis zum Medienboom. Ironischerweise erscheint Ziolkowskis Werk nun zu einem Augenblick, da diese Euphorie in Katzenjammer umgeschlagen ist, und unfreiwillig trägt das Buch mit seinen ungeklärten Kategorien dazu bei, diese Ernüchterung zu verstehen.
Denn was der Autor an Texten und Anekdoten herbeiträgt, erzeugt eher einen Eindruck von Betriebsamkeit als von Bedeutung. Ziolkowski siedelt den Aufbruch seiner Kulturmetropole zwischen Sommer 1810 und Frühjahr 1811 an, zwischen dem mit größter öffentlicher Anteilnahme begangenen Leichenzug für Königin Luise und dem Ende der von Kleist redigierten "Berliner Abendblätter". Ebenso begrenzt wie die Zeitspanne ist der Personenkreis, den Ziolkowski ins Auge faßt. Es ist das literarische Milieu um Achim von Arnim, Clemens Brentano, Adam Müller und Heinrich von Kleist auf der einen Seite und auf der anderen das akademische Milieu um die neu gegründete Universität herum, das vor allem durch Humboldt, Schleiermacher, Savigny, Wolf und Niebuhr repräsentiert wird.
Das Buch spekuliert auf die Größe dieser Namen, aber was es zu berichten hat, dokumentiert vor allem eine große Fallhöhe. Die öffentliche Aufregung nach dem Tod der beliebten Königin Luise zum Beispiel, die es als Beginn einer kollektiven "geistigen Erholung" nach der Depression von Jena präsentiert, erinnert den Leser allenfalls an Prinzessin Diana. Adam Müller am 12. August: "Sie war die Königin der Herzen, alles Bestreben hatte ein Ziel, alle Neigung eine Richtung; an den Staat ließ sich nicht mehr denken ohne wohlthätige Betätigung des Herzens, denn er war nicht blos ehrwürdig, er war liebenswürdig geworden durch Sie." Arnim ließ sich in einer Luise zugedachten Kantate zu der Formulierung hinreißen: "Ihr liebreich Bild, woran der Blick gewöhnet, / Ist herrlicher als aller Künste Pracht." Eine Szene wurde nachgestellt, in der man die sterbenskranke Königin zu den Klängen eines Engelchors Abschied von den Kindern nehmen ließ. Brentano dichtete: "Ist Sie nicht der Zeit geblieben, / Hat Sie uns doch Kraft gegeben, / Daß wir Sie auf ewig lieben." Bei Ziolkowski erscheinen all diese treulich zitierten Peinlichkeiten unter dem anspruchsvollen Titel "Ästhetisierung des Todes". Was er damit meint, erläutert er im einzelnen nicht.
Das sogenannte kulturelle Leben treibt auch sonst die welksten Blüten. Brentano macht sich auf so billige Weise über die ungewohnten Perspektiven bei Caspar David Friedrich lustig, daß Kleist seinen Beitrag für die "Berliner Abendblätter" brutal umschreiben muß. Der Intendant des Theaters am Gendarmenmarkt, August Wilhelm Iffland, verschmäht systematisch die wichtigsten Autoren seiner Zeit und bringt statt dessen vor allem Kotzebue, Zschokke und Hensler zur Aufführung. Ziolkowski fügt all solche Mitteilungen aus einem Treibhaus der Mittelmäßigkeit und Bigotterie kommentarlos nebeneinander; sie dienen ihm offenbar alle als Beleg der außergewöhnlichen Vitalität Berlins. Treuherzig rapportiert er, wie sehr der Intendant Iffland und sein "regsames Theaterleben" von vielen Seiten gelobt wurden. Dadurch stellt er sich auf eine Stufe mit den Kommentaren der Zeit, und dabei entgeht ihm natürlich alles wirklich Neue, was damals begann. Die brav paraphrasierten Kleist und Schleiermacher etwa, um nur diese beiden zu nennen, treten bei Ziolkowski nicht als die grundstürzenden Umdeuter der Wirklichkeit in Erscheinung, die sie waren, sondern bloß als Gesellschaftsakteure des brummenden Berlin. Aufschlußreich wäre gewesen, nach dem Einfluß zu fragen, den die Stadt und die in ihr stattfindenden Begegnungen möglicherweise auf ihr Denken hatten. Doch statt dessen lernen wir sie bloß als Partygänger kennen - eine Rolle, bei der sie nicht immer eine gute Figur machen.
Aus einer solchen Perspektive gerät alles klein und mickrig. Übrig bleibt das Geräusch des Betriebs und des allgemeinen Flügelschlagens: eine Chimäre, die so rasch verging, wie sie gekommen war. Ziolkowski macht die Ausschläge der Szene zum Gradmesser der Kultur und erliegt damit der gleichen Verwechslung wie viele Berlin-Beobachter von heute. Und er liefert auch keinen Beleg dafür, inwiefern das Gesellschaftstreiben dieser neun Monate den Boden für spätere politische Aufbrüche bereitet hat. Sein Buch taugt vor allem als Phänomenologie einer Desillusionierung.
Theodore Ziolkowski: "Berlin". Aufstieg einer Kulturmetropole um 1810. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2002. 323 S., geb., 22,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Eine der aufregendsten Zeiten in der Geschichte Berlins waren, wie man spätestens nach der Lektüre dieses Buches des amerikanischen Germanisten Theodore Zielkowski zugeben muss, die Jahre 1810 und 1811, schreibt Rezensent Jens Bisky. Der Aufbruch begann mit der Verklärung der jüngst verstorbenen Königin Luise, Schinkel entwarf eine Begräbniskapelle, passend dazu wurde Caspar David Friedrichs "Mönch am Meer" ausgestellt. Heinrich von Kleist wurde Herausgeber der "Berliner Abendblätter", die Universität wurde gegründet, Fichte, Savigny, Niebuhr wurden zu Professoren berufen. Der Abstieg aber, stellt Bisky fest, begann bereits im Januar 1811, mit der Gründung der Berliner Tischgesellschaft, für die Clemens Brentano ein judenfeindliches Manifest schrieb, im November erschießt Kleist seine Freundin Henriette Vogel und sich selbst. Nichts von allem, das Zielkowski schildert, ist völlig neu, räumt Bisky ein, aber die Zusammenschau findet er beeindruckend - und Ähnlichkeiten mit der Gegenwart und dem Ende der Berlin-Euphorie sind, meint er, auch festzustellen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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