Produktdetails
- Verlag: Nicolai Berlin
- Seitenzahl: 239
- Abmessung: 300mm
- Gewicht: 1594g
- ISBN-13: 9783875848168
- ISBN-10: 3875848160
- Artikelnr.: 25046086
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2000Deutschland
"Berlin ganz privat" von Susanne von Meiss (Text) und Reto Guntli (Fotos). Nicolai Verlag, Berlin 2000. 240 Seiten, 260 farbige Abbildungen. Gebunden, 98 Mark. ISBN 3-87584-816-0.
Gegen ein schön fotografiertes Coffee-Table-Book, in dem man an einem verregneten Sonntagnachmittag versonen blättern kann, ist nichts einzuwenden. Doch dieser Band von Susanne von Meiss und Reto Guntli, der vorgibt, Berlin "ganz privat" zu zeigen, lohnt nicht den Preis von 98 Mark, denn er hält nicht, was sein Klappentext verspricht. Da werden noch nie zuvor veröffentlichte Fotos von Interieurs prominenter Berliner angekündigt und Porträts all jener, "die in dieser Stadt den Ton angeben" in ihrer privaten Umgebung. Leider konnten die Autoren beide Vorhaben nicht verwirklichen. Aus welchen Gründen auch immer, ob aus Angst vor dem Verlust der Privatsphäre oder weil man nicht den Neid des Nachbarn provozieren wollte, haben sich viele Berliner damit begnügt, nur kleine Ausschnitte aus ihren eigenen vier Wänden preiszugeben. So ersetzt oft ein Bild des Treppenhauses und der Fassade oder ein ganzseitiges Porträt den Blick ins Innere. Der Kunstsammler Heinz Berggruen etwa ließ sich nur in den Räumen seiner Sammlung fotografieren, und Verleger Wolf Jobst Siedler wollte erst gar nicht vor die Kamera. Großzügigeren Zugang in ihre Häuser gewährten nur die Architekten, Inneneinrichter, Künstler und Galeristen, also jene, die von der Vermarktung ihres persönlichen Stils profitieren. Dass jedoch diese Künstler in Berlin tatsächlich den Ton angeben, ist eine Übertreibung. Es sind nicht die großen Namen unter den Berliner Architekten wie Hans Kollhoff oder Axel Schultes, deren Entwürfe das neue Gesicht der Stadt prägen, sondern weitgehend Unbekannte, die ihre Türen dem Fotografen geöffnet haben. Auch stilistisch ist der Band nicht eben gelungen. So überladen wie einige der Wohnungen ist auch der Sprachduktus, der an einer Adjektivhäufung krankt. Da wird nicht einfach gesprochen, sondern "charismatisch räsonniert" oder "reflektiert", die porträtierten Damen sind stets "attraktiv", "engagiert" oder "kultiviert". Glaubt man der Autorin, so hat sich in Berlins Gesellschaft seit Öffnung der Mauer nicht viel geändert - nach wie vor sind es die immer gleichen, in die Jahre gekommenen Diskothekenbesitzer, Friseure und Travestie-Künstler, die den Ton angeben. Trifft also noch immer zu, was Alfred Kerr schon vor hundert Jahren feststellte? "Berlin bleibt eine Parvenustadt." (Nag.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Berlin ganz privat" von Susanne von Meiss (Text) und Reto Guntli (Fotos). Nicolai Verlag, Berlin 2000. 240 Seiten, 260 farbige Abbildungen. Gebunden, 98 Mark. ISBN 3-87584-816-0.
Gegen ein schön fotografiertes Coffee-Table-Book, in dem man an einem verregneten Sonntagnachmittag versonen blättern kann, ist nichts einzuwenden. Doch dieser Band von Susanne von Meiss und Reto Guntli, der vorgibt, Berlin "ganz privat" zu zeigen, lohnt nicht den Preis von 98 Mark, denn er hält nicht, was sein Klappentext verspricht. Da werden noch nie zuvor veröffentlichte Fotos von Interieurs prominenter Berliner angekündigt und Porträts all jener, "die in dieser Stadt den Ton angeben" in ihrer privaten Umgebung. Leider konnten die Autoren beide Vorhaben nicht verwirklichen. Aus welchen Gründen auch immer, ob aus Angst vor dem Verlust der Privatsphäre oder weil man nicht den Neid des Nachbarn provozieren wollte, haben sich viele Berliner damit begnügt, nur kleine Ausschnitte aus ihren eigenen vier Wänden preiszugeben. So ersetzt oft ein Bild des Treppenhauses und der Fassade oder ein ganzseitiges Porträt den Blick ins Innere. Der Kunstsammler Heinz Berggruen etwa ließ sich nur in den Räumen seiner Sammlung fotografieren, und Verleger Wolf Jobst Siedler wollte erst gar nicht vor die Kamera. Großzügigeren Zugang in ihre Häuser gewährten nur die Architekten, Inneneinrichter, Künstler und Galeristen, also jene, die von der Vermarktung ihres persönlichen Stils profitieren. Dass jedoch diese Künstler in Berlin tatsächlich den Ton angeben, ist eine Übertreibung. Es sind nicht die großen Namen unter den Berliner Architekten wie Hans Kollhoff oder Axel Schultes, deren Entwürfe das neue Gesicht der Stadt prägen, sondern weitgehend Unbekannte, die ihre Türen dem Fotografen geöffnet haben. Auch stilistisch ist der Band nicht eben gelungen. So überladen wie einige der Wohnungen ist auch der Sprachduktus, der an einer Adjektivhäufung krankt. Da wird nicht einfach gesprochen, sondern "charismatisch räsonniert" oder "reflektiert", die porträtierten Damen sind stets "attraktiv", "engagiert" oder "kultiviert". Glaubt man der Autorin, so hat sich in Berlins Gesellschaft seit Öffnung der Mauer nicht viel geändert - nach wie vor sind es die immer gleichen, in die Jahre gekommenen Diskothekenbesitzer, Friseure und Travestie-Künstler, die den Ton angeben. Trifft also noch immer zu, was Alfred Kerr schon vor hundert Jahren feststellte? "Berlin bleibt eine Parvenustadt." (Nag.)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Enttäuscht schreibt "nag" über dieses teure Buch, das seine 98 Mark nicht wert sei. Denn es bietet seiner Meinung nach nicht, was es verspricht: Einblicke in die Wohnungen bzw. Häuser prominenter Berliner nämlich. Da hätte "nag" gern mehr gesehen, als Treppenhäuser und Fassaden sowie die Gesichter von Leuten, die schon vor der Wende das nicht besonders schillernde Westberliner Leben prägten. Tiefere Einblicke hätten bloß die gestattet, die von der Vermarktung ihres Stils lebten: Architekten, Künstler oder Inneneinrichter zum Beispiel. Der "überladene Sprachduktus" des Buches, kranke zudem an "Adjektivhäufung".
© Perlentaucher Medien GmbH
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