Wolfgang Büscher ist zu Fuß von Berlin nach Moskau gelaufen. Allein. An die drei Monate. Im Hochsommer hat er die Oder überquert, an der russischen Grenze hat er die Herbststürme erlebt und vor Moskau dann den ersten Schnee. Büscher erkundet Menschen und Orte, erzählt von einer polnischen Gräfin, die eine der geheimnisvollsten Gestalten des Zweiten Weltkriegs war; von Schmugglerinnen, mit denen er die weißrussische Grenze überquert; von einem sibirischen Yogi, den er in Minsk kennenlernt; einem russischen Freund, mit dem er in die verbotene Zone von Tschernobyl fährt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.2003Der Osten ist etwas, das keiner haben will
Wandern im Geschichtengrab: Mit seiner Reise von Berlin nach Moskau bewältigt Wolfgang Büscher den Rohstoff Erinnerung
Hundert Kilometer vor Minsk fragt ihn das erste Mal einer nicht, woher er komme, sondern wohin er ginge - "und als ich es ihm hersagte, Minsk, Borissow, Orscha, Smolensk, Mojaisk und irgendwann Moskau, schlug er mir auf die Schulter: ,Den Weg nehmen die Deutschen immer.'" Auch Napoleon hat diesen Weg genommen, aber seit 1941 die Heeresgruppe Mitte der deutschen Wehrmacht ihn einschlug, werden nicht mehr allzu viele Deutsche von Berlin nach Moskau marschiert sein. Vor zwei Jahren hat es dann doch einer getan, und man fragt sich im nachhinein, warum niemand früher auf diese Idee gekommen ist. Nach Lektüre von Wolfgang Büschers "Reise zu Fuß" muß man sagen: Zum Glück ist niemand früher auf die Idee gekommen. Denn dieses Buch ist ein Ereignis.
Im Hochsommer des Jahres 2001 verläßt der Journalist Büscher - er wurde 1951 in Kassel geboren, leitet bei der "Welt" das Ressort Reportage - mit einem Rucksack, handgenähten Wanderstiefeln und Grundkenntnissen des Russischen die Stadt Berlin, "so geradeaus wie möglich nach Osten". Er weiß, daß er am Anfang einer "Ungeheuerlichkeit" steht, sein Drang "Nach Moskau!" ist nicht zuletzt eine Strapaze, die er mit dem Leben bezahlen könnte: Weite Strecken seiner Route gelten nicht eben als klassisches Terrain für sentimentalische Wanderungen. Knapp dreitausend Kilometer Fußmarsch liegen vor ihm, er wird gehen, gehen, gehen. Er wird die meiste Zeit allein sein mit seinen Schritten, in menschenleeren Landschaften, in dunklen Wäldern und unter einem fremden Himmel. Viele Nächte auf schäbigen Pritschen in heruntergekommenen Herbergen. Aber er ist nicht ganz allein, ein Geist ist bei ihm, ein toter deutscher Landser, der diesen Weg vor ihm gegangen ist - Büschers Großvater, von dem niemand weiß, wie und wo er gestorben ist. Der Wanderer flüstert ihm zu: "Ich werde über dich gehen, ohne daß du es merkst. Sei ganz ruhig, ich werde durch dich hindurchgehen wie der Wind."
Schon nach zwanzig Seiten ist er an der polnischen Grenze, fällt die Tür nach Deutschland buchstäblich ins Schloß. Siebenhundert Kilometer quer durch Polen liegen vor ihm, der beschaulichere Teil der Reise. Büscher hat zunächst ein Netz von Kontaktpersonen, die ihm das Fortkommen erleichtern. Er kommt, sieht und saugt in sich auf, was an Gerüchen, Geschmäckern und Gedanken am Wegesrand liegt. Beim Gehen über die Dörfer wird er mit Schicksalen konfrontiert, die, so anrührend sie sein mögen, immer quälend verstrickt sind in die Geschichte, die hier als sehr viel lebendiger empfunden wird als im Westen. Hinter Bialystok liegt die "Grenze der Zukunft", dort wird einmal die Europäische Union enden, und der Osten wird als das große Paradoxistan dann weitergereicht werden bis nach Moskau. Aber Moskau, das ist schon wieder der Westen. Der Osten ist etwas, notiert Büscher, "das keiner haben will. Das sich jeder von der Jacke schnippt wie Vogeldreck."
Mit dem Überschreiten der polnischen Grenze beginnt der wirkliche wilde Osten, das weiße Land, das Reich des diktatorischen Präsidenten Lukaschenka. In einem Bus voller Schmugglerinnen kommt der Autor in das Reich des Bösen. Weißrußland entpuppt sich freilich als viel weniger bedrohlich, als es im Westen alle wissen wollten - es ist einfach nur ein müdes, vom Kommunismus ausgelaugtes Land. Und mit einem Mal, beim Gehen durch die "Ruine seiner lebenslangen Raserei", empfindet Büscher Mitleid mit dem Kommunismus: "Er nahm menschliche Züge an. Er war alt. Er konnte nicht mehr." Von Minsk aus fährt ihn ein Liquidator, ein ehemaliger Feuerwehrmann, der zur Evakuierung der Bevölkerung abkommandiert war, in die Todeszone von Tschernobyl. Zeichen überall: Im achten Kapitel der Offenbarung des Johannes ist die Rede vom brennenden Stern Wermut, der vom Himmel fällt und das Wasser bitter werden läßt. Im Russischen heißt der Wermutstrauch Tschernobylnik. Ein "manchmal überfeiner Sinn für die Apokalypse" ist hier am Werk, was den Reporter nicht davon abhält, sich im Dampfbad von einem Yogi mit Wermutzweigen peitschen zu lassen.
Apokalypsen auch andernorts: In einer menschenleeren Cafeteria in Witebsk zeigt ein Fernseher diese Bilder: "Ein rauchendes Hochhaus war zu sehen, dann kam ein Flugzeug und flog darauf zu, ich dachte, auch das noch, erst dieser Großbrand, dann rast auch noch ein Flugzeug hinein, wahrscheinlich die Orientierung verloren ..." Es ist der 11. September 2001, im "Geschichtengrab" des Ostens wird Weltgeschichte simultan aus dem Westen übertragen.
In der Vorrede zu seinem "Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802" hat Johann Gottfried Seume die poetische Gebrauchsanweisung für die Gattung Fußmarschliteratur ausgegeben: "In Romanen hat man uns nun lange genug alte, nicht mehr geläugnete Wahrheiten dichterisch eingekleidet, dargestellt und tausend Mahl wiederholt. Ich tadle dieses nicht; es ist der Anfang: aber immer nur Milchspeise für Kinder. Wir sollten doch endlich auch Männer werden, und beginnen die Sachen ernsthaft geschichtsmäßig zu nehmen. (...) Örter, Personen, Nahmen, Umstände sollten immer bey den Thatsachen als Belege seyn, damit alles so viel als möglich aktenmäßig würde. Die Geschichte ist am Ende doch ganz allein das Magazin unsers Guten und Schlimmen."
Büschers Magazin ist bis unters Dach voll mit historischem Wissen. Wie Seume ist er der Wahrheit verpflichtet, aber er macht keinen Hehl daraus, daß es seine private Wahrheit ist. Manchmal ist sie bitter, immer lakonisch, niemals pathetisch und ganz selten überfließend emotional, wenn sich die Wut über den "Krieg der Russen gegen sich selbst" Bahn bricht in einer Attacke auf den Schrott, den das Kriegsregime hinterlassen hat. Daß sich der Autor jegliche Wasserblasen-Wehleidigkeit verkneift, heißt nicht, er verschwiege, wie er "vertiert" und zu einem Landstreicher geworden sei. Ausgemergelt treibt es ihn immer weiter, auf niederschmetternd langen Chausseen auf Moskau zu. Die Zeit drängt: Der Winter steht vor der Tür.
"Erinnerung war neben Holz der einzig exportfähige Rohstoff dieses Landes, und aus dem Westen, wo der Stoff knapper wurde, reisten Reporter, Drehbuchautoren, Schriftsteller an, um ihn hier abzubauen." - Wolfgang Büscher hätte es sich leichtmachen und ein dickes Tagebuch abliefern können; aber er hat sich auch beim Schreiben für die schwierigere Variante entschieden. Wie nur bei wirklich großen Reportagen zu beobachten, leistet Büscher Verdichtungsarbeit: Er vereint Landschaftsbilder mit Reflexionen, Porträts mit Analysen zu einer Genauigkeit, die gelegentlich vor Aufladung nur so knistert (nicht umsonst verweigert der Band die Beigabe einer Landkarte, die man zunächst vermißt). Aus dem Reporter ist in den zweiundachtzig Tagen seiner Wanderung, an deren Ende er ekstatisch das Ortsschild von Moskau umarmt, ein Schriftsteller geworden, von dem man noch einiges erwarten darf.
Wolfgang Büscher: "Berlin-Moskau". Eine Reise zu Fuß. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 240 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wandern im Geschichtengrab: Mit seiner Reise von Berlin nach Moskau bewältigt Wolfgang Büscher den Rohstoff Erinnerung
Hundert Kilometer vor Minsk fragt ihn das erste Mal einer nicht, woher er komme, sondern wohin er ginge - "und als ich es ihm hersagte, Minsk, Borissow, Orscha, Smolensk, Mojaisk und irgendwann Moskau, schlug er mir auf die Schulter: ,Den Weg nehmen die Deutschen immer.'" Auch Napoleon hat diesen Weg genommen, aber seit 1941 die Heeresgruppe Mitte der deutschen Wehrmacht ihn einschlug, werden nicht mehr allzu viele Deutsche von Berlin nach Moskau marschiert sein. Vor zwei Jahren hat es dann doch einer getan, und man fragt sich im nachhinein, warum niemand früher auf diese Idee gekommen ist. Nach Lektüre von Wolfgang Büschers "Reise zu Fuß" muß man sagen: Zum Glück ist niemand früher auf die Idee gekommen. Denn dieses Buch ist ein Ereignis.
Im Hochsommer des Jahres 2001 verläßt der Journalist Büscher - er wurde 1951 in Kassel geboren, leitet bei der "Welt" das Ressort Reportage - mit einem Rucksack, handgenähten Wanderstiefeln und Grundkenntnissen des Russischen die Stadt Berlin, "so geradeaus wie möglich nach Osten". Er weiß, daß er am Anfang einer "Ungeheuerlichkeit" steht, sein Drang "Nach Moskau!" ist nicht zuletzt eine Strapaze, die er mit dem Leben bezahlen könnte: Weite Strecken seiner Route gelten nicht eben als klassisches Terrain für sentimentalische Wanderungen. Knapp dreitausend Kilometer Fußmarsch liegen vor ihm, er wird gehen, gehen, gehen. Er wird die meiste Zeit allein sein mit seinen Schritten, in menschenleeren Landschaften, in dunklen Wäldern und unter einem fremden Himmel. Viele Nächte auf schäbigen Pritschen in heruntergekommenen Herbergen. Aber er ist nicht ganz allein, ein Geist ist bei ihm, ein toter deutscher Landser, der diesen Weg vor ihm gegangen ist - Büschers Großvater, von dem niemand weiß, wie und wo er gestorben ist. Der Wanderer flüstert ihm zu: "Ich werde über dich gehen, ohne daß du es merkst. Sei ganz ruhig, ich werde durch dich hindurchgehen wie der Wind."
Schon nach zwanzig Seiten ist er an der polnischen Grenze, fällt die Tür nach Deutschland buchstäblich ins Schloß. Siebenhundert Kilometer quer durch Polen liegen vor ihm, der beschaulichere Teil der Reise. Büscher hat zunächst ein Netz von Kontaktpersonen, die ihm das Fortkommen erleichtern. Er kommt, sieht und saugt in sich auf, was an Gerüchen, Geschmäckern und Gedanken am Wegesrand liegt. Beim Gehen über die Dörfer wird er mit Schicksalen konfrontiert, die, so anrührend sie sein mögen, immer quälend verstrickt sind in die Geschichte, die hier als sehr viel lebendiger empfunden wird als im Westen. Hinter Bialystok liegt die "Grenze der Zukunft", dort wird einmal die Europäische Union enden, und der Osten wird als das große Paradoxistan dann weitergereicht werden bis nach Moskau. Aber Moskau, das ist schon wieder der Westen. Der Osten ist etwas, notiert Büscher, "das keiner haben will. Das sich jeder von der Jacke schnippt wie Vogeldreck."
Mit dem Überschreiten der polnischen Grenze beginnt der wirkliche wilde Osten, das weiße Land, das Reich des diktatorischen Präsidenten Lukaschenka. In einem Bus voller Schmugglerinnen kommt der Autor in das Reich des Bösen. Weißrußland entpuppt sich freilich als viel weniger bedrohlich, als es im Westen alle wissen wollten - es ist einfach nur ein müdes, vom Kommunismus ausgelaugtes Land. Und mit einem Mal, beim Gehen durch die "Ruine seiner lebenslangen Raserei", empfindet Büscher Mitleid mit dem Kommunismus: "Er nahm menschliche Züge an. Er war alt. Er konnte nicht mehr." Von Minsk aus fährt ihn ein Liquidator, ein ehemaliger Feuerwehrmann, der zur Evakuierung der Bevölkerung abkommandiert war, in die Todeszone von Tschernobyl. Zeichen überall: Im achten Kapitel der Offenbarung des Johannes ist die Rede vom brennenden Stern Wermut, der vom Himmel fällt und das Wasser bitter werden läßt. Im Russischen heißt der Wermutstrauch Tschernobylnik. Ein "manchmal überfeiner Sinn für die Apokalypse" ist hier am Werk, was den Reporter nicht davon abhält, sich im Dampfbad von einem Yogi mit Wermutzweigen peitschen zu lassen.
Apokalypsen auch andernorts: In einer menschenleeren Cafeteria in Witebsk zeigt ein Fernseher diese Bilder: "Ein rauchendes Hochhaus war zu sehen, dann kam ein Flugzeug und flog darauf zu, ich dachte, auch das noch, erst dieser Großbrand, dann rast auch noch ein Flugzeug hinein, wahrscheinlich die Orientierung verloren ..." Es ist der 11. September 2001, im "Geschichtengrab" des Ostens wird Weltgeschichte simultan aus dem Westen übertragen.
In der Vorrede zu seinem "Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802" hat Johann Gottfried Seume die poetische Gebrauchsanweisung für die Gattung Fußmarschliteratur ausgegeben: "In Romanen hat man uns nun lange genug alte, nicht mehr geläugnete Wahrheiten dichterisch eingekleidet, dargestellt und tausend Mahl wiederholt. Ich tadle dieses nicht; es ist der Anfang: aber immer nur Milchspeise für Kinder. Wir sollten doch endlich auch Männer werden, und beginnen die Sachen ernsthaft geschichtsmäßig zu nehmen. (...) Örter, Personen, Nahmen, Umstände sollten immer bey den Thatsachen als Belege seyn, damit alles so viel als möglich aktenmäßig würde. Die Geschichte ist am Ende doch ganz allein das Magazin unsers Guten und Schlimmen."
Büschers Magazin ist bis unters Dach voll mit historischem Wissen. Wie Seume ist er der Wahrheit verpflichtet, aber er macht keinen Hehl daraus, daß es seine private Wahrheit ist. Manchmal ist sie bitter, immer lakonisch, niemals pathetisch und ganz selten überfließend emotional, wenn sich die Wut über den "Krieg der Russen gegen sich selbst" Bahn bricht in einer Attacke auf den Schrott, den das Kriegsregime hinterlassen hat. Daß sich der Autor jegliche Wasserblasen-Wehleidigkeit verkneift, heißt nicht, er verschwiege, wie er "vertiert" und zu einem Landstreicher geworden sei. Ausgemergelt treibt es ihn immer weiter, auf niederschmetternd langen Chausseen auf Moskau zu. Die Zeit drängt: Der Winter steht vor der Tür.
"Erinnerung war neben Holz der einzig exportfähige Rohstoff dieses Landes, und aus dem Westen, wo der Stoff knapper wurde, reisten Reporter, Drehbuchautoren, Schriftsteller an, um ihn hier abzubauen." - Wolfgang Büscher hätte es sich leichtmachen und ein dickes Tagebuch abliefern können; aber er hat sich auch beim Schreiben für die schwierigere Variante entschieden. Wie nur bei wirklich großen Reportagen zu beobachten, leistet Büscher Verdichtungsarbeit: Er vereint Landschaftsbilder mit Reflexionen, Porträts mit Analysen zu einer Genauigkeit, die gelegentlich vor Aufladung nur so knistert (nicht umsonst verweigert der Band die Beigabe einer Landkarte, die man zunächst vermißt). Aus dem Reporter ist in den zweiundachtzig Tagen seiner Wanderung, an deren Ende er ekstatisch das Ortsschild von Moskau umarmt, ein Schriftsteller geworden, von dem man noch einiges erwarten darf.
Wolfgang Büscher: "Berlin-Moskau". Eine Reise zu Fuß. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 240 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Soweit die Füße tragen
Da geht einer drei Monate zu Fuß von Berlin über Polen und Weißrussland in die russische Metropole. Oft ganz allein mit sich, mit Durst und Dreck, und weiß doch eine Menge zu erzählen. Der Journalist Wolfgang Büscher hat gute und schlechte, langweilige und bemerkenswerte Menschen getroffen, über die er flott und lebendig schreibt. Jüngere europäische Geschichte verpackt er geschickt in seinen Erzählungen. Und manche Schilderung des Alltags klingt, als hätte es in den russischen Weiten einen Zeiten- und Systemwechsel nie gegeben.
Farbige Berichte
Büscher war in Kaschemmen und Hotels, auf Straßen und in einsamen Wäldern. Farbig wird sein Reisebericht, wenn er Schicksale schildert. Wie das der Gräfin Mankowska, die als Polin während des Zweiten Weltkrieges zwischen die Fronten gerät, erst in die Obhut, dann aber in die Fänge der Deutschen, schließlich auch der Russen. Eine Frau, die kämpft, um die Familie, um ihr Land und für die Liebe. Der Autor ist ein guter Beobachter, der freundlich, nie ironisch schildert, wie Frauen ihre in Polen zentnerweise gekaufte Ware mit kräftigem Obolus an den Zoll in die Heimat schleppen, oder aber den Kahlschlag am eigenen Kopf durch eine Perückenmacherin in Minsk.
Der Weg der Deutschen
In der weißrussischen Stadt Nowogrudok wird Büscher zum ersten Mal nicht gefragt, woher er komme, sondern danach, wohin er gehe. Er sagt: Minsk, Borissow, Orscha, Smolensk, Mojaisk und irgendwann Moskau. Die Antwort des Einheimischen mit Nike-Kappe und US-Army-Hemd: "Den Weg nehmen die Deutschen immer."
(Mathias Voigt, literaturtest.de)
Da geht einer drei Monate zu Fuß von Berlin über Polen und Weißrussland in die russische Metropole. Oft ganz allein mit sich, mit Durst und Dreck, und weiß doch eine Menge zu erzählen. Der Journalist Wolfgang Büscher hat gute und schlechte, langweilige und bemerkenswerte Menschen getroffen, über die er flott und lebendig schreibt. Jüngere europäische Geschichte verpackt er geschickt in seinen Erzählungen. Und manche Schilderung des Alltags klingt, als hätte es in den russischen Weiten einen Zeiten- und Systemwechsel nie gegeben.
Farbige Berichte
Büscher war in Kaschemmen und Hotels, auf Straßen und in einsamen Wäldern. Farbig wird sein Reisebericht, wenn er Schicksale schildert. Wie das der Gräfin Mankowska, die als Polin während des Zweiten Weltkrieges zwischen die Fronten gerät, erst in die Obhut, dann aber in die Fänge der Deutschen, schließlich auch der Russen. Eine Frau, die kämpft, um die Familie, um ihr Land und für die Liebe. Der Autor ist ein guter Beobachter, der freundlich, nie ironisch schildert, wie Frauen ihre in Polen zentnerweise gekaufte Ware mit kräftigem Obolus an den Zoll in die Heimat schleppen, oder aber den Kahlschlag am eigenen Kopf durch eine Perückenmacherin in Minsk.
Der Weg der Deutschen
In der weißrussischen Stadt Nowogrudok wird Büscher zum ersten Mal nicht gefragt, woher er komme, sondern danach, wohin er gehe. Er sagt: Minsk, Borissow, Orscha, Smolensk, Mojaisk und irgendwann Moskau. Die Antwort des Einheimischen mit Nike-Kappe und US-Army-Hemd: "Den Weg nehmen die Deutschen immer."
(Mathias Voigt, literaturtest.de)
"Reiseerfahrungen, die zum Besten gehören, was in den letzten Jahren in deutscher Sprache erschienen ist." - Der Spiegel
Dieses Buch ist unvergesslich und hat gute Aussichten, einmal zu den Klassikern der Reiseliteratur zu zählen - noch vor Bruce Chatwins Büchern. Süddeutsche Zeitung