Produktdetails
  • Verlag: Links, Ch
  • ISBN-13: 9783861532286
  • Artikelnr.: 05448188
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.1996

Deutschland

"Berlin-Wilhelmstraße" von Laurenz Demps. Ch. Links Verlag, Berlin. 342 Seiten mit vielen schwarzweißen Abbildungen, Grundrissen, Architekturzeichnungen, Katasterplänen und Dokumenten. Gebunden mit Schutzumschlag. 128 Mark. ISBN 3-86153-080-5.

War die Welt auf der alten Photographie, als Reichspräsident Paul von Hindenburg im Februar 1932 mit seinen Enkeln im Garten des Reichspräsidentenpalais Wilhelmstraße Nummer 73 spazierte, noch in Ordnung? Das wilhelminische Preußen, die Weimarer Republik, obendrein unter Androhung des Rücktritts von Hindenburg, und das Dritte Reich hatten alle Versuche der Stadt Berlin erfolgreich abgewehrt, die aus der Berliner Mitte kommenden Straßenzüge, Behren-, Französische, Jäger- und Taubenstraße, zu Ost-West-Verbindungen in Richtung Tiergarten auszubauen. Kaiser, Präsident und Führer ließen es nicht zu, daß die zu beiden Seiten der Wilhelmstraße errichtete Regierungstrutzburg zwischen Unter den Linden und Leipziger Straße nebst großflächigen Ministergärten dahinter von Menschen und Verkehr eingenommen werden. In der Wilhelmstraße saß der Staat und alles, was Staat sein wollte, die Ministerien für Inneres, Wissenschaft, Erziehung, Volksbildung, Ernährung, Landwirtschaft, Justiz, Auswärtiges, Finanzen, Luftfahrt, Volksaufklärung, Propaganda, Reichskanzlei und in den dreißiger Jahren direkt gegenüber auch die Reichsleitung der NSDAP. Weil der Krieg und die zum Teil sinnlose Abrißwut der Nachkriegszeit von den prächtigen Palaisbauten wenig bis nichts zurückgelassen haben, wird die dokumentarische Nachzeichnung über Aufstieg und Fall dieser Straße durch den Historiker Laurenz Demps gerade heute so wertvoll. Nicht so sehr das einstige Machtzentrum wird in den Vordergrund gestellt. Demps geht es vorrangig um einen historischen Raum und um den Erhalt der alten Stadtstrukturen. Viel wird mit der Wilhelmstraße in den nächsten Jahren nicht passieren können, weil die DDR in den achtziger Jahren wesentliche Straßenteile mit Plattenbauten gefüllt und alte Grundstücksgrenzen negiert hat. Das ist im bauwütigen Berlin dieser Tage nicht schlecht. Kommt Zeit, kommt Rat. "Berlin-Wilhelmstraße", und gemeint sind weder Hitlers nicht mehr vorhandene Reichskanzlei noch das erhaltene Luftfahrtministerium von Göring, vermittelt über die von Laurenz Demps so interessant verknüpften politischen, architektonischen und kulturellen Aspekte, wie Stadt- und Landesgeschichte in einer einzigen Straße zusammenkamen. (hph.)

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