Im Berliner Roman zwischen 1885 und 1906 spielen Adressen eine zentrale Rolle bei der gesellschaftskritischen Strukturierung des Geschehens. Aber weil aus ideologischen Günden die Dorfgeschichte lange im Zentrum des Interesses am deutschen Realismus stand, ist die soziale Topographie des Stadtromans kaum behandelt worden. Erst als mit dem Hauptstadtbeschluss von 1991 Fontane zur Leitfigur des anschwellenden Berlin-Tourismus wurde, konnte auch die urbane Verortung literarischer Phantasie auf mehr Beachtung hoffen. Vor dem Hintergrund der Fontane-Renaissance, der Günter Grass seinen Roman 'Ein weites Feld' gewidmet hat, versucht die vorliegende Studie, soziale Topographie und urbanen Realismus in einen historisch-theoretischen Rahmen zu stellen. In Einzelanalysen erfahren Fontanes einseitig auf den Westteil konzentrierte Berlin-Romane ihre notwendige Ergänzung durch Romane anderer, heute fast vergessener Autoren, die den "Zug nach dem Westen" vom Ostteil her beschreiben und gesellschaftliche Prätention 'von unten' thematisieren: Paul Lindau, Max Kretzer, Georg Hermann. Schon im Berliner Roman gab es eine 'Mauer im Kopf' - zwischen bürgerlichem Westen und proletarischem Osten.