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Produktdetails
  • Verlag: Stapp
  • Seitenzahl: 195
  • Abmessung: 235mm
  • Gewicht: 864g
  • ISBN-13: 9783877762585
  • Artikelnr.: 09339596
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2000

Grabgeschichten

Berliner Friedhöfe sind wie Friedhöfe überall: beruhigend. Weil in Berlin viele bekannte und zu Recht oder Unrecht berühmte Leute bestattet worden sind, stimmen Berliner Friedhöfe manchmal andächtig oder melancholisch. Wie kann es sein, so werden sich spätere Generationen am Grab von Marlene Dietrich fragen, daß eine Frau mit solchen Wangenknochen, diesem Mund und diesen Beinen unter einem so schlichten Stein bestattet worden ist? Die Frage haben Wilhelm Reinke und Christian Simon nicht beantwortet, als sie auf dem Schöneberger Friedhof am Grab der Diva das Buch "Berliner Gräber" vorstellten. Der Verleger Wolfgang Stapp aber sprach von der karger und monotoner werdenden deutschen Friedhofskultur - eine Entwicklung, die er auf das Friedhofsgesetz der Nazis mit Normhöhen für Grabsteine und dessen inhaltliche Übernahme durch die Bundesrepublik zurückführte. In diese Ordnung gehört das Grab der Dietrich. Stapp, Fotograf Reinke und Autor Simon verstehen sich als Bewahrer von Friedhöfen als Orten, die Ruhe schenken und Geschichten erzählen. Weil auch Bestattungsunternehmer mit der Zeit gehen, unterstützte das Unternehmen Grieneisen-Ahorn in Gestalt des Vorstandes Franz Eichinger und des Pressemannes Rolf-Peter Lange das Buchvorhaben. Zu jedem der neunzig Gräber, die Reinke fotografiert hat, gehört ein Text. Doch anders als in vielen Friedhofsbüchern erzählen sie weniger vom Leben als vom Tod oder von der Beisetzung. Neben dem Foto des Grabes von Ulrich Schamoni, gestorben 1998, ist zu lesen, daß Verwandte und Freunde des Filmemachers bei der Beerdigung zum Grappa griffen, um Schamonis zu gedenken. An Heinrich George erinnern ein Stein auf dem Friedhof Zehlendorf und die traurige Geschichte, daß seine Frau Bertra Drews 1946 über Georges Tod im sowjetischen Lager Sachsenhausen von einem Mithäftling erfuhr. Rudolf Platte, beigesetzt in Wilmersdorf, starb acht Tage nach seiner Frau. Die Tänzerin Valeska Gert, in Ruhleben beerdigt, sagte vor ihrem Tod 1978, sie werde keinen Winter mehr überleben: Das Fernsehprogramm sei zu schlecht.

wvb.

"Berliner Gräber" (Stapp Verlag) soll von kommender Woche an erhältlich sein.

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