Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 3,48 €
Produktdetails
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2013

Sandburgen vor der Flut
Ein Fotoband über Berliner Kiezkinos

Das Kino "Eiszeit" in Berlin-Kreuzberg hat seinen Namen daher, dass das besetzte Haus, in dem es 1981 gegründet wurde, keine Heizung besaß und die Besucher sich deshalb in Decken hüllen mussten. Im Moabiter "Filmrauschpalast" dagegen steht der Eisenofen - er heißt "Kora" - direkt neben der Leinwand vor der ersten Reihe. Und im "Sputnik" am Südstern sind die Sitzreihen aus Ziegeln gemauert, auf denen Plastikpolster liegen. Das Leben ist eine Baustelle, das Kino auch.

Man sieht, worum es in diesem Band geht: Um die Spur der Steine, zwischen denen jene Filmerlebnisse stattfinden, von denen wir zehren, wenn wir wieder draußen sind in der wirklichen Welt. Anders als unser Wohnzimmer ist der Kinosaal ja nie ganz real, er hat immer etwas Kulissenhaftes, so dass man sich nicht wundern würde, wenn er während der Vorstellung plötzlich die Farbe oder Form wechselte wie eine Animation. Umso ungewohnter ist es, die Kronleuchter des "International" oder die abfallenden Sesselreihen im "Hackesche Höfe" hier zu sehen, als handele es sich tatsächlich um Innenarchitektur und nicht bloß um das Setdekor all der Kinoabende, die man dort verbracht hat. Es ist, als hätte jemand diese Säle, Projektionsräume und Foyers dabei ertappt, wie sie sich zwischen den Vorstellungen vom Sturm der Bilder ausruhen.

Ulf Buschmann, von dem die Fotos und fast alle Texte stammen, hat eine enge, nicht immer ganz nachvollziehbare Auswahl getroffen, er hat einige wichtige Berliner Kinos weggelassen - etwa das "Bali" in Zehlendorf oder das Kreuzberger "Moviemento" - und andere, die inzwischen zu Ketten gehören wie das "Colosseum", gewürdigt. Man könnte sich auch ein ganz anderes Kinobuch aus Berlin vorstellen, eines, das etwa die vielen seit den sechziger Jahren geschlossenen Filmtheater zeigt, die Paläste am Kurfürstendamm ebenso wie die kleinen Klitschen am Stadtrand. Aber Buschmann wollte kein Verlustverzeichnis erstellen, sondern die Kiezkinos in dem Augenblick festhalten, da die Digitalisierung über sie hereinbricht. Morgen sind sie vielleicht schon weggespült, heute kann man sie noch betrachten: das "Eva" mit seinen roten Säulen, das "Intimes" mit seinem Hutschachtelfoyer, das "RegenbogenKino" mit seinen durchgesessenen Sofas. So schön wie Sandburgen vor der Flut.

kil.

Ulf Buschmann: Berliner Kinos/ Cinemas of Berlin.

Berlin Story Verlag, Berlin 2013, 104 S., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht ohne Melancholie betrachtet Andreas Kilb die alten Sitzreihen Berliner Kiezkinos, die Kronleuchter im International, die plüschigen Foyers. Dass der Autor und Fotograf Ulf Buschmann mit diesem Band kein Verlustverzeichnis erstellen wollte, mag ja sein. Für den Rezensenten aber scheint es nur eine Frage der Zeit, ehe die abgebildeten Kintopträume zerplatzen, im Zuge der Digitalisierung verschwinden. Buschmanns Auswahl hätte Kilb noch das ein oder andere Filmtheater hinzuzufügen, das Moviemento beispielsweise oder das Bali.

© Perlentaucher Medien GmbH