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Die Protagonisten in den Erzählungen von Ralf Bönt sind viel unterwegs, in Moskau, Haifa, New York, Rom, in Schwabinger Kneipen wie dem 'Türkenhof', und immer wieder in Berlin. Dorthin floh man früher vor der westdeutschen Wehrpflicht, dort sucht heute jeder sein Leben. Tatsächlich sind seine Helden hellwache und 'gut durchblutete Geschöpfe, Handelnde, die sich und der Welt etwas abverlangen, nicht nur zu Silvester', so der Autor. Wenngleich: In die wirklich wichtigen Fragen von Liebe und Weggehen und Bleiben spielen ja stets die Träume und Entschlüsse des Gegenübers hinein, die den eigenen…mehr

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Produktbeschreibung
Die Protagonisten in den Erzählungen von Ralf Bönt sind viel unterwegs, in Moskau, Haifa, New York, Rom, in Schwabinger Kneipen wie dem 'Türkenhof', und immer wieder in Berlin. Dorthin floh man früher vor der westdeutschen Wehrpflicht, dort sucht heute jeder sein Leben. Tatsächlich sind seine Helden hellwache und 'gut durchblutete Geschöpfe, Handelnde, die sich und der Welt etwas abverlangen, nicht nur zu Silvester', so der Autor. Wenngleich: In die wirklich wichtigen Fragen von Liebe und Weggehen und Bleiben spielen ja stets die Träume und Entschlüsse des Gegenübers hinein, die den eigenen Absichten nicht selten zuwiderlaufen. So ergeben sich fortwährend Überraschungen und Herausforderungen, beispielsweise wenn die sechsjährige Tochter, zu Besuch bei ihrem Vater und dessen neuer Gefährtin, den Krieg aus dem Fernsehen ganz arglos mit dem Verhältnis von Mama und Papa in Verbindung bringt. Bönt erzählt sinnliche Geschichten, die sich den großen Fragen der unmittelbaren Gegenwart vor dem Hintergrund einer Zeitenwende stellen, vorgetragen mit klugem Humor.
Autorenporträt
Ralf Bönt wurde 1963 in Lich geboren, wuchs auf in Bielefeld. Er war Autoschlosser, studierte Physik, promovierte 1993 bei Harald Fritzsch in München. Danach Forschungsaufträge u.a. CERN in Genf, Brookhaven National Lab in New York und DESY, Berlin. Seit 1994 freier Schriftsteller in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2006

Abenteuer Nachkriegszeit
Provinz ist im Kopf: Ralf Bönts Helden auf der Lebensflucht

Wenn ein Buch "Berliner Stille" heißt, erwartet man, daß es in der Hauptstadt spielt. Lange war es in Mode, dort den Stoff für eine große Erzählung zu suchen. Aber vielleicht verklingen langsam die Stimmen, die die deutsche Metropole mit ihrer ganzen Widersprüchlichkeit als mythisches Sehnsuchtsziel beschwören. Einen Berlin-Roman hat Ralf Bönt mit "Gold" schon im Jahr 2000 vorgelegt. Die Abenteurer und Sinnsucher, die seinen neuen Erzählungsband bevölkern, finden Berlin zwar aufregender als München, suchen ihr Glück aber meistens in der Fremde - in Ägypten, Rom, Moskau oder in der Wüste Sinai und vor allem in New York, diesem ungleich größeren urbanen Fluchtpunkt.

Wie etwa der einsam reisende Nachwuchswissenschaftler, der New York für eine Stadt hält, wo die Zivilisation wieder abenteuerlich wird; eine Stadt für Täter, nicht für Opfer, straucheln sie auf ihren Routen, verheddern sich im Gestrüpp der Weltstädte. Ihm gelingt es ohne fremde Hilfe noch nicht einmal, sich bei McDonald's Pommes frites zu kaufen, die dort French Fries heißen. Das junge Pärchen auf dem Weg nach Korsika, das sogar das Wort "Prosciutto" exotisch findet, ist rührend. Leichtfertig dagegen der dreißigjährige tablettensüchtige Arzt, der aus Versehen in ein chilenisches Armenviertel gerät, weil er ohne Reiseführer unterwegs ist.

Ralf Bönts Helden, die zwischen Papierstapeln und Büchertürmen leben oder jahrelang durch die Städte ziehen, paktieren mit allen, die sich um die Notwendigkeit des Erwachsenwerdens wenig scheren. Ein Bohemeleben führen sie alle nicht, noch taugen sie zu Erzverweigerern wie Bartleby. Sie sind bloß steckengeblieben in einer fortdauernden Übergangszeit, zwei Schritte vom Leben entfernt. Ihre Reisen lassen sie von vorhersehbaren Widrigkeiten überschatten, und zu Hause, in München oder Berlin, sind sie blind für Glücksverheißungen. Bei dem Protagonisten der Erzählung "Namenlose", von Beruf Student oder "so was Ähnliches", taucht aus dem Nichts ein Mädchen auf, verloren und nach Trost suchend. Mit einem herzlosen "Besser' dich" verabschiedet er sie am nächsten Morgen. Chancen sind nicht dazu da, ergriffen zu werden.

Aus versöhnlicher Distanz blickt Bönt auf seine Figuren, und der Ton leiser Melancholie, mit dem er seine Erzählungen unterlegt, scheint sich aus ihrer Gemütsart beinahe zwingend zu ergeben. Gerne kokettieren diese Unfertigen, Suchenden zwischen Dreißig und Vierzig mit steilen Gesten, mit dem "Abenteuer Nachkriegszeit" und mit einer Entschlossenheit, die sich immer wieder als bläßliche Pose enttarnt. Die Demütigung, ausgemustert worden zu sein, schmerzt noch viele Jahre später, denn die Frage war, "wie man den Wehrdienst verweigerte und die Selbstachtung behielt".

Selbstsuche und Lebensflucht, Unentschiedenheit und das leise Auseinanderbrechen von Beziehungen sind die Themen, um die diese neun schmalen, schlanken, elegant erzählten Geschichten von meist weniger als zwanzig Seiten kreisen. Eine der besten Geschichten nähert sich in einer tastenden Erzählbewegung einer ersten Liebe an, leuchtet die Kräfte aus, die zwei Menschen zusammenführen und wieder auseinandertreiben ("Steine"). Hinter dem wenigen Gesagten eröffnen sich hier weite Räume.

Nicht die vielbeschworene "Welthaltigkeit" ist Ralf Bönts Stärke, nicht das Mitschwingen im Takt der Gegenwart, sondern die kleinen und feinen Beobachtungen, das zart Verschwommene, mit wenigen Pinselstrichen Angedeutete. Nein, "Berliner Stille" ist keine deutsche Metropolitanliteratur, auch wenn der Titel dies versprechen mag, im Gegenteil. Ralf Bönt topographiert gekonnt und mit großer Präzision das Provinzielle. Denn Provinz ist nicht nur außerhalb der Hauptstadt, Provinz ist das Gewohnte und Verhaßte, was auch in den Träumen von der großen weiten Welt Köpfe und Herzen fesselt, egal, wohin man geht. Und gegen die Provinzialität der Seelen kann weder die Magie der Orte noch die Imagination zur Schau gestellter Weltläufigkeit etwas ausrichten.

ANDREA NEUHAUS

Ralf Bönt: "Berliner Stille". Erzählungen. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 160 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Schöne Passagen" finde man in den neun Erzählungen, lobt Rezensent Martin Krumbholz, und gleichzeitig vermeide Ralf Bönt "konsequent die Pointe". Krumbholz sieht in den stets reisenden Helden Bönts "Globetrotter" auf der vergeblichen Suche nach sich selbst. Zudem trügen sie mit ihrem Handicap, keine "Kommunikationsgenies" zu sein, auch ihre Isolation immer bei sich. Keine Erlösung nirgends. Trotz "vieler" Begegnungen in "kurzen" Geschichten.

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