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Berta Islayla Toms Nevinson cok genc yasta tanisir Madridde, kisa süre sonra da hayatlarini birlikte gecirmeye karar verirler, ne ki iliskilerinin önce kesintili gececegi, ardindan da kopacagi akillarina gelmez. Dil ve aksanlari taklit etme konusunda inanilmaz bir yetenege sahip olan Toms Oxfordda ögrenim gördügü sirada bu özelligiyle Krallikin dikkatini ceker. Tam bu siralarda, bir gün, basina gelenler hem onun hem de karisi Bertanin gelecegini belirleyecektir... Yilin Kitabi - El Pas Maras bu kitabiyla essiz bir bicim yakalamis. - The Times Literary Supplement Yasayan Avrupali romancilar…mehr

Produktbeschreibung
Berta Islayla Toms Nevinson cok genc yasta tanisir Madridde, kisa süre sonra da hayatlarini birlikte gecirmeye karar verirler, ne ki iliskilerinin önce kesintili gececegi, ardindan da kopacagi akillarina gelmez. Dil ve aksanlari taklit etme konusunda inanilmaz bir yetenege sahip olan Toms Oxfordda ögrenim gördügü sirada bu özelligiyle Krallikin dikkatini ceker. Tam bu siralarda, bir gün, basina gelenler hem onun hem de karisi Bertanin gelecegini belirleyecektir... Yilin Kitabi - El Pas Maras bu kitabiyla essiz bir bicim yakalamis. - The Times Literary Supplement Yasayan Avrupali romancilar icinde Javier Marastan daha iyisi var mi - Independent Gercek ile ahlaki acimasizca irdeleyen, sasirtici, merak uyandiran bir hikaye. - The Guardian
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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.05.2019

Die bessere Hälfte des Doppellebens

Auch Ausgestoßene des Universums haben Frau und Kinder: In seinem neuen Roman "Berta Isla" erzählt Javier Marías von den Lügen und Leerstellen im Leben mit einem Geheimdienstler.

Man kann von Glück sagen, dass Javier Marías rasch zum Schreiben zurückgefunden hat: Nach den mehr als tausendfünfhundert Seiten seiner Trilogie "Dein Gesicht morgen", deren letzter Band "Gift und Schatten und Abschied" im spanischen Original im Jahr 2007 erschienen ist, hatte er noch gezweifelt, ob er je wieder einen Roman verfassen würde. Jetzt, mit seinem dritten Roman nach dem Großwerk, hat der spanische Nobelpreis-Kandidat sogar noch einmal in die Welt und zu einigen der Charaktere von "Dein Gesicht morgen" zurückgefunden, und auch das ist ein Glück.

"Berta Isla", soeben in deutscher Übersetzung erschienen, ist ein Wiedersehen mit Peter Wheeler und Bertram Tupra, dem charismatischen Oxforder Hispanistik-Dozenten mit nachgesagter Geheimdienst-Vergangenheit und seinem ehemaligen Schützling mit aktueller Karriere beim MI6. Doch das neue Buch führt nicht einfach die begonnene Erzählung fort, sondern liest sich als Komplementärroman: Er nimmt die Verunsicherung und Verwüstung in den Blick, die eine Agententätigkeit auch für ein Liebespaar und in der Familie mit sich bringt. Seine Titelheldin heiratet ihren spanisch-englischen Jugendfreund nach dessen Rückkehr aus Oxford, nicht ahnend, dass Tomás Nevinson sich in den letzten Zügen seines Studiums dort gezwungen sah, sich dem britischen Geheimdienst zu verpflichten.

Er müsse dafür auf nicht allzu viel verzichten, ein Doppelleben wäre sogar angebracht. Wer sich für diese Existenz entscheide, komme und gehe einfach, "wie jeder Mann von Welt", sagt ihm Wheeler, als der Student noch eine Wahl zu haben glaubt und schließlich ablehnt. Kurz darauf wird er in einem Mordfall verhört, erkennt aus den Fragen des Polizisten, dass er selbst dringend tatverdächtig ist, und sieht nach einem eindrucksvollen Auftritt Tupras keine andere Rettung vor einer langjährigen Gefängnisstrafe, als sein außergewöhnliches Talent, sich noch die feinsten Dialektnuancen in einer ganzen Reihe von Sprachen anzueignen, in dessen Dienst zu stellen.

Natürlich bemerkt Berta nach seiner Rückkehr nach Madrid eine Wesensveränderung, ohne sie deuten zu können - und ohne sich dadurch von den gemeinsamen Plänen abhalten zu lassen. Schon früh ist ihr heimlicher Eindruck, sie wäre mit "einem Gefangenen ohne Fluchtmöglichkeit" verheiratet, dessen "grundlegende Gleichgültigkeit gegenüber seiner Existenz" allenfalls von spürbarer Nervosität und Schwermut abgelöst wird, wenn er seine Arbeit an der britischen Botschaft in ihrer Heimat Madrid wieder einmal für eine Reise nach England unterbricht, für eine dieser Reisen, deren Zweck Berta genauso unklar bleibt wie ihre Dauer. Sein Schicksal sei besiegelt, gibt er zu, und sie das Einzige, von dem er wisse, dass er es gewollt habe. Was Tomás damit aussagt über alles außerhalb dieses Einzigen, bleibt für Berta im Dunkeln, es bleibt selbst dann noch im Halbdunkeln, als sie ihn nach einem Erpressungsversuch fragt, ob er tatsächlich für den Geheimdienst arbeite, wie ihr zu Ohren gekommen ist.

Ein reizendes Paar, das Berta beim Ausflug in den Sabatinischen Gärten kennenlernt, entpuppt sich im Wohnzimmer vor der Babykrippe mit Benzin und Feuerzeug als Widersacher ihres Mannes in Angelegenheiten, von denen die junge Mutter nichts wusste: Es gibt, im von Berta direkt erzählten Hauptteil des Buchs wie auch in den Passagen, die diesen Hauptteil rahmen, Episoden von großer Spannung, zu denen die geschichtliche Einbettung - Spaniens Übergang nach dem Franco-Regime, der Nordirland-Konflikt, der Falklandkrieg - das Ihre tut. Doch "Berta Isla" ist nicht als Spionagethriller angelegt. Die Stärken auch dieses Romans liegen in der für Javier Marías kennzeichnenden Art, sich in komplexe, widersprüchliche, diffuse Gefühlslagen hineinzuarbeiten, die er selbst als pensamiento literario, als literarisches Denken beschreibt. Wozu könnte das Tastende, sich Auswachsende dieses Stils besser passen als zu einer Situation der Unklarheit, der Unsicherheit, des Wartens und Hoffens, während sich die eigenen Gedanken selbständig machen?

Auch wenn sich dieses literarische Denken klanglich ähnelt, ob in der auktorialen Erzählung des Rahmens, in den Ausführungen Wheelers, in den Plaudereien des Gegenagenten Kindelán oder in Bertas eigenen Gedankengängen: Der Sog, den Javier Marías auf diese Weise zu erzeugen vermag, verliert dadurch nicht an Eindrücklichkeit und Kraft. Gleich mit dem ersten Satz des Romans, noch bevor der Leser auch nur einen Namen, einen Ort, einen Handlungsschritt erfährt, wird er davon erfasst: "Es gab eine Zeit, da war sie sich nicht sicher, ob ihr Mann ihr Mann war, wie man auch im Dämmerschlaf nicht weiß, ob man denkt oder träumt, ob man seinen Geist noch lenkt oder die Erschöpfung ihn in die Irre führt." So konkret und detailliert der Autor im Folgenden auch von Berta und Tomás erzählt, so sorgfältig er ihre einzigartige Situation zeitlich, örtlich, politisch fundiert - die Spur ist gelegt, die Bereitschaft im Kopf des Lesers geweckt, im ungewöhnlichen Schicksal des Paares auch Aspekte des eigenen, Aspekte anderer Biographien widerhallen zu hören: die Geschichten Hintergangener, die Schicksale durch Krieg oder Flucht Entzweiter, die traumatischen Folgen von Erlebnissen, die nicht nur denjenigen nicht mehr loslassen, dem sie geschehen sind, sondern auch seine Nächsten betreffen.

Einmal nennt sich Berta eine Komplizin des Doppellebens der Geheimnisse ihres Mannes, eine Lügnerin, um Tomás zu decken, ohne zu wissen, wobei. Bertram Tupra, sein Anwerber und Auftraggeber, geht noch weiter. Als Tomás ihm vorwirft, ihm ein Leben aufgezwungen zu haben, nennt er den Anspruch auf Selbstbestimmung kühl einen "Dünkel unserer Zeit", der sich überall festgesetzt habe: "Seit wann haben die Leute sich ihr Leben ausgesucht?", fragt er bissig und referiert menschliche Schicksale über die Jahrhunderte, von den Ärmsten bis hin zur Queen.

Von der ersten Begegnung der beiden bis zur Abrechnung erzählt "Berta Isla" auch eine Geschichte rhetorischen, intellektuellen Kräftemessens. Zum Glück findet Tomás dabei nicht nur in Wheeler oder Tupra seine Gegenüber, sondern auch Berta in ihrem Mann: Über bald dreißig Seiten verwickelt sie, inzwischen Dozentin für Englische Philologie, Tomás in eine fesselnde Diskussion über eine Schlüsselszene aus "Heinrich V.", in der Shakespeare den verkleideten König in der Nacht vor der Schlacht offene Worte seiner Soldaten hören lässt. Danach steht er vor der Entscheidung, ob er deren Despektierlichkeit bestrafen soll. Die Frage, auf die Berta die Diskussion zulaufen lässt: "Was hätte der König tun sollen, wenn die Worte seiner Soldaten verschwörerisch gewesen wären?" Ein Lächeln ist Tomàs' erste Antwort: "Vermutlich hatte er Freude mit mir", stellt sie fest, "so war es von Anfang an gewesen, und das hatte sich nicht erschöpft."

Auch wenn beide nicht mehr sagen können, woran und wen genau: Sie erkennen einander, sie kennen einander. Es gibt etwas Verbindendes. Einem sachlichen Blick hielte es wohl nicht stand. Die Schilderung solcher Fremdheit und Verbundenheit weist über das Buch hinaus.

Zeilen aus T.S. Eliots "Little Gidding" durchziehen es, von Tomás anfangs überflogen, als er verabredungsgemäß in einer Buchhandlung in Oxford auf Tupra wartet: "Wofür die Toten keine Worte hatten zu Lebzeiten, das können sie dir erzählen im Tod." Für das, was ihn zu Lebzeiten zum Toten macht, darf Tomás keine Worte haben. Die Worte, die Javier Marías seine Heldin dafür finden lässt, machen "Berta Isla" zu einem großen Buch.

FRIDTJOF KÜCHEMANN

Javier Marías: "Berta Isla". Roman.

Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Verlag S. Fischer,

Frankfurt am Main 2019. 656 S., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2019

Die im Dunkeln sieht man nicht
Auf einen Spionageroman zusteuern, dann scharf zu den Labyrinthen des Selbstverlustes abbiegen:
Javier Marías erzählt in „Berta Isla“ von einer Frau, der nicht nur ihr Mann abhanden kommt
VON FRAUKE MEYER-GOSAU
Die Literaten sind sich nicht einig: Ist „jeder Mensch eine Insel, die sich nach Vereinigung mit dem Festland sehnt“, wie Arthur Koestler meinte, oder ist, wie John Donne 500 Jahre zuvor schrieb, gerade das Gegenteil wahr: „Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents“? Javier Marías scheint in dieser Frage entschieden. „Berta Isla“ heißt sein neuer Roman, betitelt nach der weiblichen Hauptfigur. Sie trägt die „Insel“-Existenz schon im Namen, und so weit wir ihrem Leben in diesem Buch folgen – von der Mitte der Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts bis ungefähr an dessen Ende –, ist die Verbindung zu ihrem Daseins-Kontinent, dem gemeinsamen Leben mit Tomás „Tom“ Nevinson, erst löchrig geworden, dann unstet, und am 4. April 1982 schließlich komplett abgebrochen.
Auch Toms unerwartetes Wiederauftauchen zwölf Jahre später kann die verlorenenen Gewissheiten nicht wiederherstellen. Sie wird bleiben, was Marías ihr mit ihrem Namen aufgegeben hat: ein insuläres Wesen mit nur wenigen, fragilen Brücken zu dem, was für andere ein normales Leben ist. Dabei schien für Berta und Tomás zunächst alles genau in diese Richtung zu laufen. Als Kinder lernen sie sich kennen, gehen zusammen in Madrid auf die angesehene Schule „Instituto Británico“, an der auch Toms Mutter unterrichtet, und mit noch nicht 15 Jahren tun sie sich, in zunächst nur „geschwisterlicher Verschworenheit“, zu einem Paar zusammen.
Berta, „eine dunkle Schönheit, mild, sanft und unvollkommen“, ausgestattet „mit einer Neigung zum Lachen“ und dem festen Glauben, Anspruch auf einen sicheren, ihrem Witz, ihrer Schönheit und Intelligenz angemessenen Platz im Leben zu haben, stammt aus einer alt eingesessenen Madrider Familie. Tomás hingegen ist mütterlicherseits Spanier und von Seiten seines Vaters, der in Madrid in der britischen Botschaft und für den British Council arbeitet, englischer Herkunft – Spanisch und Englisch beherrscht er folglich von Kindesbeinen an. Da ist es naheliegend, dass er zum Sprachenstudium nach Oxford geht, daheim studiert seine Freundin Englisch. So beginnen für das Paar Jahre des Pendelns zwischen der britischen Insel und dem europäischen Festland.
Mit großer Zuneigung zu seinen Hauptfiguren und in ruhigem Erzählton entwickelt Marías, was nun kommen muss, denn er hat Tomás mit einem besonderen Talent ausgestattet: „Als Tomás in Oxford anfing, beherrschte er einwandfrei fast alle Register, Tonfälle, Dialekte, Ausdrucksweisen und Akzente seiner beiden Sprachen, parlierte so gut wie fehlerlos Französisch und sprach ein sehr flüssiges Italienisch.“ Im dritten Studienjahr kommen noch Russisch, Polnisch, Tschechisch und Serbokroatisch hinzu, „er war eindeutig hochbegabt auf dem Gebiet, ein Wunderkind“ – und damit ein perfektes Objekt der Begierden des britischen Geheimdienstes.
Einige Jahre später, da hat Tom schon dessen tückischer Erpressung nachgegeben und wird in England zum Spion trainiert, während Berta in Madrid lebt, stellt seine Ehefrau nicht ohne Entsetzen fest: „Man hatte ihn gut ausgebildet, während all der Jahre sorgfältig an seinen Begabungen gefeilt, hatte ihn in einen chamäleonhaften Schauspieler verwandelt oder in einen professionellen Stimmenimitator.“ Sein Körper ist noch der von Tomás Nevinson, Stimme, Sprache, Akzent und Ausdruck aber können ihn inzwischen als jeden beliebigen anderen erscheinen lassen. „In früheren Zeiten“, folgert Berta, hätte man angesichts dieser gespenstischen Mimikry „einen Exorzisten gerufen.“
Seit der Enttarnung des russischen Meisterspions Kim Philby und seiner „Cambridge Five“ ist bekannt, dass die britischen Elite-Universitäten eine bevorzugte Rekrutierungsstätte für den Nachwuchs der einheimischen Geheimdienste sind. Als Toms Aufenthalte in Großbritannien (und von dort aus dann wer weiß wo) immer länger dauern, er ihr aber nichts über seine genaue Tätigkeit erzählen will, ahnt Berta Isla, dass sie allen Grund hat, sich näher mit dem Geflecht der verschiedenen englischen Spionage-Agenturen zu beschäftigen. Zur Rede stellt sie ihren Mann aber erst, nachdem ihr kleiner Sohn von dem unheimlichen spanisch-irischen Paar Kindelán mit dem Tod bedroht worden ist.
Doch bekennt sich Tom zu seiner Arbeit auch dann nur in groben Umrissen, mehr zu sagen ist ihm nicht erlaubt. Nach dem Ausbruch des Falklandkriegs im April 1982 wird er, offiziell für tot erklärt, auf lange Zeit aus Bertas Gesichtskreis verschwinden. Berta, die an seinen Tod nicht glauben kann, erhält vom britischen Staat eine Witwenrente und zieht, mittlerweile Professorin für Englische Philologie, die gemeinsamen Kinder allein groß. Gelegentliche Liebhaber, von Marías in knappen Porträts fabelhaft präzise (und teils sehr komisch) gezeichnet, gibt es zwar, doch zu einer erneuten Ehe kann Berta sich nicht entschließen. So löst sich schließlich auch für sie selbst ein, was Toms Professor, der ihn einst als Agenten angeworben hat, zum unauflöslichen Verhältnis zwischen den Geheimdiensten und ihren Spionen gesagt hat: „We always stand and wait“, „wir stehen und warten immer“ – ein nur gestundetes Leben, immer auf Abruf, niemals in Sicherheit.
„Berta Isla“ hätte also gut und gern auch ein faszinierender Spionageroman werden können. Doch hat Javier Marías sich anders entschieden. Nicht Tom, sondern Berta, die Zurückgelassene, ist die (angenehmerweise völlig unheroische) Heldin. Und so überlässt er ihr, ihren Empfindungen und ihrer Sichtweise für etwa die Hälfte des Romans denn auch die erste Stimme – für acht Kapitel ist „Berta Isla“ eine Ich-Erzählung. Und eine mit literarischen Anspielungen und Zitaten gespickte noch dazu. Nicht nur leiten uns Zeilen aus T. S. Eliots Langgedicht „Little Giddens“ durch den gesamten Text, wenn es um die „Ausgestoßenen des Universums“ geht, um das Verhältnis von Lebenden und Toten („sie kehren zurück und bringen uns mit“) oder um den „Tod der Luft“, der „das Ende der Geschichte“ auch jedes Einzelnen bedeutet.
Daneben gibt es eher humoristische literarische Anspielungen, etwa wenn Toms Oxforder Geliebte, die in einem Antiquariat arbeitet, bei ihrer Begegnung rein zufällig in Joseph Conrads „The Secret Agent“ blättert oder Berta und Tom sich über den Charakter von dessen geheimer Tätigkeit verständigen, indem sie eine Szene aus Shakespeares „Heinrich V.“ analysieren. Um zu erspüren, was ihr selbst geschieht, liest Berta während der langen Wartezeit nach Toms Verschwinden Balzacs Erzählung „Oberst Chabert“ oder Natalie Zemon Davies‘ „Die wahrhaftige Geschichte der Wiederkehr des Martin Guerre“. Bis sie „entdeckt, dass man sich an das Warten gewöhnt hat und vielleicht gar nichts anderes mehr will“.
Trotz aller Anspielungen, Zitate und ins Allgemeine schweifenden Reflexionen bleibt der Roman immer leichthändig, in seiner Erzählweise wie schwebend. Selbst Bertas dämonischer Gegenspieler Bertram Tupra, über all die Jahre Toms Agentenführer, erhält einen mephistophelischen Zug von Heiterkeit, Charme und Verführungskraft. Mr. Molyneux dagegen, „ein junger Schnösel, etwas schwammig … und mit einer absurden Dickens-Tolle über der Stirn“, der Tom aus der Schattenexistenz mit neuer Frau und kleiner Tochter irgendwo in einer englischen Kleinstadt herauszulotsen hat, erscheint als Fleisch gewordene Kränkung des verdienten Spions: ein Repräsentant der jungen Geheimdienstgeneration, ohne alle Ambivalenz.
So setzt sich in eindringlichen Bildern zusammen, was Tomás Nevisons Leben unter den Bedingungen von Angst, Verstellung und Gewalt in seiner Summe bedeutet hat: „Er war noch nicht dreiundvierzig und gehörte schon für jeden Frischling der Vorzeit an, ein Mammut.“ Dass, wer dieses Dasein überlebt, „am Ende nicht mehr weiß, wer er ist“, hatte das Agentenpaar Kinderlán Berta schon früh vorhergesagt. Und Tom selbst, der zum einen tatsächlich froh ist, „diese endlose Etappe, die sich in sein einziges Leben verwandelt hatte, dieses umherschweifende, betrügerische, zersplitterte Leben“ hinter sich zu lassen, weiß doch zugleich auch: „Er würde es vermissen und freute sich über sein Ende, er würde es vermissen.“
Was also ist ein solches Leben wert? Welche Zufälle, Unbedenklichkeiten und Illusionen, Eitelkeiten und bösartigen Machenschaften verleihen ihm Form und Charakter – und welche Auswirkungen hat es für die allernächsten Menschen? Diese Fragen bewegen den gesamten Roman, und natürlich kann es nur Berta sein, der Marías die abschließende Antwort in den Mund legt. „Nur als Verweis in einer anderen Erzählung“, lässt er sie denken, während sie auf ihren in sich selbst versunkenen Ehemann schaut, verdiene es eine Geschichte wie die seine, überhaupt vorzukommen. Erzählenswert nämlich sei doch nur ein Leben, das „abenteuerlicher, reizvoller ist, vor allem selbstbestimmt“, nicht die konturlose Existenz derer, „die wie ich und auch wie er, ja wie so viele, viele andere einfach nur stehen und warten“. Der Roman „Berta Isla“ selbst aber, so federleicht und tiefsinnig, so tragisch, komisch, spannend, belesen und tief berührend, liefert zu dieser Behauptung den lebhaftesten Gegenbeweis.
Javier Marías: Berta Isla. Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019. 654 Seiten, 26 Euro.
Um zu erspüren, was ihr
geschieht, liest Berta
Balzacs „Colonel Chabert“
„Er war noch nicht dreiundvierzig
und gehörte schon für jeden
Frischling der Vorzeit an.“
Der Autor als Herrscher im Reich seiner Bücher: Javier Marías im Arbeitszimmer seiner Wohnung in Madrid im Jahr 2017.
Foto: Quim Llenas / Getty Images
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