Die dunklen Seiten des Unternehmens, das hinter der Fassade von Frömmigkeit und ethischen Prinzipien mit skrupellosen Geschäftsmethoden den Grundstein zum Weltkonzern legte.Ob Musik, Bücher oder Privatfernsehen: Der Medienmacht von Bertelsmann kann man sich kaum entziehen. 1835 als Buchverlag gegründet, ist Bertelsmann heute einer der größten Medienkonzerne der Welt. Frank Böckelmann und Hersch Fischler beschreiben, mit welchen Methoden aus dem christlichen Provinzverlag aus Ostwestfalen ein Weltkonzern wurde, wie Bertelsmann im Dritten Reich zum erfolgreichsten Lieferanten von Feldausgaben für die Wehrmacht wurde, wie das Unternehmen seit den Fünfzigerjahren mit Brachialmethoden seinen Buchclub als Deutschlands größter Buchgemeinschaft etablierte, und warum die Fassade des ethischen Bildungsanspruchs durch Küblböck, Bohlen oder Big Brother & Co. ad absurdum geführt wird.Dabei wird deutlich: die von den hauseigenen Medien lancierte Behauptung, dass zwischen der Eigennützigkeit vontelsmann und dem Gemeininteresse kein Widerspruch besteht, ist bloße Legende. Die ethische Überhöhung selbst skrupelloser Geschäftsmethoden hat System. Dafür sorgen nicht zuletzt Reinhard und Liz Mohn, deren unangefochtene Machtposition garantiert, dass der Weltkonzern ein gut steuerbarer Familienbetrieb bleibt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.10.2004Im toten Winkel von Gütersloh
Viel Ideologie und altbekannte Fakten über den Erfolg der Bertelsmänner
VON RAINER HANK
Ein Blick hinter die Fassade lockt. Gerade beim Familienunternehmen Bertelsmann, dessen Aufstieg vom frommen ostwestfälischen Kleinverlag zum größten Medienkonzern der Welt die Nachkriegsgeschichte prägte. Dieser Erfolg ist das Werk des Verlegers Reinhard Mohn, der den Wirtschaftswunderdeutschen das Lesen (Buchclub) und uns Gegenwärtigen das Fernsehen (RTL) lehrte. Mohn selbst begleitet diese Geschichte geradezu aufdringlich mit Traktaten über partnerschaftliches und dezentrales Führen und die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens.
Frank Böckelmann und Hersch Fischler versprechen den Blick hinter die Kulissen: Was "im toten Winkel" der öffentlichen Wahrnehmung liegt, soll zum Licht der Wahrheit geführt werden, tönt Böckelmann. Das Versprechen wird nicht eingelöst. Schlimmer noch: Der Leser blickt leider nur in den "toten Winkel" der Weltanschauung der Autoren. Dort findet sich ziemlich viel Antikapitalismus und Kulturkritik der 70er Jahre. Danach wollen Medienunternehmen die Betreuung "des gesamten Kulturkonsums möglichst vieler Menschen" übernehmen und ihnen "ihre Sicht der Dinge" aufzwingen. Daß Unternehmen Gewinn machen und unrentable Unternehmensteile verkaufen, ist aus Sicht der Autoren nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch ein Verstoß gegen Mohns gutmenschliche Unternehmensphilosophie. Letzteres ist zwar nicht falsch. Aber Böckelmann und Fischler sind (neben ein paar versprengten Güterslohern) die einzigen, die Mohns Traktate unkritisch glauben - um sie anschließend ideologiekritisch zu sezieren.
Gewiß, viele Fakten und Einschätzungen sind richtig. Doch sie sind nicht neu. Bekannt ist selbst die - unfaßbare - Geschichte, wie es den Mohns gelang, dem Verlag eine Widerstandsgeschichte gegen die Nazis anzudichten (dabei hatte man Feldposthefte für Wehrmacht und Waffen-SS und die Nazi-Autoren Will Vesper und Hans Grimm verlegt), um von den Engländern eine Drucklizenz zu erwerben. Dieser Blick hinter die Kulissen stammt von Hersch Fischler - aus dem Jahr 1998.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Viel Ideologie und altbekannte Fakten über den Erfolg der Bertelsmänner
VON RAINER HANK
Ein Blick hinter die Fassade lockt. Gerade beim Familienunternehmen Bertelsmann, dessen Aufstieg vom frommen ostwestfälischen Kleinverlag zum größten Medienkonzern der Welt die Nachkriegsgeschichte prägte. Dieser Erfolg ist das Werk des Verlegers Reinhard Mohn, der den Wirtschaftswunderdeutschen das Lesen (Buchclub) und uns Gegenwärtigen das Fernsehen (RTL) lehrte. Mohn selbst begleitet diese Geschichte geradezu aufdringlich mit Traktaten über partnerschaftliches und dezentrales Führen und die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens.
Frank Böckelmann und Hersch Fischler versprechen den Blick hinter die Kulissen: Was "im toten Winkel" der öffentlichen Wahrnehmung liegt, soll zum Licht der Wahrheit geführt werden, tönt Böckelmann. Das Versprechen wird nicht eingelöst. Schlimmer noch: Der Leser blickt leider nur in den "toten Winkel" der Weltanschauung der Autoren. Dort findet sich ziemlich viel Antikapitalismus und Kulturkritik der 70er Jahre. Danach wollen Medienunternehmen die Betreuung "des gesamten Kulturkonsums möglichst vieler Menschen" übernehmen und ihnen "ihre Sicht der Dinge" aufzwingen. Daß Unternehmen Gewinn machen und unrentable Unternehmensteile verkaufen, ist aus Sicht der Autoren nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch ein Verstoß gegen Mohns gutmenschliche Unternehmensphilosophie. Letzteres ist zwar nicht falsch. Aber Böckelmann und Fischler sind (neben ein paar versprengten Güterslohern) die einzigen, die Mohns Traktate unkritisch glauben - um sie anschließend ideologiekritisch zu sezieren.
Gewiß, viele Fakten und Einschätzungen sind richtig. Doch sie sind nicht neu. Bekannt ist selbst die - unfaßbare - Geschichte, wie es den Mohns gelang, dem Verlag eine Widerstandsgeschichte gegen die Nazis anzudichten (dabei hatte man Feldposthefte für Wehrmacht und Waffen-SS und die Nazi-Autoren Will Vesper und Hans Grimm verlegt), um von den Engländern eine Drucklizenz zu erwerben. Dieser Blick hinter die Kulissen stammt von Hersch Fischler - aus dem Jahr 1998.
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