Die Bertelsmann Stiftung ist einflussreich und mächtig. Allseits beliebt und anerkannt ist die größte operative Stiftung in Deutschland eng verzahnt mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ganz gleich wer in Berlin oder Brüssel regiert, die Bertelsmann Stiftung regiert immer mit. Die Experten aus Gütersloh sind immer dabei in der öffentlichen Verwaltung, in der Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits- oder Außenpolitik. Doch dient die Arbeit der Stiftung wirklich dem Allgemeinwohl? Oder wird das Vertrauen durch verdeckten Lobbyismus und Vetternwirtschaft leichtfertig verspielt? Thomas Schuler zeigt, wie Bertelsmann sein Personal im politischen Betrieb platziert, wo die Gemeinnützigkeit untergraben und Politik im Sinne eigener Interessen gesteuert wird. Dies wirft wichtige Fragen auf über die Stiftungslandschaft insgesamt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2010Lobbyarbeit –
steuerlich absetzbar
Als Stiftung bezeichnet man eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgt. Eine Stiftung kann unterschiedliche Formen haben, wobei der Stiftungszweck üblicherweise das Geben von Vermögenswerten für kirchliche, mildtätige, gemeinnützige und ähnliche Zwecke ist. Thomas Schuler zeigt in seinem Buch einen ganz anderen Stiftungszweck auf. Die Bertelsmann-Stiftung sieht die Gesellschaft im Mittelpunkt ihres Handelns – was auch immer das genau bedeutet.
Thomas Schuler ist Absolvent der Columbia Journalism School in New York und arbeitet als freier Journalist. Nicht zum ersten Mal befasst er sich mit der Bertelsmann-Stiftung. 2004 veröffentlichte er „Die Mohns – Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern: Die Familie hinter Bertelsmann“. Der Untertitel des nun erschienenen Buches „Eine Stiftung macht Politik“, klingt provokativ, lässt die Spannung aber auch steigern. Hier geht es nicht um eine bloße Beschreibung einer Stiftung, sondern offensichtlich um viel mehr. Gegründet wurde die Bertelsmann-Stiftung 1977 vom Unternehmenschef Reinhard Mohn, der, wie sich im Buch schnell nachlesen lässt, nicht allein Wohltätigkeit im Sinn hatte, sondern nach einer einfachen Steuersparstrategie suchte. Mit 330 Mitgliedern und etwa 70 Millionen Euro Jahresbudget beeinflusst sie Schuler zufolge die politische und gesellschaftliche Elite und lenkt Diskussionen in vielen gesellschaftlichen Bereichen – von Bildungs-, Gesundheits- und Europapolitik bis hin zur Arbeitsmarktpolitik.
Thomas Schuler wirft zu Recht die Frage auf, was sie dazu legitimiert und warum einem halb privaten Institut, das sich in Politik und Gesellschaft einmischt, die Steuern erlassen werden. Die Bertelsmann-Stiftung scheint ein Zentrum der Macht zu sein, und ein Manager traf den Nagel wohl auf den Kopf, als er äußerte, dass eines der Hobbys von Reinhard Mohn Steuerersparnis sei. Neben der Einflussnahme auf die Politik stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Stiftung zum Unternehmen steht. Stiftungen gehören sich selbst, so dass die Frage bleibt, wer sie kontrolliert.
Im Falle der Bertelsmann-Stiftung ist dies schnell beantwortet: die Familie Mohn, die niemandem Rechenschaft ablegt. Die Bertelsmann-Stiftung ist zwar gemeinnützig, aber an erster Stelle steht offensichtlich die Gemeinnützigkeit sich selbst gegenüber. Sollte die Öffentlichkeit nicht stärker einfordern, was ihr zusteht? Reinhard Mohn hat sich vieles, zum Stiftungswesen in den USA abgeschaut, dem Mekka von Stiftungen. Die Nähe zur Politik und damit der Einfluss auf die Gesetzgebung durch die Bertelsmann-Stiftung, ist sicher einzigartig.
Und so richtet sich Thomas Schulers Kritik nicht allein auf die steuersparende Verflechtung von Stiftung und Bertelsmann AG. Anhand zahlreicher Beispiele belegt er, dass über die Stiftung immer wieder Projekte angeschoben werden, die zwar nach Gemeinnützigkeit aussehen, aber bei genauerer Betrachtung ganz offensichtlich den Interessen der Bertelsmann AG dienen. So versuchte die Stiftung, die Rundfunkaufsicht zu reformieren, um die Position von Privatsendern – wie dem Bertelsmannunternehmen RTL – gegenüber den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu stärken. Eine Reihe von Beispielen lassen sich ergänzen. Das Ziel des Buches ist es, den Missstand des deutschen Stiftungswesens anhand der Bertelsmann-Stiftung zu beleuchten. Schuler gelingt das auf ganzer Linie. Dennoch: Zum Glück existieren viele Stiftungen, bei denen Gemeinnützigkeit nicht nur Steuerersparnis bedeutet.
Indira Gurbaxani
Thomas Schuler:
Bertelsmannrepublik Deutschland. Eine Stiftung macht Politik. Campus Verlag,
Frankfurt/Main 2010.
304 Seiten. 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
steuerlich absetzbar
Als Stiftung bezeichnet man eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgt. Eine Stiftung kann unterschiedliche Formen haben, wobei der Stiftungszweck üblicherweise das Geben von Vermögenswerten für kirchliche, mildtätige, gemeinnützige und ähnliche Zwecke ist. Thomas Schuler zeigt in seinem Buch einen ganz anderen Stiftungszweck auf. Die Bertelsmann-Stiftung sieht die Gesellschaft im Mittelpunkt ihres Handelns – was auch immer das genau bedeutet.
Thomas Schuler ist Absolvent der Columbia Journalism School in New York und arbeitet als freier Journalist. Nicht zum ersten Mal befasst er sich mit der Bertelsmann-Stiftung. 2004 veröffentlichte er „Die Mohns – Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern: Die Familie hinter Bertelsmann“. Der Untertitel des nun erschienenen Buches „Eine Stiftung macht Politik“, klingt provokativ, lässt die Spannung aber auch steigern. Hier geht es nicht um eine bloße Beschreibung einer Stiftung, sondern offensichtlich um viel mehr. Gegründet wurde die Bertelsmann-Stiftung 1977 vom Unternehmenschef Reinhard Mohn, der, wie sich im Buch schnell nachlesen lässt, nicht allein Wohltätigkeit im Sinn hatte, sondern nach einer einfachen Steuersparstrategie suchte. Mit 330 Mitgliedern und etwa 70 Millionen Euro Jahresbudget beeinflusst sie Schuler zufolge die politische und gesellschaftliche Elite und lenkt Diskussionen in vielen gesellschaftlichen Bereichen – von Bildungs-, Gesundheits- und Europapolitik bis hin zur Arbeitsmarktpolitik.
Thomas Schuler wirft zu Recht die Frage auf, was sie dazu legitimiert und warum einem halb privaten Institut, das sich in Politik und Gesellschaft einmischt, die Steuern erlassen werden. Die Bertelsmann-Stiftung scheint ein Zentrum der Macht zu sein, und ein Manager traf den Nagel wohl auf den Kopf, als er äußerte, dass eines der Hobbys von Reinhard Mohn Steuerersparnis sei. Neben der Einflussnahme auf die Politik stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Stiftung zum Unternehmen steht. Stiftungen gehören sich selbst, so dass die Frage bleibt, wer sie kontrolliert.
Im Falle der Bertelsmann-Stiftung ist dies schnell beantwortet: die Familie Mohn, die niemandem Rechenschaft ablegt. Die Bertelsmann-Stiftung ist zwar gemeinnützig, aber an erster Stelle steht offensichtlich die Gemeinnützigkeit sich selbst gegenüber. Sollte die Öffentlichkeit nicht stärker einfordern, was ihr zusteht? Reinhard Mohn hat sich vieles, zum Stiftungswesen in den USA abgeschaut, dem Mekka von Stiftungen. Die Nähe zur Politik und damit der Einfluss auf die Gesetzgebung durch die Bertelsmann-Stiftung, ist sicher einzigartig.
Und so richtet sich Thomas Schulers Kritik nicht allein auf die steuersparende Verflechtung von Stiftung und Bertelsmann AG. Anhand zahlreicher Beispiele belegt er, dass über die Stiftung immer wieder Projekte angeschoben werden, die zwar nach Gemeinnützigkeit aussehen, aber bei genauerer Betrachtung ganz offensichtlich den Interessen der Bertelsmann AG dienen. So versuchte die Stiftung, die Rundfunkaufsicht zu reformieren, um die Position von Privatsendern – wie dem Bertelsmannunternehmen RTL – gegenüber den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu stärken. Eine Reihe von Beispielen lassen sich ergänzen. Das Ziel des Buches ist es, den Missstand des deutschen Stiftungswesens anhand der Bertelsmann-Stiftung zu beleuchten. Schuler gelingt das auf ganzer Linie. Dennoch: Zum Glück existieren viele Stiftungen, bei denen Gemeinnützigkeit nicht nur Steuerersparnis bedeutet.
Indira Gurbaxani
Thomas Schuler:
Bertelsmannrepublik Deutschland. Eine Stiftung macht Politik. Campus Verlag,
Frankfurt/Main 2010.
304 Seiten. 24,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erhellend findet Indira Gurbaxani diese kritische Auseinandersetzung mit der Bertelsmann-Stiftung von Thomas Schuler. Der Journalist zeigt ihres Erachtens stichhaltig, dass die 1977 gegründete Bertelsmann-Stiftung weniger dem Zweck der Gemeinnützigkeit dient als den Interessen der Bertelsmann AG. Anhand zahlreicher Belege führe der Autor vor Augen, wie die Stiftung Einfluss auf die Eliten in Politik und Gesellschaft nimmt. Auch die steuersparenden Verflechtungen zwischen von Bertelsmann Stiftung und Bertelsmann AG werden laut Rezensentin kritisch unter die Lupe genommen. Gurbaxanis Fazit: Schuler gelingt es überzeugend, den "Missstand des deutschen Stiftungswesens anhand der Bertelsmann-Stiftung" darzustellen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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