»Alois Prinz ist der begnadete Biograf von Hannah Arendt ... Prinz ist der Beste.« tazHannah Arendt (1906 -1975) ist eine der bedeutendsten Frauen in der Geschichte der Philosophie. Die Gedanken, die sie berühmt machten, gingen unmittelbar aus den Erfahrungen ihres abenteuerlichen und leidenschaftlichen Lebens hervor. In seiner Biografie, die sich liest wie ein Roman, entfaltet Alois Prinz Leben und Werk dieser beeindruckenden Frau und Philosophin.
»Voller Wärme und Begeisterung skizziert Prinz Leben und Werk einer komplizierten und ungewöhnlichen Frau, deren unbequemes Denken immer auch Ausdruck ihrer Liebe zur Welt und zum Leben war.« Hannoversche Allgemeine Zeitung »Prinz liefert, gleichsam neben Arendts Leben, einen solide gearbeiteten Handlauf durch das Treppenhaus der Zeitgeschichte. Er weckt Neugier auf ihre Bücher.« FAZ »Prinz versteht es meisterhaft, Hannah Arendt sprechen zu lassen, ob schnoddrig, staunend oder streng. Er bereitet die Bühne, hält sich im Hintergrund, im Vordergrund agiert das Temperament der streitbaren Philosophin.« Die Zeit »So anschaulich, spannend wie ein Roman, dabei sorgfältig auf Zeugnisse bauend, macht Alois Prinz mit Leben und Werk von Hannah Arendt, eine der originellsten politischen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts, bekannt.« Der Tagesspiegel
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.01.2013Abenteuerlich unbürgerliche Existenz –
Alois Prinz über Hannah Arendt
„Sehen Sie, ich bin in keiner Weise respectable geworden. Bin mehr denn je der Meinung, dass man eine menschenwürdige Existenz nur am Rande der Gesellschaft sich heute ermöglichen kann, wobei man dann mit mehr oder weniger Humor riskiert, von ihr entweder gesteinigt oder zum Hungertod verurteilt zu werden.“
Als Hannah Arendt 1945 diesen Brief an ihren Freund und Lehrer Karl Jaspers schrieb, hatte sie nicht nur die Flucht vor den Nazis überlebt, sondern machte gerade in den USA die Erfahrung, dass ihre sehr eigenständigen Positionen zu aktuellen politischen Ereignissen die Öffentlichkeit polarisierten. So lehnte sie entschieden die Idee eines Staates Israel ab, obwohl sie für eine jüdische Organisation arbeitete und als Reaktion mit der geballten Wut der Zionisten konfrontiert wurde, die auch heute noch immer wieder aufflackert. Berühmt wurde sie durch ihre politisch-philosophische Streitschrift „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, in der sie Parallelen zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus zieht. Aufsehen erregte auch ihre Berichterstattung des Eichmann-Prozesses.
Doch die Besonderheit dieses Lebens, und das zeichnet ihr Biograf Alois Prinz sehr anschaulich auf, ist ihre Begabung, Denken und Handeln nicht zu trennen. Ihre abenteuerlich unbürgerliche Existenz führt zu einem philosophisch-politischen Austausch mit den wichtigsten Denkern und Autoren ihrer Zeit. Zu einem lebenslangen Diskurs mit Heidegger, den sie, als Studentin leidenschaftlich verbunden, im Alter distanziert sah: „Dies Leben in Todtnauberg, auf Zivilisation schimpfend und Sein mit einem y schreibend, ist ja doch in Wahrheit nur das Mauseloch, in das er sich zurückgezogen hat, weil er mit Recht annimmt, dass er da nur Menschen zu sehen braucht, die voller Bewunderung anpilgern.“
Alois Prinz stellt in seinem Buch Hannah Arendt als streitbare Denkerin dar und räumt ihr so in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts den ihr gebührenden Platz ein.
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Alois Prinz:
Hannah Arendt oder die Liebe zur Welt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
326 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Alois Prinz über Hannah Arendt
„Sehen Sie, ich bin in keiner Weise respectable geworden. Bin mehr denn je der Meinung, dass man eine menschenwürdige Existenz nur am Rande der Gesellschaft sich heute ermöglichen kann, wobei man dann mit mehr oder weniger Humor riskiert, von ihr entweder gesteinigt oder zum Hungertod verurteilt zu werden.“
Als Hannah Arendt 1945 diesen Brief an ihren Freund und Lehrer Karl Jaspers schrieb, hatte sie nicht nur die Flucht vor den Nazis überlebt, sondern machte gerade in den USA die Erfahrung, dass ihre sehr eigenständigen Positionen zu aktuellen politischen Ereignissen die Öffentlichkeit polarisierten. So lehnte sie entschieden die Idee eines Staates Israel ab, obwohl sie für eine jüdische Organisation arbeitete und als Reaktion mit der geballten Wut der Zionisten konfrontiert wurde, die auch heute noch immer wieder aufflackert. Berühmt wurde sie durch ihre politisch-philosophische Streitschrift „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, in der sie Parallelen zwischen Nationalsozialismus und Stalinismus zieht. Aufsehen erregte auch ihre Berichterstattung des Eichmann-Prozesses.
Doch die Besonderheit dieses Lebens, und das zeichnet ihr Biograf Alois Prinz sehr anschaulich auf, ist ihre Begabung, Denken und Handeln nicht zu trennen. Ihre abenteuerlich unbürgerliche Existenz führt zu einem philosophisch-politischen Austausch mit den wichtigsten Denkern und Autoren ihrer Zeit. Zu einem lebenslangen Diskurs mit Heidegger, den sie, als Studentin leidenschaftlich verbunden, im Alter distanziert sah: „Dies Leben in Todtnauberg, auf Zivilisation schimpfend und Sein mit einem y schreibend, ist ja doch in Wahrheit nur das Mauseloch, in das er sich zurückgezogen hat, weil er mit Recht annimmt, dass er da nur Menschen zu sehen braucht, die voller Bewunderung anpilgern.“
Alois Prinz stellt in seinem Buch Hannah Arendt als streitbare Denkerin dar und räumt ihr so in der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts den ihr gebührenden Platz ein.
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Alois Prinz:
Hannah Arendt oder die Liebe zur Welt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012.
326 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998Im Treppenhaus der Zeitgeschichte
Mit Geländer zum Denken: Eine Hannah-Arendt-Biographie für junge Leser von Alois Prinz
In dem Interview, das Hannah Arendt 1964 dem deutschen Fernsehen gab, widerspricht sie Günter Gaus sofort: "Ich fühle mich keineswegs als Philosophin"; dann versuchen beide eine Definition zu finden für Hannah Arendts Beruf, "wenn man davon überhaupt sprechen kann". Ihre Arbeit nämlich, so erklärt sie weiter, verbinde Philosophie und Politik, zwei Bereiche, die sich feindselig gegenüberstehen.
Für Hannah Arendt war politisches und moralisches Denken und Handeln untrennbar miteinander verbunden. Sie hat nicht einsam vor sich hingebrütet, sondern die politischen Ereignisse direkt in ihr Denken einwirken lassen. Schreibend und diskutierend hat sie sie dann zu verstehen gesucht. Deshalb ist es aufregend, Hannah Arendt zu lesen. Ihr Werk und ihr Leben vermittelt die Bedeutung dessen, was sie als das wichtigste Menschenrecht bezeichnet hat: daß ein Mensch "den Standort hat, an dem und durch den seine Meinungen Gewicht haben und seine Handlungen Wirksamkeit".
Standort, Meinung und Handlung: Jeder Mensch muß sich immer wieder darüber klar werden, den Jüngeren aber ist es oft wichtiger. So ist es folgerichtig, daß es nun auch eine Biographie Hannah Arendts für Jugendliche gibt. Bei ihr sind die Erkenntnisse so eng mit dem Lebenslauf verwoben, daß er die beste Einführung in ihre Gedanken bietet. Allerdings kann man bei jungen Lesern weniger Geduld und Vorwissen voraussetzen; nicht jeder liest, wie Hannah Arendt, mit vierzehn Jahren Kant und Jaspers.
Alois Prinz berücksichtigt das und gibt mit seinem Prolog einen leichten Einstieg. Im knappem Reportagestil, fast reißerisch hebt er einen Moment aus Hannah Arendts Leben hervor: den Taxi-Unfall, den sie 1962 in New York hatte. Sie war damals sechsundfünfzig Jahre alt und auf der Höhe ihres Ruhmes als Staatsphilosophin. Später hat Arendt beschrieben, wie sie, als sie wieder bei Bewußtsein war, in Gedanken ihr Leben durchging, "ein Jahrzehnt nach dem anderen". Prinz ahmt das nach, läßt ihr Leben und ihre wichtigsten Erkenntnisse schlaglichtartig am Leser vorbeiziehen. Der erhält einen Eindruck vom Temperament dieser Frau, bevor die Biographie ganz konventionell und, glücklicherweise, in deutlich zurückhaltenderem Ton im Jahr 1902 mit der Hochzeit der Eltern in Königsberg beginnt.
Mit der Lebensgeschichte der Hannah Arendt sind auch die großen Erschütterungen und Denkbewegungen unseres Jahrhunderts verbunden. Es ist die Geschichte einer deutschen Jüdin, die als junge Theologiestudentin in den zwanziger Jahren mit Martin Heidegger eine Affäre hatte, der eine lebenslange Auseinandersetzung mit seiner Philosophie folgte; einer Exilantin, die im Paris der dreißiger Jahre mit Walter Benjamin befreundet war; schließlich einer Emigrantin in New York, die bis zu ihrem Tod im Jahr 1975 mit Entschiedenheit auf gesellschaftspolitische Ereignisse reagierte.
Ihre wichtigsten Werke hat Hannah Arendt direkt aus dem Erleben heraus in ihrem unpathetischen, temperamentvollen Stil zu Papier gebracht. Unmittelbar nach 1945 entstand die Studie über die Ursprünge des Totalitarismus. Arendt prägt darin den Begriff des "radikal Bösen", das die "heimatlosen Menschen" der Moderne unfähig zum echten gemeinsamen Handeln macht. Später fuhr sie als Berichterstatterin zum Eichmann-Prozeß nach Jerusalem; hier entstand die Formel von der "Banalität des Bösen", wie sie sich in der Person Adolf Eichmanns zeigt, den Arendt einen "Hanswurst" nannte. In ihrer Analyse kritisiert sie auch die Rolle der Judenräte und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Deutschland, wofür sie heftig angefeindet wurde.
Hannah Arendt wollte immer, wie sie selbst es ausdrückte, "ohne Geländer denken". Das Buch von Alois Prinz ist eines. Präzise, aber nicht zu ausführlich faßt es die Grundgedanken ihrer Werke zusammen, referiert auch die Thesen ihrer Lehrer Heidegger und Jaspers und die Spannungen, die sich daraus zwischen ihnen und Arendt ergaben. Vor allem aber liefert Prinz, gleichsam neben ihrem Leben hergehend, einen solide gearbeiteten Handlauf durch das Treppenhaus der Zeitgeschichte. Er tut dies nicht wie ein großsprecherischer Museumsführer, eher wie ein Souffleur, der leise die Stichworte gibt. Oft komplimentiert er sich selbst hinaus, indem er neben Hannah Arendts eigenen Worten auch viele Zeitzeugen zitiert. So läßt er in aller Bescheidenheit den Hintergrund entstehen, vor dem Hannah Arendt gesehen und verstanden werden kann, und weckt Neugier auf ihre Bücher. MONIKA OSBERGHAUS
Alois Prinz: "Beruf Philosophin oder Die Liebe zur Welt". Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 1998. 326 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit Geländer zum Denken: Eine Hannah-Arendt-Biographie für junge Leser von Alois Prinz
In dem Interview, das Hannah Arendt 1964 dem deutschen Fernsehen gab, widerspricht sie Günter Gaus sofort: "Ich fühle mich keineswegs als Philosophin"; dann versuchen beide eine Definition zu finden für Hannah Arendts Beruf, "wenn man davon überhaupt sprechen kann". Ihre Arbeit nämlich, so erklärt sie weiter, verbinde Philosophie und Politik, zwei Bereiche, die sich feindselig gegenüberstehen.
Für Hannah Arendt war politisches und moralisches Denken und Handeln untrennbar miteinander verbunden. Sie hat nicht einsam vor sich hingebrütet, sondern die politischen Ereignisse direkt in ihr Denken einwirken lassen. Schreibend und diskutierend hat sie sie dann zu verstehen gesucht. Deshalb ist es aufregend, Hannah Arendt zu lesen. Ihr Werk und ihr Leben vermittelt die Bedeutung dessen, was sie als das wichtigste Menschenrecht bezeichnet hat: daß ein Mensch "den Standort hat, an dem und durch den seine Meinungen Gewicht haben und seine Handlungen Wirksamkeit".
Standort, Meinung und Handlung: Jeder Mensch muß sich immer wieder darüber klar werden, den Jüngeren aber ist es oft wichtiger. So ist es folgerichtig, daß es nun auch eine Biographie Hannah Arendts für Jugendliche gibt. Bei ihr sind die Erkenntnisse so eng mit dem Lebenslauf verwoben, daß er die beste Einführung in ihre Gedanken bietet. Allerdings kann man bei jungen Lesern weniger Geduld und Vorwissen voraussetzen; nicht jeder liest, wie Hannah Arendt, mit vierzehn Jahren Kant und Jaspers.
Alois Prinz berücksichtigt das und gibt mit seinem Prolog einen leichten Einstieg. Im knappem Reportagestil, fast reißerisch hebt er einen Moment aus Hannah Arendts Leben hervor: den Taxi-Unfall, den sie 1962 in New York hatte. Sie war damals sechsundfünfzig Jahre alt und auf der Höhe ihres Ruhmes als Staatsphilosophin. Später hat Arendt beschrieben, wie sie, als sie wieder bei Bewußtsein war, in Gedanken ihr Leben durchging, "ein Jahrzehnt nach dem anderen". Prinz ahmt das nach, läßt ihr Leben und ihre wichtigsten Erkenntnisse schlaglichtartig am Leser vorbeiziehen. Der erhält einen Eindruck vom Temperament dieser Frau, bevor die Biographie ganz konventionell und, glücklicherweise, in deutlich zurückhaltenderem Ton im Jahr 1902 mit der Hochzeit der Eltern in Königsberg beginnt.
Mit der Lebensgeschichte der Hannah Arendt sind auch die großen Erschütterungen und Denkbewegungen unseres Jahrhunderts verbunden. Es ist die Geschichte einer deutschen Jüdin, die als junge Theologiestudentin in den zwanziger Jahren mit Martin Heidegger eine Affäre hatte, der eine lebenslange Auseinandersetzung mit seiner Philosophie folgte; einer Exilantin, die im Paris der dreißiger Jahre mit Walter Benjamin befreundet war; schließlich einer Emigrantin in New York, die bis zu ihrem Tod im Jahr 1975 mit Entschiedenheit auf gesellschaftspolitische Ereignisse reagierte.
Ihre wichtigsten Werke hat Hannah Arendt direkt aus dem Erleben heraus in ihrem unpathetischen, temperamentvollen Stil zu Papier gebracht. Unmittelbar nach 1945 entstand die Studie über die Ursprünge des Totalitarismus. Arendt prägt darin den Begriff des "radikal Bösen", das die "heimatlosen Menschen" der Moderne unfähig zum echten gemeinsamen Handeln macht. Später fuhr sie als Berichterstatterin zum Eichmann-Prozeß nach Jerusalem; hier entstand die Formel von der "Banalität des Bösen", wie sie sich in der Person Adolf Eichmanns zeigt, den Arendt einen "Hanswurst" nannte. In ihrer Analyse kritisiert sie auch die Rolle der Judenräte und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Deutschland, wofür sie heftig angefeindet wurde.
Hannah Arendt wollte immer, wie sie selbst es ausdrückte, "ohne Geländer denken". Das Buch von Alois Prinz ist eines. Präzise, aber nicht zu ausführlich faßt es die Grundgedanken ihrer Werke zusammen, referiert auch die Thesen ihrer Lehrer Heidegger und Jaspers und die Spannungen, die sich daraus zwischen ihnen und Arendt ergaben. Vor allem aber liefert Prinz, gleichsam neben ihrem Leben hergehend, einen solide gearbeiteten Handlauf durch das Treppenhaus der Zeitgeschichte. Er tut dies nicht wie ein großsprecherischer Museumsführer, eher wie ein Souffleur, der leise die Stichworte gibt. Oft komplimentiert er sich selbst hinaus, indem er neben Hannah Arendts eigenen Worten auch viele Zeitzeugen zitiert. So läßt er in aller Bescheidenheit den Hintergrund entstehen, vor dem Hannah Arendt gesehen und verstanden werden kann, und weckt Neugier auf ihre Bücher. MONIKA OSBERGHAUS
Alois Prinz: "Beruf Philosophin oder Die Liebe zur Welt". Die Lebensgeschichte der Hannah Arendt. Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 1998. 326 S., geb., 36,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main